zum Hauptinhalt
Alter Kasten. Die "Polarstern" ist seit Dezember 1982 im Einsatz. Jetzt ist sie so schwer beschädigt, dass sie umgehend nach Deutschland zurückkehren muss. Zwei Monate früher als geplant
© Alfred-Wegener-Institut/Stefanie Arnd
Update

Deutsches Forschungsschiff ist kaputt: Die "Polarstern" muss die Antarktis vorzeitig verlassen

Linke Schiffsschraube defekt: Mehr als zwei Monate Expeditionszeit werden gestrichen. Vor allem für Nachwuchsforscher hat das gravierende Folgen.

Das deutsche Forschungsschiff „Polarstern“, derzeit unterwegs in der Antarktis, hat zwischen Weihnachten und Neujahr einen schweren Schaden am Antrieb erlitten. Das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) hat nun beschlossen: Die Fahrt wird abgebrochen, die Polarstern soll zügig aus dem Eis und zurück nach Deutschland fahren. „Damit gehen zweieinhalb Monate Expeditionszeit verloren“, sagt Rainer Knust, wissenschaftlicher Polarstern-Koordinator am AWI. Mehr als 100 Wissenschaftler und Techniker seien von der Absage betroffen.

Schwerer Sturm erschwert die Arbeiten

Derzeit sei die Crew damit befasst, Versorgungsgüter für die Antarktisstation Neumayer III zu entladen, doch das ist ein schwieriges Unterfangen. „Es gibt keinen Hafen, wo das Schiff festmachen kann“, erläutert Knust. Stattdessen fahre es an eine Kante am Eis und halte sich mit den zwei Schiffsschrauben und zwei Querrudern in Position. Da die linke Schiffsschraube nicht funktioniere, ist das umso schwieriger. „Gerade herrscht starker Sturm, das Entladen ruht, wir hoffen, dass es am Donnerstag weitergeht.“ Wenn das Wetter mitmacht, wird die Polarstern am Montag auch den Treibstoff für die Station abgeliefert haben und dann drei Tage durchs Eis fahren, ehe sie offenes Wasser erreicht. Die nächste Station ist Kapstadt, von dort geht es nach Bremerhaven.

Die aktuelle Position der "Polarstern".
Die aktuelle Position der "Polarstern".
© TSP

Eine Reparatur im Süden ist nicht möglich

Der Schaden ist im linken Antriebsstrang. Die Schiffspropeller der Polarstern drehen sich mit konstanter Geschwindigkeit und haben bewegliche Flügel, erläutert Knust. Je nachdem, wie steil sie gestellt werden, fährt das Schiff vorwärts oder rückwärts und unterschiedlich schnell. „Die Neigung der Flügel wird mit einer Hydraulik verstellt – und die ist kaputt.“ Zunächst stand der Schiffspropeller sogar auf „rückwärts“, berichtet Knust. Der Mannschaft sei es gelungen, den Antrieb jetzt auf „vorwärts“ zu stellen. Zum Manövrieren tauge der Propeller aber nicht, er könne nur im offenen Wasser eingesetzt werden. Eine Reparatur in einem näher gelegenen Hafen im südlichen Afrika oder Südamerika ist laut AWI so kurzfristig nicht möglich.

Zwei Expeditionen müssen komplett ausfallen

Der vorzeitige Abbruch ist ein schwerer Schlag. „Wir haben immer gedacht, das Schiff hält durch“, sagt Knust. Es sei stets gut gewartet worden. „Bei so einer alten Maschine muss man damit rechnen, dass trotzdem etwas kaputt geht.“ 32 Jahre sei die Polarstern alt, 310 Einsatztage jedes Jahr, das könne kein anderes Forschungsschiff auf der Erde vorweisen, sagt er nicht ohne Stolz.
Diese Saison hat es aber in sich. Bei der aktuellen Expedition konnte laut Knust nur etwa die Hälfte der Forschungsarbeiten gemacht werden. Die nächste Expedition ab Anfang Februar in Richtung Amundsensee muss komplett ausfallen.
„Es war ein ziemlicher Schock“, sagt der AWI-Forscher Karsten Gohl, der diese Expedition leiten sollte und zu Wochenbeginn von der Absage erfuhr. Gut 50 Wissenschaftler aus Deutschland und Großbritannien sollten unter anderem Bohrungen im Meeresgrund vornehmen. „Damit wollen wir herausfinden, wie weit der Westantarktische Eisschild in vergangenen Klimaphasen reichte“, erläutert er. Daraus erhoffen sie sich Hinweise darauf, welche Entwicklung das Eis in den nächsten 100 bis 200 Jahren nimmt.

