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Kostbar eingebundene Bücher.
© Staatsbibliothek zu Berlin - PK, C. Seifert

Staatbibliothek Berlin erwirbt Prinzessinnen-Bibliothek: Die Bücher der Prinzessinnen

Neu in Berlin: Die Privatbibliotheken von Mutter, Schwester und Nichte Friedrichs II. erzählen über das Lesevergnügen am Hof. Jetzt hütet die Staatsbibliothek den Schatz.

Welch eine Pracht: Goldborten, filigrane Stickereien, Samt und Seide. So sahen früher also Willkommensgeschenke aus. Als Prinzessin Sophie Albertine von Schweden 1787 Äbtissin im Reichsstift Quedlinburg wurde, ließen sich die Stadtbewohner jedenfalls nicht lumpen. Sie überreichten der Prinzessin 13 auf Seide gedruckte Huldigungsschriften. Schnödes Papier allein konnte wohl nicht ausdrücken, welche Wertschätzung man der Tochter der schwedischen Königin Luise Ulrike und der Nichte Friedrichs des Großen im Harz entgegenbrachte.

Seit einigen Monaten befinden sich die ungewöhnlichen Bücher nun in Berlin – als Teil der großen „Prinzessinnen-Bibliothek“, die Sophie Albertine hinterlassen hat. Am Donnerstag wurde die spektakuläre Neuerwerbung in der Staatsbibliothek an der Potsdamer Straße der Öffentlichkeit vorgestellt.

Drei Prinzessinnen, eine Bibliothek

Äußerst selten, eigentlich nie, werden Bibliotheken von Angehörigen des europäischen Hochadels zum Kauf angeboten. Genau das aber ist vor zwei Jahren passiert: Ein Antiquar kontaktierte die Staatsbibliothek zu Berlin. Ein schwedischer Geschäftsmann hatte ihn beauftragt, die sogenannte Prinzessinnen-Bibliothek zu verkaufen. Der Name ist irreführend, denn genau genommen handelt es um drei sogenannte Kammerbibliotheken. Sie waren nur für den privaten Gebrauch ihrer Besitzerinnen gedacht. Sophie Albertine (1753–1829), eine gebildete Frau, hinterließ nicht nur ihre eigene umfangreiche Büchersammlung.

In einem aufgeschlagenen Buch sind Bilder von Frauenköpfe mit verschiedenen Frisuren und Kopfbedeckungen zu sehen.
Gut behütet. Sophie Albertine von Schweden ließ sich aus Frankfurt das „Journal des Dames et des Modes“ kommen.
© Staatsbibliothek/C. Seifert

Auch die Bücher ihrer Mutter, der schwedischen Königin Luise Ulrike von Preußen (1720–1782) sowie die der Großmutter Sophie Dorothea von Hannover (1687–1757), Ehefrau des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. und Mutter von Friedrich II., waren zuvor in ihren Besitz übergegangen. Rund 1445 Titel in 4500 Bänden umfasst die Prinzessinnen-Bibliothek insgesamt. „Es ist sensationell, dass die Bibliothek vollständig zusammengeblieben ist“, sagt Barbara Schneider-Kempf, Generaldirektorin der Staatsbibliothek. Dass man in Berlin alles tun würde, die Bücher nach Deutschland zu holen, stand schnell fest.

Doch wie konnten die Privatbibliotheken der adeligen Damen überhaupt in bürgerlichen Besitz gelangen? Das war keineswegs Zufall. Die kinderlose Äbtissin machte ihre Kammerzofe, die Oberhofmeisterin Gräfin Stenbock, und deren Sohn zu ihren Universalerben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war Lolotte Stenbock, geborene Forsberg, eine uneheliche Tochter des Schwedenkönigs, also die Halbschwester von Sophie Albertine. Die Bücher blieben sozusagen in der Familie. Jahrzehntelang hüteten und bewahrten die Stenbocks den Schatz. Erst in den 1980er Jahren wurden die Bücher an einen privaten Sammler weiterverkauft.

Überwiegend unterhaltende und bildende Literatur

Wer die Bände näher in Augenschein nimmt, kann sich ein Bild davon machen, womit die Damen am Hofe ihre Zeit verbrachten. „Überwiegend ist es unterhaltende und bildende Literatur“, erklärt Schneider-Kempf. Die Frauen lasen Romane, Biografien, Memoiren, Briefausgaben, Geschichtsbücher, Reiseliteratur. Selbst Modejournale ließ sich Sophie Albertine aus der Modemetropole Frankfurt kommen. So informierte sie sich im „Journal des Dames et des Modes“ über neueste Frisuren.

Ein Porträt der Sophie Albertine von Schweden.
Lese-Leidenschaft. Prinzessin Sophie Albertine von Schweden ließ ihre Bücher in rotes Ziegenleder binden.
© Wikimedia

Auffällig ist, dass die Prinzessinnen-Bibliothek fast ausschließlich französische Texte umfasst. Nur fünf Prozent der Bücher sind auf Deutsch, weitere fünf Prozent auf Schwedisch. Lieber nahmen Sophie Dorothea, Luise Ulrike und Sophie Albertine Übersetzungen zur Hand. In der Bibliothek befinden sich zwar auch Werke von populären englischen Schriftstellern wie Jonathan Swift und Lord Byron – aber nur als französische Übersetzungen. „Wir haben sogar eine Goethe-Ausgabe auf Französisch gefunden“, sagt Annette Wehmeyer, Leiterin der Abteilung Historische Drucke der Staatsbibliothek.

