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„Schutz unserer Frauen“. Eigentlich ist der Rechtspopulismus antifeministisch. Eine bestimmte Form des Feminismus integriert er nur dann in seine Diskurse, wenn er sich gegen angeblich frauenfeindliche Muslime instrumentalisieren lässt. Das Foto zeigt den von der AfD im vergangenen Juni organisierten „Frauenmarsch“ in Berlin.
© imago/Stefan Boness/IPON

Frauenhass und Rechtsnationalismus: Die Rache verunsicherter Männer

Maskulisten wie die „Pick-Up Artists“ wollen Frauen beherrschen. Die Kontakte der Szene zur rechtsnationalen Szene werden enger.

Eine Frau, die sich weigert, mit einem Mann zu schlafen, hat es verdient zu sterben. So lässt sich die Philosophie der „Incels“ zusammenfassen. Das steht für „involuntary celibates“, also Männer, die gegen ihren Willen keinen Geschlechtsverkehr haben. Für Aufmerksamkeit sorgte die Gruppierung, die sich hauptsächlich in Internetforen austauscht, als der 25-jährige Alek Minassian im April 2018 in Toronto mit einem Lastwagen zehn Menschen tötete und sechzehn weitere verletzte. Auf Facebook hatte er zuvor von der „Incel Rebellion“ geschrieben, die bereits begonnen habe.

Ein anderer bekannter Frauenhasser ist der rechtsextreme Attentäter Anders Behring Breivik, der 2011 in Oslo und auf der Insel Utoya 77 Menschen tötete. „Das Erstarken des Feminismus bedeutet das Ende der Nation und das Ende des Westens“, schrieb Breivik in seinem Manifest. Die westlichen Männer würden verweichlichen und so Norwegen der „Kolonisierung“ durch Muslime öffnen. Hier wird nicht nur Breiviks Antifeminismus und Frauenhass deutlich, sondern auch deren Überschneidung mit rechtsnationalistischem Gedankengut.

Die Pick-Up Artists begannen als Selbsthilfegruppe

Mit diesen Zusammenhängen beschäftigt sich die Schweizer Geschlechterforscherin und Soziologin Franziska Schutzbach. In ihrem Text „Dominante Männlichkeiten und neoreaktionäre Weltanschauungen in der Pick-Up-Artist-Szene“, der unlängst in den „Feministischen Studien“ erschienen ist, geht Schutzbach auf die Radikalisierung und Politisierung der maskulistischen Szene in den letzten Jahren ein. Besonderes Augenmerk legt sie dabei auf die Pick-Up Artists (PUA), die einst in den USA als eine Art Selbsthilfegruppe für verunsicherte Männer starteten, die lernen wollten, Frauen zu „erobern“. Inzwischen sind sie in weiten Teilen der Welt aktiv, in Blogs und Foren, aber auch offline in Form von Workshops, Vorträgen und Büchern. Sie vertreten die Meinung, dass ein Mann jederzeit ein Recht auf Sex habe und dass Männer eine „Alphamännlichkeit“ entwickeln müssten, um bei Frauen anzukommen.

"Sie will, was du willst"

Markenzeichen der PUA sind unverhohlene Rücksichtslosigkeit und offene Dominanzansprüche, wie Schutzbach schreibt. Frauen sind dabei Spielobjekte. „Du solltest nach der Maxime verfahren: Sie will, was du willst“, schreibt Pick-Up Artist Lodovico Santana in seinem Buch „Lob des Sexismus“. Und weiter: „Es ist für dich das Normalste auf der Welt, andere Menschen zu berühren. Sich dieses Recht dazu zu nehmen, ist das Privileg des Alpha.“ Die PUA betonen die biologischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Frauen seien emotional und irrational, während Männer evolutionär bedingt gelernt hätten, logisch zu denken. Neben Frauen grenzen sich die PUA auch von sogenannten Nice Guys oder Beta-Männern ab.

Die Szene arbeitet zunehmend mit rechtsnationalen Gruppen zusammen

Schutzbach dokumentiert, wie die Gruppierung – insbesondere in den USA – zunehmend mit rechtsnationalen Bewegungen zusammenarbeitet. Das zeige sich beispielsweise in dem Internetforum „The Red Pill“, wo antifeministische und rechtsnationalistische Gruppen zusammenkommen. „Die PUA sind längst mehr als eine Selbsthilfegruppe. Sie sind ein Scharnier, das Frauenverachtung, Antifeminismus, Maskulismus, Rassismus und Rechtsnationalismus verbindet“, schreibt die Wissenschaftlerin. Antifeminismus sei anschlussfähig für alle Gruppierungen, die in Menschenrechten und Minderheitenschutz einen „Totalitarismus“ von oben vermuten. Dieser imaginierten „Gleichheits-Drohung“ würden Vorstellungen der Gesellschaft entgegengestellt, in der Menschen von Natur aus hierarchisch geordnet sind. Ähnlich wie etwa die identitäre Bewegung schmücken sich die PUA dabei mit einer subversiven Attitüde. Sie fühlen sich als Punks in einer angeblich von der politischen Korrektheit dominierten Gesellschaft.

