Gesundheitscheck für Pflanzen: Diagnose per Drohne
Eine spezielle Kamera soll bei Nutzpflanzen Krankheiten frühzeitig erkennen - und sie gezielt behandeln. Das kommt auch der Umwelt zugute.
Obstbauern fürchten sich vor diesem Anblick: Blätter und Blüten ihrer Bäume welken schon im Frühjahr, sie verfärben sich braun oder schwarz. „Feuerbrand“ heißt die gefährliche Infektionskrankheit, weil die befallenen Teile der Pflanze wie verbrannt aussehen. Während Feuerbrand von Bakterien hervorgerufen wird, sind es verschiedene Pilze, die den Echten Mehltau verursachen: Blätter und Früchte sind von einem weißen Flaum überzogen. Neuerdings müssen Landwirte auch den Schwarzrost fürchten, der üblicherweise in wärmeren Regionen auftritt: 2013 waren auch an Getreidepflanzen in Deutschland die typischen braunroten Flecken zu finden, die durch den Befall mit Rostpilzen ausgelöst werden.
Die Folgen sind Ernteausfälle oder der Verlust ganzer Plantagen
Solchen Krankheiten begegnen Landwirte meist, indem sie vorbeugend Pflanzenschutzmittel verwenden. Denn wenn sich erst einmal die Symptome zeigen, ist es für die Pflanzen oft zu spät. Die Folgen sind Ernteausfälle oder der Verlust ganzer Obstplantagen. Pflanzenschutzmittel aber können die Umwelt schädigen und sind für den Landwirt teuer. Ist es nicht möglich, Krankheiten zu erkennen, bevor sie sichtbar ausbrechen?
„Doch“, sagt Udo Seiffert vom Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF) in Magdeburg. Er hat mit seinem Team ein Verfahren entwickelt, um Pflanzenkrankheiten schon in der Frühphase zu erkennen. Wenn Pflanzen von einem Pilz, Virus oder von Bakterien befallen werden, ändert sich meist auch ihr Stoffwechsel. Die Pflanze ergreift Abwehrmaßnahmen, lange bevor sich die Symptome der Krankheit zeigen. Dadurch ändert sich die stoffliche Zusammensetzung einzelner Pflanzenteile. Diese spüren die Forscher mithilfe einer Software auf, die Bilder einer Hyperspektralkamera auswertet.
Die Kamera lernt, auf welche Signale sie achten soll
Eine normale Kamera nimmt „multispektral“ auf, nämlich die Wellenlängen der Grundfarben Rot, Grün und Blau. Hyperspektrale Kameras hingegen nehmen bis zu mehrere hundert eng beieinanderliegende Wellenlängen auf, vom Ultravioletten über das Spektrum des sichtbaren Lichts bis in den Infrarotbereich. „Jedes Molekül einer Pflanze absorbiert Licht in ganz bestimmten Wellenlängen“, erläutert Seiffert. Dadurch entstehen im reflektierten Licht Lücken, die ihr Messsystem erkennen soll. Dabei setzen die Forscher auf ein lernendes: Zunächst muss die Software Referenzwerte, also unter Laborbedingungen erzeugte Daten, zu den interessierenden Pflanzeneigenschaften „lernen“. Anschließend beim realen Einsatz berechnet sie die gewünschten Daten automatisch aus den Aufnahmen der Hyperspektralkamera.
Auch andere Forscher nutzen die Hyperspektralanalyse, um Pflanzenkrankheiten und andere Gefahren aufzuspüren. Elke Bauriegel vom Leibniz-Institut für Agrartechnik in Potsdam-Bornim fahndete in einem Projekt nach Schimmelpilzen bei Weizen, die giftige Mykotoxine erzeugen. Lutz Plümer von der Universität Bonn und sein Team untersuchten Trockenstress bei Gerste im Gewächshaus, bevor sie einen Sprung aufs offene Feld machten. Mit Kooperationspartnern testen sie die Methode an Mais im Freilandversuch in Italien.
