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Lauschangriff. So könnte er einmal aussehen, der Antennenpark SKA. 2017 soll der Bau beginnen, wobei es in Australien und Südafrika bereits einige Dutzend Antennenschüsseln gibt, die dann in den Verbund aufgenommen werden sollen.
© SKA Organisation

Kolumne "Was Wissen schafft": Deutschland will das Astronomieprojekt SKA verlassen

Ein gigantischer Antennenpark soll helfen, die Geheimnisse des Kosmos aufzuklären - und die Wissenschaft in Afrika voranbringen. Doch Deutschland will nicht mehr mitmachen. Das ist ein Fehler, meint unser Autor.

Es klingt verwegen, ja auch ein bisschen verrückt: 3000 Antennen wollen Astronomen in die Wüsten Südafrikas und Australiens bringen und zu einem gigantischen Messgerät zusammenschalten. Jede Antennenschüssel ist 15 Meter groß, braucht eine Stromversorgung in der Einöde sowie eine superschnelle Datenleitung zu den hunderte Kilometern entfernten Großrechnern der Forscher. „Ich fühle mich wie Fitzcarraldo, nur dass der eine Oper im Dschungel bauen wollte“, hat Brian Boyle, einer der führenden Köpfe dieses Projekts, einmal gesagt. Die Forscher müssen in die Wüste, weil nur dort das elektromagnetische Rauschen unseres Alltags – Handynetz, Stromleitungen, selbst die Wellen von Autos und Flugzeugen – so fern ist, dass die Radioteleskope auch extrem schwache Signale aus den Weiten des Alls auffangen können.

Je mehr solcher Spezialantennen errichtet werden, umso präzisere Messungen sind möglich. Insgesamt wollen die Forscher von 2017 an einen Quadratkilometer Antennenfläche auf den beiden Kontinenten verteilen. So entsteht das „Square Kilometre Array“ (SKA). Sensibel genug, um beispielsweise ein Flughafenradar in 50 Lichtjahren Entfernung zu erfassen – zumindest theoretisch, denn wer weiß schon, wo es im Universum noch überall funktionierende Flughäfen gibt.

Die Radiosignale sollen aufklären, was Dunkle Energie ist

Von den Radiowellen erhoffen sich die Astronomen Antworten auf drängende Fragen: Wie veränderten die ersten Sterne und Galaxien den Kosmos? Oder was steckt hinter der mysteriösen Dunklen Energie, die wie eine Art Anti-Gravitation das Universum immer schneller auseinandertreibt?

Wegen der schieren Größe des Antennenparks, der nötigen Technik, um die vielen Signale geschickt zu sortieren und auszuwerten, und nicht zuletzt wegen der erhofften Resultate wird das SKA als Forschungsprojekt in der Liga des Teilchenbeschleunigers LHC am Cern gehandelt.

Deutschland zieht sich wegen finanzieller Engpässe zurück

Deutschland, wo die Radioastronomie eine lange Tradition hat, ist 2012 der SKA Organisation beigetreten. Elf Nationen sind dort vertreten. Doch nun hat das Bundesforschungsministerium (BMBF), vertreten durch Staatssekretär Georg Schütte, in einem knappen Brief an die Spitze der Organisation mitgeteilt, dass man sich zum 30. Juni 2015 aus dem Projekt zurückziehen wolle. Als Grund werden finanzielle Engpässe genannt.

Pikant: Unterzeichnet wurde der Brief am selben Tag, an dem das BMBF dafür gestimmt hat, dass Messzeit für das Superteleskop fast ausschließlich an Forscher gehen soll, die aus einem SKA-Mitgliedsland kommen. Das berichtet der Bonner Radioastronom Michael Kramer, der erst am Freitag schriftlich über den Ausstieg informiert wurde. Das bedeutet: Die deutschen Wissenschaftler, die bisher maßgeblich an dem Projekt beteiligt sind, werden die Antennen kaum nutzen können.

Keine Großaufträge für die Industrie

Doch nicht nur die Forscher wären die Leidtragenden. Beim Aufbau der 1,5 Milliarden Euro teuren Anlage sollen vor allem Firmen aus den SKA-Mitgliedsländern zum Zuge kommen. Sowohl bei der Fertigung der Antennenschüsseln als auch in der Frage, wie die Stromversorgung fern eines Leitungsnetzes gelingen kann, sind deutsche Ingenieure vorn dabei. Diese Aufträge werden nun an andere gehen, wenn das BMBF bei seiner Entscheidung bleibt.

Danach sieht es aus. Man müsse Prioritäten setzen und engagiere sich überdies bei zwei weiteren Observatorien, heißt es aus dem BMBF. „Die erwarteten Kosten stehen nicht im Verhältnis zu dem, was das SKA für die hiesige Wissenschaftslandschaft bringt“, sagt eine Sprecherin. Das sehen die Radioastronomen natürlich anders.

Das erste wissenschaftliche Großprojekt auf dem Schwarzen Kontinent

Vor allem aber ist der Antennenpark mehr als nur ein Forschungswerkzeug. Er soll zum Großteil in Südafrika sowie angrenzenden Ländern entstehen und trägt damit auch eine politische Botschaft: Es ist das erste wissenschaftliche Großprojekt auf dem Schwarzen Kontinent. Und zwar nicht allein deshalb, weil es dort weniger störende Radiowellen gibt als anderswo auf der Erde, was im Übrigen auch auf Australien zutrifft. Die Entscheidung für den Standort sollte ausdrücklich die afrikanische Wissenschaft voranbringen, zeigen, dass Spitzenforschung nicht auf die Nordhalbkugel beschränkt bleiben soll, wie es bisher der Fall ist. Es war kein Zufall, dass die damalige Ministerin Annette Schavan (CDU) das deutsche Engagement für das SKA ausgerechnet während des „Deutsch-Südafrikanischen Jahres der Wissenschaft 2012/2013“ in Kapstadt verkündete. Wenn sich Deutschland nun zurückzieht, wird auch die politische Botschaft des SKA geschwächt.

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