Gentechnisch optimierte Embryonen: Die Weltgemeinschaft sollte über ethische Grenzen diskutieren!
Chinesische Forscher haben erstmals versucht, das Erbgut menschlicher Embryonen zu korrigieren. Das ist ein Dammbruch, über den die Weltgemeinschaft diskutieren sollte. Denn solche Veränderungen betreffen alle künftigen Generationen. Ein Kommentar.
Es war nicht nur ein Gerücht, dass chinesische Wissenschaftler das Erbgut menschlicher Embryonen korrigieren wollen. Es ist Gewissheit, sie berichten nun selbst von ihren Experimenten. Sie versuchten bei 84 befruchteten Eizellen, ein Gen zu reparieren, das eine Blutkrankheit verursacht.
Das ist ein Dammbruch. Zum einen war das Erbgut von Embryonen bisher grundsätzlich tabu. Wer beim Herumschnipseln Fehler macht oder unbekannte Dominoeffekte auslöst, schädigt durch die "Therapie" die künftigen Generationen.
Die Forscher fanden Genveränderungen, die sie nicht erwartet hatten
Eine Manipulation in diesem Stadium der Menschwerdung betrifft unter anderem die Keimzellen. Sie wird deshalb an Kinder und Kindeskinder weitergegeben. Dass solche Fehler keine Horrorvision sind, zeigen die Ergebnisse der Chinesen. Als sie das Erbgut der behandelten Eizellen analysierten, fanden sie viele Genveränderungen, mit denen sie nicht gerechnet hatten. Nur bei einem Bruchteil hatten sie ihr Ziel erreicht.
Zum anderen benutzten die Forscher eine neue Technik namens Crispr. Sie macht Genchirurgie handwerklich so einfach, dass sie in einem mittelmäßig ausgestatteten Labor eines Kinderwunschzentrums anwendbar ist. Der Schritt vom Versuch, einzelne Krankheiten zu vermeiden – was genügend ethischen Zündstoff bietet –, zur weiteren Erbgutoptimierung ist dann nicht mehr groß. Mit Crispr als Skalpell kann man jedes beliebige Gen austauschen.
Unwissenheit entschuldigt Gleichgültigkeit nicht
Das macht noch kein Baby auf Bestellung möglich, unser Wissen ist dazu viel zu begrenzt. Die meisten Volkskrankheiten werden durch eine Vielzahl von Genen kodiert. Selbst bei der Haarfarbe spielen mindestens zehn Gene eine Rolle, bei der Körpergröße sind es mehr als 180. Und es wird noch komplizierter. Damit beim Wachstum des Embryos zur richtigen Zeit und in der richtigen Zelle das richtige Gen abgelesen wird, ist ein Regulationsnetzwerk nötig. Es ist wie im Konzert: Instrumente allein genügen nicht. Ohne Musiker, die Noten lesen und Einsätze abwarten, die eine Lautstärke und ein Tempo finden, sind sie nutzlos.
Dieses Unwissen entschuldigt Gleichgültigkeit nicht. Im Gegenteil, es offenbart die menschliche Hybris, sich selbst und seine Nachkommen verbessern zu wollen. Trotzdem sind Keimbahnexperimente gerade einmal in 40 Staaten verboten oder streng reguliert. Da bleiben viele Labore, in denen Forscher außer dem eigenen moralischen Kompass nur die technische Machbarkeit bremst.
Forscher hatten bereits aufgrund der Gerüchte ein Moratorium gefordert
Angesehene Genforscher hatten bereits aufgrund der Gerüchte um die chinesischen Experimente eine Denkpause gefordert, ein Moratorium. Niemand solle solche Versuche machen, bevor die Folgen für die Gesellschaft erwogen wurden. Sie wünschen sich Expertenforen, die über die Möglichkeiten und Risiken der genchirurgischen Techniken informieren. Und sie plädieren für eine "global repräsentative Gruppe", die Öffentlichkeit und Regierungen einschließt und Regulierungen empfehlen soll.
Die Weltgemeinschaft diskutiert über das Klima, über Chemiewaffen und darüber, wie man sich gegen neue Viren rüsten kann. Warum nicht darüber, welche ethischen Grenzen hin zu einer Optimierung des Menschen auf keinen Fall überschritten werden dürfen? Man dürfe solche Fragen nicht allein Forschern überlassen, sagt Nobelpreisträger Paul Berg. Sie hätten eine unglaubliche Fähigkeit, die Risiken der eigenen Arbeit zu ignorieren.
Jana Schlütter