Die Technik kann auch Wasserknappheit erkennen
Die Wissenschaftler haben zunächst die Züchtung neuer Sorten von Nutzpflanzen im Blick gehabt. „Die Widerstandskraft verschiedener Kreuzungen gegenüber bestimmten Krankheiten oder salzigem Boden lässt sich mit der Hyperspektralanalyse viel früher erkennen als mit dem bloßen Auge“, sagt Plümer. Zudem seien im Gewächshaus die Aufnahmebedingungen vergleichsweise einfach. Dennoch sind er und IFF-Forscher Seiffert überzeugt, dass die Technik auch im Freiland eine Zukunft hat.
Dazu benötigen sie allerdings ein passendes Fahrzeug, das Aufnahmen von den Äckern und Plantagen macht: Ein Traktor gilt als wenig geeignet. Die IFF-Forscher nutzen bei einem Kooperationsprojekt mit der Universität Adelaide ein kleines Flugzeug, um die Wasserversorgung von Rebstöcken zu ermitteln, was ebenfalls mit Hyperspektralaufnahmen möglich ist. Plümers Gruppe wiederum arbeitete in Italien mit einer Hebebühne auf dem Feld. Künftig könnten Drohnen die Kameras tragen, deren Tragkraft sei allerdings noch begrenzt, sagt der Forscher.
Für einzelne Landwirte ist die Technik noch zu teuer
Ein weiteres Problem für einen großflächigen Einsatz der Technologie sind die hohen Kosten. Fraunhofer-Forscher Seiffert ist jedoch zuversichtlich, dass sich das Verfahren am Ende für die Landwirte rechnet: Durch gesündere Pflanzen könnten sie den Ertrag erhöhen, den Ernteausfall minimieren und Kosten verringern, weil sie Pflanzenschutzmittel besser dosieren könnten. Das käme auch der Umwelt zugute. Im Übrigen hätten auch Hersteller von Pflanzenschutzmitteln großes Interesse an dem Verfahren: „Viele sehen sich inzwischen als Berater der Landwirte, das Erheben von Messdaten ist für sie ein zusätzlicher Service zur Kundenbindung“, berichtet Seiffert.
Das bestätigt Christoph Schimmer von der Firma Geo-Konzept im bayerischen Adelschlag, die unbemannte Fluggeräte mit Multispektralkameras und entsprechende Software anbietet. „Je nach Ausführung kostet ein System bis zu 50 000 Euro“, sagt er. Für einzelne Landwirte sei das zu viel. Die knapp 20 verkauften Geräte seien an Dienstleistungsfirmen gegangen, die auf Bestellung einzelne Äcker befliegen und Angaben zum Wasser- und Nährstoffangebot innerhalb dieser Fläche machen. „Die Technik macht große Fortschritte“, sagt Schimmer. „In den nächsten Jahren dürften die Preise deutlich sinken.“
Zukunftsvision: Die Pflanzen werden an Ort und Stelle behandelt
Auch die Leibniz-Forscherin Elke Bauriegel sieht einen wirtschaftlichen Vorteil für die Landwirte – etwa wenn diese nachweisen müssen, nur mykotoxinfreies Erntegut zu vertreiben, zumal EU-weit die Grenzwerte für Schimmelpilzgifte gesenkt wurden. Nach Ansicht von Lutz Plümer von der Uni Bonn ist die Hyperspektralanalyse vor allem bei Nutzpflanzen sinnvoll, die sehr anfällig für Krankheiten seien, etwa Erdbeeren, Obstbäume und Wein. Er kann sich auch vorstellen, dass es in fünf bis zehn Jahren (Flug-)Geräte gibt, die nicht nur den Bedarf an Pflanzenschutzmitteln genau ermitteln, sondern diese auch sofort an die entsprechenden Stellen ausbringen.
Stefan Parsch