Was aber hat der neuerworbene Schatz der Forschung zu bieten? Die Fülle der Titel erlaubt nicht nur Rückschlüsse auf das Leseverhalten des Hochadels vom späten 17. bis zum frühen 19. Jahrhundert. Die Bücher geben auch Auskunft über die persönlichen Interessen und das Selbstverständnis ihrer Besitzerinnen. Man las, um sich zu bilden, zu zerstreuen, aber auch um politisch mitreden zu können. Naturwissenschaftliche Werke und Enzyklopädien standen ganz selbstverständlich neben damaligen Romanbestsellern. Da die Kammerbibliotheken keine repräsentativen Zwecke erfüllten, kann man davon ausgehen, dass die Buchanschaffungen vor allem von Neigungen der Prinzessinnen geleitet waren. „Niemand zwang die drei zum Lesen“, erklärt Schneider-Kempf.

Agenten wurden beauftragt, neue Bücher zu besorgen

Mutter, Schwester und Nichte von Friedrich II. waren aus freien Stücken leidenschaftliche Leserinnen. „Wir wissen, dass sogar Agenten beauftragt wurden, um neue Bücher zu besorgen“, sagt Wehmeyer. Gebrauchsspuren haben die Bücher trotzdem wenige, Randnotizen fast gar keine. Das liegt auch an der damaligen Lesepraxis: Man kaufte die Bücher ohne Einband, die Seiten waren ungleich groß, die Papierränder fransig. Erst nach dem Lesen wurden die Bücher beschnitten, vergoldet und mit einem Ledereinband und Supralibros, königlichen Wappen und Monogrammen, versehen.

Noch lassen sich die genauen Leseprofile der drei Besitzerinnen nicht näher umreißen – hierzu stehen noch entsprechende kulturhistorische Forschungsprojekte aus. Über Königin Luise Ulrike aber ist bekannt, dass sie sehr kunstinteressiert war und am schwedischen Hof einen Salon führte. Auch ihre zeitlebens enge Verbindung zu Bruder Friedrich II. steht außer Frage. Aber welche zeitgenössischen Autoren sie beeinflusst haben, für welche kulturellen, politischen oder wissenschaftlichen Themen sie sich im Detail interessierte – das lässt sich nun endlich genauer erkunden.

Und nicht nur inhaltlich, auch kunsthistorisch sind die Bücher spannende Zeitzeugen. Es finden sich ausführliche Widmungen, wertvolle Einbände, Grafikmappen, kolorierte Drucke. Viele von Sophie Albertines Bücher sind in auffallendem Rot eingebunden, „Ziegenleder mit Goldprägung“, erklärt Wehmeyer.

Fünf Stiftungen und 120 private Spender halfen beim Ankauf

Dass die Bücher in Berlin nun katalogisiert und der Wissenschaft zugänglich gemacht werden, ist dem Schulterschluss etlicher Institutionen zu verdanken. Zwar schweigen sich die Beteiligen über den Kaufpreis aus, aber ein Schnäppchen war die Prinzessinnen-Bibliothek sicherlich nicht. Es dauerte über ein Jahr, die Kaufsumme aufzutreiben. Gemeinsame Käufer sind die Staatsbibliothek zu Berlin- Preußischer Kulturbesitz und die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Zu den Geldgebern gehören unter anderem die Kulturstiftung der Länder und die Rudolf-August Oetker-Stiftung; insgesamt sind fünf Stiftungen beteiligt. Sogar private 120 Spender, die der Freundeskreis der Staatsbibliothek gewann, halfen noch mit. Andere Kaufinteressenten gab es übrigens nicht. Auch die Nationalbibliothek in Schweden zeigte kein Interesse. So bekam die Prinzessinnen-Bibliothek ohne Schwierigkeiten von den schwedischen Behörden eine Ausfuhrgenehmigung. Hätte Berlin nicht zugegriffen, wäre die Sammlung vermutlich aufgelöst und die Bücher einzeln verkauft worden.

Bald sind Teile der Bibliothek in Rheinsberg zu sehen

Mittlerweile stehen die Bände im Tresormagazin Unter den Linden, nicht einsehbar für die Öffentlichkeit. Die Staatsbibliothek gewinne mit dem Ankauf Titel hinzu, die bislang nicht vorhanden waren oder als Kriegsverlust gelten, heißt es. Wer dennoch einen Blick auf die Bücher der adeligen Damen werfen will, muss sich noch gedulden. Ab 2018 werden in Schloss Rheinsberg in wechselnden Ausstellungen einzelne Exemplare gezeigt. Mittelfristig kommen sogar 500 der Bücher nach Rheinsberg – und damit zwar nicht an ihren historischen Ursprung, aber zumindest an einen Ort, der eng mit Friedrich II. und seinen Geschwistern verbunden ist. Aufgestellt werden sie im historischen Bibliotheksraum, den Friedrichs Bruder, Prinz Heinrich von Preußen (1726–1802), dort eingerichtet hatte.

Astrid Herbold

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