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Beim Chatten sind Kinder oft in ihrer eigenen Blase – Mobbing bleibt so unentdeckt (Symbolbild)
© dpa/Oliver Berg

Mobbing an Schulen: Die Verantwortung der Eltern nicht vergessen

Mobbing muss nicht nur in jedem Lehrerzimmer und auf jedem Elternabend bearbeitet werden. Auch Familien sollten das Thema stärker diskutieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Amory Burchard

„Wie war es in der Schule?“ – „Gut.“ Dieser Mini-Dialog zwischen Eltern und Kindern spielt sich allabendlich in zahllosen Familien ab. Er ist ein Klassiker – und ein Armutszeugnis darüber, wie wenig man nach einem langen Tag in der Schule, bei der Arbeit zu sagen hat.

Darüber, wie schwer es oft ist, gemeinsame Themen zu finden, die alle am Abendbrottisch angehen und mitziehen. Aber es gibt solche Abende, an denen Eltern zur Tagesordnung übergehen. Nach den unerledigten Hausaufgaben fragen oder die Dauer der Handy- oder Tabletzeit ausdiskutieren.

Doch jetzt liegt ein Thema auf dem Tisch, über das keine Familie mit Schulkindern schweigend hinweggehen sollte. Der Fall einer Elfjährigen, die sich offenbar wegen Mobbings an einer Berliner Schule das Leben genommen hat. Dieser entsetzliche Vorfall ist jeden Tag in der Zeitung, in den sozialen Medien.

Das muss nicht nur in jeder Schule, in jedem Lehrerzimmer und auf jedem Elternabend aufgegriffen und bearbeitet werden. Niemand mehr darf sich vor der Verantwortung wegducken, Mobbing zu thematisieren, adressieren und wirkungsvoll zu bekämpfen.

Wie ist das bei euch in der Klasse? Was wird da so gesagt oder in der WhatsApp-Gruppe ausgetauscht? Wie verhältst du dich, wenn du dich gemobbt fühlst, wenn jemand anderes gemobbt wird? Es wird schwierig genug sein, auf diese Fragen Antworten zu bekommen. Kinder lassen sich ungern aus der Nase ziehen, was vermeintlich nur sie angeht.

Sie machen das mit sich aus oder mit ihren Freunden, gerade beim Chatten sind sie in ihrer eigenen Blase, lassen sich höchst ungern ins Handy gucken. Verletzlichkeit und Schwäche einzugestehen, ja, auch die Schwäche, anderen nicht immer zu helfen, wenn es sein müsste, ist schwer. Wenn sich gemobbte Kinder und solche, die hilflos sind, wenn Klassenkameraden getriezt werden, ihren Eltern offenbaren, ist das auch nur der allererste Anfang. Was tun, wie helfen, wen einbeziehen?

Wie viel schwerer ist es da, herauszufinden, ob ein Kind womöglich selber mobbt oder sich daran direkt oder indirekt beteiligt. Hast du schon mal mitgemacht, wenn andere Kinder ausgegrenzt, beschimpft und verbal bedroht werden? Das eigene Kind als Täter oder Mittäter? Eltern, die sich das eingestehen, müssen ihr bisheriges Erziehungskonzept infrage stellen.

An der Schule ist ziemlich sicher nie alles „gut“

Damit hätten sie den ersten Schritt getan – auf einem weiten Weg zu einem gewalt- und diskriminierungsfreien Umgang mit den eigenen Kindern. Und zu einem empathischen Umgang in der Familie und mit den „Anderen“. Noch problematischer sind Väter und Mütter, die sich die (Mit)täterschaft ihrer Kinder nicht eingestehen. Die Mobbing nicht als solches erkennen und Mobbingvorwürfe seitens der Schule oder betroffener Kinder und Eltern zurückweisen. Doch auch sie können berührt werden - von dem Suizid der Elfjährigen.

Er sollte jetzt auf Elternabenden und gegebenenfalls in Einzelgesprächen thematisiert werden. Lehrkräfte und Schulen, die Eltern von mobbenden Schülern so nicht erreichen, müssen Experten hinzuziehen. Das bleibt selbstverständlich die Aufgabe der Schulen. Sie können sich nicht darauf zurückziehen, dass manche Schüler und Eltern nicht mehr zu erreichen wären.

An der Schule ist ziemlich sicher nie alles „gut“ für die Kinder. So sehr man es sich auch wünschen mag in einem Familienalltag, der darauf ausgerichtet ist, das alle funktionieren. So schwer es auch oft fällt: Wir müssen reden, jetzt und gerade über Mobbing.

Haben Sie dunkle Gedanken? Wenn es Ihnen nicht gut geht oder Sie daran denken, sich das Leben zu nehmen, versuchen Sie, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen Sie sich melden können. Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222. Weiterhin gibt es von der Telefonseelsorge das Angebot eines Hilfe-Chats. Außerdem gibt es die Möglichkeit einer E-Mail-Beratung. Die Anmeldung erfolgt – ebenfalls anonym und kostenlos – auf der Webseite. Informationen finden Sie unter: www.telefonseelsorge.de Eine Themenseite finden sie unter tagesspiegel.de/themen/mobbing.

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