Forscher hoffen auf eine Expedition in zwei Jahren - frühestens

Jahrelange Vorbereitung mit Workshops für die Forscher und der Suche nach Finanzierungen sind vorerst hinfällig. Zurzeit überlegen Gohl und Kollegen, ob und wie sie ihre Messungen vielleicht bei einer Expedition der Polarstern in zwei Jahren unterbekommen. Früher sieht er keine Chance, dafür seien die Fahrtpläne für den nächsten antarktischen Sommer schon zu weit gediehen. Für fünf Doktoranden und einen Postdoc aus deutschen und britischen Instituten ist das zu spät, ihre Arbeiten waren maßgeblich auf die geplante Fahrt ausgerichtet. „Das bereitet mir am meisten Kopfzerbrechen“, sagt Gohl. Nun würden persönliche Gespräche geführt, um zu schauen, wie es weitergehen könne. Man werde nun versuchen, die Projekte etwas zu verändern, damit die Wissenschaftler weiterkommen. Schließlich sei das Gebiet bereits mehrfach von Forschungsschiffen erkundet worden, womöglich ließen sich andere Themen entwickeln und bearbeiten. Das muss allerdings noch mit den Geldgebern verhandelt werden, sagt Gohl. Teilweise seien die jungen Wissenschaftler eigens für die nun in Frage stehenden Projekte eingestellt worden.

Auch eine Forschungsfahrt über den Atlantik wurde gestrichen

Ähnlich dramatisch ist die Situation für die Forscher, die bei der Überfahrt von Punta Arenas (Chile) nach Bremerhaven ab Mitte März Messungen im Atlantik vornehmen wollten. Auch diese werden vorerst nicht stattfinden.

Nach Angaben des AWI ist es das erste Mal, dass eine Antarktissaison für die Polarstern wegen technischer Schwierigkeiten vorzeitig beendet werden muss. Große Hoffnungen setzen die Wissenschaftler auf ein neues Polarforschungsschiff, das zurzeit geplant werde. So trafen sich am heutigen Mittwoch in Hamburg Vertreter von mehreren Forschungsinstituten und Ingenieure, um über die Eisgängigkeit des neuen Schiffs zu diskutieren.

Eine Nachfolgerin wird bereits geplant

Wie die alte Polarstern soll auch die Nachfolgerin bis zu 1,5 Meter dickes Eis während der Fahrt brechen können, steht auf der Anforderungsliste der Forscher. Dort findet sich ein gutes Dutzend weiterer Wünsche, wie das Bundesforschungsministerium auf Anfrage mitteilt. Dazu gehören "Höchstmaß an Zuverlässigkeit für den Einsatz abseits von üblichen Schifffahrtswegen, hohe Manövrierfähigkeit, Räumlichkeiten für Bordseminare und repräsentative Veranstaltungen (z.B. Empfänge im Ausland), optimierter Schiffskörper in Bezug auf die Eisfahrt (Eisaufbruch und Rammbetrieb) und optimierte Windanströmung und -strömungsverhältnisse für die Durchführung von atmosphärenchemischen Messkampagnen".

2019 soll das neue Schiff in See stechen

Was davon umgesetzt werden wird, muss sich allerdings noch zeigen. Seit Ende Dezember ist die Ausschreibung für „Bau und betriebsfertige Lieferung des neuen eisbrechenden Polarforschungs- und Versorgungsschiffes POLARSTERN II“ öffentlich, um eine geeignete Werft zu finden.

Zu den erwarteten Kosten macht das BMBF keine Angaben. Für Prognosen müssten zunächst die Angebote der Werften abgewartet werden, heißt es. Zum Vergleich nennt das Ministerium den Neubau des Tiefseeforschungsschiffs "Sonne", der knapp 125 Millionen Euro kostete und die seit wenigen Wochen unterwegs ist.

Die neue "Polarstern" soll Ende 2019 soll es erstmals auslaufen.

Zur Startseite