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Umstritten. Wie weit dürfen Kinderwunschbehandlungen gehen?
© dpa

Eizellen aus dem Labor: Die Furcht vor dem Golem

Wer sich die Zukunft der Reproduktionsmedizin ausmalt, schwankt zwischen Hoffnung für unfruchtbare Paare und Horrorvisionen. Die Grundfrage dahinter ist jedoch eine zutiefst persönliche. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jana Schlütter

Sex haben, um Kinder zu zeugen? Wie verantwortungslos! Wer das Beste für seine Nachkommen will, vereinbart einen Termin in einem Kinderwunschzentrum. Er gibt Spermien ab, sie Hautzellen. Diese werden umprogrammiert und in Eizellen verwandelt. Sobald diese im Labor gereift sind, folgt die künstliche Befruchtung. Das Erbgut der Embryonen wird vollständig entschlüsselt. Nur diejenigen, die den Vorgaben der Eltern genügen, werden der Frau oder einer Leihmutter eingesetzt. Sie können zum Beispiel das Risiko für einige Leiden senken oder bestimmte Erbkrankheiten ausschließen. Das Ergebnis ist kein Super- Baby. Es ist nur etwas weniger dem Zufall ausgeliefert, vereint die besten Seiten seiner Eltern – soweit sie durch die Gene bestimmt sind. Die Umprogrammierung der Hautzellen ermöglicht es selbst unfruchtbaren, älteren oder gleichgeschlechtlichen Paaren, eigene Kinder zu haben.

So stellt sich Henry Greely, Jurist und Medizinethiker an der Universität Stanford, die Zukunft in 20 bis 40 Jahren vor. Seine Thesen sind gewagt, für manche ein Horrorszenario. Wie wahrscheinlich es ist, kann niemand sagen. Einerseits gibt es immer wieder Erkenntnisse, die anscheinend Unmögliches real werden lassen. Es sind Gebärmuttertransplantationen geglückt, die künstliche Befruchtung ist Routine, die ersten „Drei-Eltern- Babys“ sind auf der Welt. Andererseits dauert es oft lange, bis die Ergebnisse im Alltag ankommen. Als Konrad Zuse vor 75 Jahren seinen Z3-Computer in Berlin präsentierte, konnte er sich vermutlich nicht vorstellen, wie sehr die Digitalisierung jetzt alles umkrempelt. Monoklonale Antikörper wurden in den 1970er Jahren entwickelt, und erst heute sind sie aus der Krebsmedizin nicht mehr wegzudenken.

Der Erfolg der japanischen Forscher ist mühsam erarbeitet

Hinter den Fortschritten steht nicht nur Kreativität, sondern auch Fleiß und Durchhaltevermögen. Die japanischen Forscher, die Hautzellen von Mäusen im Labor in reife Eizellen umwandelten, haben mehr als zehn Jahre jedes Entwicklungsstadium der Keimzellen Schrittchen für Schrittchen aufgeklärt. Dies für andere Tiere und den Menschen zu wiederholen, wird ähnlich mühsam sein. Selbst wenn es gelingt, ist die Technik längst nicht sicher genug, um in Kinderwunschzentren angewendet zu werden. Für andere Aspekte der Vision gelten ähnliche Vorbehalte. Wer anhand des Erbguts Embryonen auswählen will, muss die Datenberge zunächst verstehen.

Wissenschaft prägt die Gesellschaft. Ihre Ergebnisse umgeben uns jeden Tag, jede Minute. Doch die Gesellschaft prägt auch die Wissenschaft. So kann man davon ausgehen, dass Experimente, die unfruchtbaren Paaren Kinder versprechen, zum Beispiel in Israel vorangetrieben werden – wo Elternschaft einen hohen Stellenwert hat, der Embryo aber von der Religion nicht geschützt wird.

Hat jeder das Recht auf ein eigenes Baby?

Dass der Golem, dieses menschgemachte Wesen, außer Kontrolle gerät, befürchten eher wir. Hierzulande sollte mit dem Embryonenschutzgesetz ein Bollwerk gegen solches Tun errichtet werden. Aber als Strafgesetz muss es wortwörtlich ausgelegt werden. Die neuen Techniken führen es schneller ad absurdum, als der Gesetzgeber hinterherkommt. Wir wären schlecht beraten, nun vor lauter Angst die Lücken zu stopfen und Forschung nachhaltig auszubremsen – ohne zu wissen, wohin sie führt.

Hat jeder ein Recht auf ein eigenes Baby oder ist irgendwann eine Grenze erreicht, wo der Kinderwunsch unerfüllt bleiben muss? Diese Antwort kann nur jeder für sich selbst finden.

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