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Junge Menschen machen sich gegenwärtig große Sorgen um die Zukunft.
© F. Sommer/dpa

Nach dem Corona-Schock: Die Jugend hat Angst um die Rente

Umfrage: Nach den Beeinträchtigungen durch die Pandemie sorgen sich die 14- bis 29-Jährigen vor allem auch um Klima und Wirtschaftskraft.

Der Corona-Schock sitzt bei der jungen Generation tief und lässt nur langsam nach. Zu diesem Ergebnis kommt die dritte Auswertung der Studie „Jugend in Deutschland“, deren Ergebnisse am Montag vorgestellt wurden. Demnach sehen aktuell immer noch 40 Prozent der 14- bis 29-Jährigen ihre psychische Gesundheit durch die Pandemie verschlechtert (gegenüber 53 Prozent im Sommer 2021). Die Daten stammen aus einer repräsentativen Befragung vom 14. bis 22. Oktober.

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Die Einschätzung der persönlichen Lage – von der Kontrolle über das Leben über die Gesundheit bis zur finanziellen Situation und zum Lebensstandard – hat sich zwar zwischen sieben und 15 Prozentpunkte verbessert. Dennoch liegen die Werte weiter in einem bedenklichen Bereich, wie Jugendforscher Simon Schnetzer betont, der die Studie mit dem Bildungs- und Sozialforscher Klaus Hurrelmann von der Hertie School die Studie erstellt hat.

Nur in der Frage nach dem Zusammenhalt in der Familie bleibt die Stimmung vergleichsweise positiv. Aktuell finden nur 17 Prozent, er habe sich verschlechtert (im Sommer: 19 Prozent).

Jugendforscher: Eine prekäre Lage

Insgesamt spricht Schnetzer von einer „prekären Lage“ der jungen Generation, die von der Politik unbedingt beachtet werden müsse. Die Pandemie habe die jungen Menschen in einer äußerst sensiblen Lebensphase getroffen. „Sie erholen sich nur ganz allmählich von den einschneidenden Auswirkungen“, so Schnetzer.

Der etwas entspanntere Sommer habe zwar geholfen: „Aber wir sind noch nicht am Ende.“ Befragt wurden die rund 1000 Jugendlichen Anfang Oktober, zu einem Zeitpunkt also, an dem die gegenwärtige erneute Zuspitzung der Pandemie noch nicht eindeutig absehbar war. Besonders auffällig finden die Jugendforscher, dass junge Frauen psychisch viel stärker unter der Situation leiden als junge Männer. 

Vor allem junge Frauen stärker unter psychischem Druck

Ein Ergebnis, das zur Vorstellung der Studie von der jungen Autorin Valentina Vapaux bestätigt wurde. Junge Frauen seien nicht nur durch die Pandemie stärker unter psychischen Druck geraten. Auch würden sie, durch das geschönte Bild von Weiblichkeit in den Sozialem Medien, belastet, so Vapaux. „Es geht hier um ernsthafte Ängste“, sagte sie, was Jugendforscher Schnetzer bestätigte.

Das Gefühl des Kontrollverlustes durch die Pandemie wiederum ist laut Studie bei Studierenden stärker ausgeprägt als bei jungen Menschen, die eine Ausbildung machen. Immerhin sehen die Jugendforscher aber auch Licht am Horizont. Der größte Teil der jungen Menschen habe sich inzwischen mit den Veränderungen im Bildungsbereich und der Arbeitswelt – von Homeschooling bis Homeworking – arrangiert und pragmatisch darauf eingestellt.