Männliche Überlegenheit wird betont, weil die Geschlechterverhältnisse sich wandeln

Schutzbach sieht in der Ideologie der PUA männliche „Re-Souveränisierungsversuche“. Die stetige Betonung männlicher Überlegenheit verweise gerade auf deren Brüchigkeit in der heutigen Zeit, in der sich herkömmliche Geschlechterverhältnisse langsam wandeln und beispielsweise das Einverdienermodell nicht mehr die Norm ist. Die Abwehr von Gefühlen und Schwäche lasse sich auch als Ausgang für die Herausbildung einer faschistischen Männlichkeit lesen. Soldatische Männlichkeit klinge schon im Vokabular der PUA an, wo von „Mission“, „Target“, „Eroberungen“ und „Field Reports“ die Rede ist.

Während Incels, PUA und Breivik Extrembeispiele sind, lassen sich die Zusammenhänge von antifeministischer und rechter Rhetorik heute überall beobachten. In ihrem kürzlich erschienenen Buch „Die Rhetorik der Rechten“ geht Franziska Schutzbach auf aktuelle rechtspopulistische Diskursstrategien ein. Dazu gehöre die Selbststilisierung als Retter der liberalen Demokratie, mit der es die Rechtspopulisten bis in die Mitte der Gesellschaft geschafft haben. Eine typische Strategie sei die Rhetorik gegen „Minderheitenterror“ und „Political Correctness“ (PC), bei der auch Konservative und Liberale mit einstimmen würden. Man denke nur an die Diskussionen über All-Gender-Toiletten oder die Debatte um Kramp-Karrenbauers Karnevalsscherze auf Kosten von intergeschlechtlichen Menschen.

"Die Verteidigung von Hierarchien wird als Verteidigung von Freiheit dargestellt"

„Anti-PC-Rhetorik und Gutmenschen-Bashing ist letztlich eine subtile Strategie, mit der eine Politik der Verantwortung und Chancengleichheit abgewehrt wird“, so Schutzbachs Analyse. Insbesondere die Politisierung von Geschlechter- und Sexualitätsfragen ist Schutzbach zufolge einender Nenner vieler rechtspopulistischer Akteure, wobei es stets das Ziel sei, traditionelle Geschlechterverhältnisse zu zementieren. Diese Strategie ermögliche auch Verbindungen ins christlich-konservative sowie ins maskulistische Lager, wie etwa bei den Pick-Up Artists oder der homofeindlichen Kampagne gegen „Frühsexualisierung“ an Schulen.

„Die Beibehaltung und Verteidigung von Hierarchien und Ungleichheit wird als Verteidigung von Freiheit dargestellt, während man all jenen, die ein breiteres Spektrum möglich machen wollen, Gleichschaltung und Totalitarismus unterstellt“, legt Schutzbach dar. Trotz rechtlicher Gleichstellung bestehende Unterschiede zwischen Mann und Frau werden als natürlich deklariert, gesellschaftliche Verhältnisse ausgeblendet.

Schutzbach analysiert, dass in den letzten Jahren eine Verschiebung von Anti-Feminismus hin zu Anti-Gender-Diskursen stattgefunden habe, häufig gepaart mit Wissenschaftsfeindlichkeit. Heute werde eine rechte Form des Feminismus sogar in populistische Diskurse integriert, um die eigene Vormachtstellung etwa gegen angeblich frauenfeindliche Muslime zu zementieren, während Gender das neue Feindbild ist. Bestes Beispiel ist die AfD, die ihre feministische Seite immer dann entdeckt, wenn es um den Schutz „unserer Frauen“ gegen angeblich frauenfeindliche Muslime geht.

Schon im Kaiserreich wurden antisemitische und antifeministische Argumente vereint

Die Zusammenhänge von Anti-Gender-Diskursen, Antifeminismus und Rechtspopulismus lassen sich in der gesamten westlichen Welt beobachten. In Spanien geht die rechtsextreme Partei Vox gegen eine vermeintliche „Gender-Ideologie“ an den Schulen vor, während die AfD Gender Studies als Studienfach verbieten will, was in Ungarn bereits Realität ist. Eine illustre Mischung aus Konservativen, Rechten und Literaten unterschrieb vor Kurzem einen Aufruf gegen „Gender-Unfug“, während seit Karneval über angeblich verweichlichte Latte macchiato trinkende Männer diskutiert wird.

Neu ist das alles nicht, das macht Franziska Schutzbach in ihren Texten deutlich. Schon im Antimodernismus des Kaiserreichs wurden antisemitische und antifeministische Argumente vereint und eine Schwächung der Nation aufgrund der angeblichen Verweichlichung der Männer beklagt. Vorstellungen, die im Dritten Reich noch deutlicher wurden. Und die jetzt, gepaart mit Islamfeindlichkeit, anscheinend wieder in der Mitte der Gesellschaft ankommen.

Franziska Schutzbach: „Die Rhetorik der Rechten. Rechtspopulistische Diskursstrategien im Überblick“, Edition Xanthippe, 143 Seiten, Dezember 2018, 19,80 Euro. – Ein Gespräch mit Franziska Schutzbach und Sabine Hark vom Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der TU Berlin über die Rhetorik der Rechten findet am 10. April um 18 Uhr, an der TU Berlin statt. Ort: Telefunkenhochhaus am Ernst-Reuter-Platz 7, 8. Etage (TEL 811).

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