Wie sich in vorherigen Studie schon angedeutet hat, ist der Umgang der jungen Menschen mit der Pandemie sehr rücksichtsvoll. 69 Prozent der Befragten sind bereits vollständig geimpft. Die große Mehrheit zeige zudem eine hohe Impfbereitschaft, 80 Prozent haben sich für die Impfung entschieden. Und obwohl sich nur 19 Prozent vor einer Infektion fürchten, hält sich die überwiegende Mehrheit an die Corona-Maßnahmen und nimmt Rücksicht auf Familie und Freunde. Ein Fünftel der jungen Menschen bezeichnet sich als Impfverweigerer oder -skeptiker, was dem Wert in der Gesamtbevölkerung entspreche. Die hohe Impfbereitschaft und den besonnene Umgang mit der Pandemie interpretiert Schnetzer auch mit dem Wunsch nach Normalität: „Die jungen Leute sehnen sich danach, so schnell wie möglich ihre Freiheiten für die Lebensgestaltung zurückzugewinnen.“

Die Freiheiten zurückerobern

Es falle auf, wie sehr die jungen Menschen darum bemüht sind, sich die Freiheiten zurückzuerobern, die sie für wichtig halten, schreiben die Autoren. Das lasse sich zum Beispiel an den Antworten auf die Frage ablesen, ob man wegen der Corona-Pandemie bereit ist, auf Feiern oder Partys zu verzichten: Diese Bereitschaft ist demnach deutlich zurückgegangen. Mit der schrittweisen Normalisierung vieler Lebensbereiche, auch durch die Möglichkeit der Impfung in der befragten Altersgruppe, nehme zudem die Sorge ab, die schönste Zeit des Lebens durch die Pandemie zu verpassen. „Alle diese Trends können wir als eine – wenn auch sehr zögerliche und noch auf recht unsicherer Basis stehende – Rückkehr zur Normalität interpretieren.“

Grundsätzlich aber ist die Welt der jungen Menschen heute stark durch Ängste geprägt. Das Gefühl der Unsicherheit spiegelt sich der Untersuchung zufolge auch in großen Zukunftssorgen wieder, die die Jugend heute hat. Nach Corona bereitet den jungen Menschen vor allem der Klimawandel (56 Prozent) und ein möglicher Zusammenbruch des Rentensystems (48 Prozent) sowie die Folgen der Inflation (46 Prozent) Sorgen. Lösungen für diese Probleme erwarten die jungen Menschen von der Politik. Besonders auffällig findet Hurrelmann, dass unter den Erwartungen der jungen Menschen an erster Stelle die Sicherung der Rente steht (58 Prozent), noch vor der Sicherung einer lebenswerten Zukunft (54 Prozent), dem Wunsch nach Digitalisierung des Bildungssystems (49) und der Sicherung er beruflichen Zukunft (47). Im Vergleich mit vorherigen Studien ist der auffällig hohe Stellenwert für die Sicherung der Rente ein neuer Akzent, der Aufmerksamkeit verlange. „Am Horizont zeichnet sich als neues Konfliktpotenzial die große Sorge der Jungen um ihre Altersabsicherung im Lichte der demografischen Entwicklung ab“, so Schnetzer. Jungautorin Vapaux findet den Aspekt kaum überraschend, würden doch Schüler:innen seit Jahren zu hören bekommen, dass die Rente und Zukunft unsicher sind.

Eine politisch sehr wache, interessierte und aktive Generation

Klaus Hurrelmann betont aber, dass die Altersgruppe grundsätzlich das Bild einer politisch sehr wachen, interessierten und aktiven jungen Generation abgebe, die sich ihrer wichtigen gestalterischen Rolle für die Zukunft des Landes bewusst sei. So weit aber, auch die nötigen Konsequenzen etwa aus der Sorge um das Klima zu tragen, sei man noch nicht. Hier wünschen sich die jungen Menschen zwar Änderungen, die sie aus eigenem Antrieb, im Alltag aber nicht hinbekommen. Der Anteil der Befragten, die bereit sind, dauerhaft auf ein eigenes Auto (18 Prozent), auf Flugreisen (27 Prozent) oder Fleischkonsum (26 Prozent) zu verzichten, ist noch gering. Die Jugend in Deutschland sei noch nicht so „grün“, wie sie manchmal gesehen werde, so die Forscher.

Interessant ist, dass die Parteien, die nun eine Ampelkoalition bilden wollen, bei den jungen Menschen besonders gut abschneiden. Stärkste Parteipräferenz mit 20 Prozent gibt es für die Grünen gefolgt von SPD (16,7 Prozent) und FDP (15,9 Prozent). Hier spiegeln sich die Themen der Jugend wieder von Umweltschutz über Modernisierung bis hin zur Rentenfrage.

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