Stammzellforschung: Der Mensch kann geklont werden
Amerikanische Forscher haben erstmals menschliche embryonale Stammzellen durch ein Klon-Verfahren hergestellt. Ob es zukünftig eine große Rolle spielen wird, ist unklar.
Amerikanischen Wissenschaftlern ist es gelungen, Embryonen aus menschlichen Hautzellen zu erzeugen. Über ihre Arbeit berichten sie im Fachblatt „Cell“. Shoukhrat Mitalipov von der Oregon Health and Science University in Portland und seinen Kollegen ist damit ein Experiment geglückt, das seit 16 Jahren viele Forscher anstellten, wenn auch ohne Erfolg: Mitalipov und seine Kollegen nahmen den Zellkern einer menschlichen Zelle, verfrachteten ihn in eine Eizelle, deren Zellkern sie entfernt hatten, und brachten diese Eizelle dann dazu, sich zu teilen und einen Embryo zu bilden.
Die Wissenschaftler ließen die Embryos nicht lange wachsen. Nach einigen Zellteilungen zerstörten sie sie, um daraus Stammzellen zu gewinnen – und um diese Stammzellen geht es in ihrer Arbeit vor allem. Was die Forscher nicht schreiben, weil sie es eben nicht gemacht haben, ist ausnahmsweise aber ebenso wichtig: Theoretisch hätten sie die Embryos weiter wachsen und Frauen einpflanzen können. „Im Prinzip könnte man jetzt Menschen klonen“, sagt Rudolf Jänisch, der am Whitehead-Institut in Boston an Stammzellen forscht. Es wäre also möglich aus der Zelle eines Menschen einen neuen, genetisch identischen Menschen zu schaffen.
Für die meisten Forscher kommt das nicht überraschend. Als der schottische Wissenschaftler Ian Wilmut vor 16 Jahren das geklonte Schaf „Dolly“ der Welt präsentierte, war das eine Sensation, weil es vorher noch niemandem gelungen war, ein erwachsenes Säugetier genetisch zu kopieren. „Aber inzwischen haben wir bei zahlreichen Säugetieren gesehen, dass das funktioniert“, sagt der Kölner Stammzellforscher Jürgen Hescheler. Ausgerechnet beim Menschen aber scheiterten die Experimente bisher.
Das lag daran, dass die menschliche Eizelle beim Entfernen ihres Zellkerns und der Verschmelzung mit dem Zellkern einer anderen Zelle zu früh aktiviert wurde, vermutete Mitalipov. Die Eizelle und ihr neuer Zellkern arbeiteten nicht synchron, und konnten sich deshalb nicht zu einem Embryo entwickeln.
Der Durchbruch gelang schließlich durch eine systematische, stetige Verfeinerung der Methoden. Die Forscher um Mitalipov probierten an Rhesusaffen verschiedene Techniken aus. Dabei zeigte sich eine besonders vielversprechende Vorgehensweise: Die Eizelle und der fremde Zellkern wurden mit Hilfe eines Virusmoleküls möglichst sanft miteinander verschmolzen, dann durch einen Stromstoß aktiviert und gleichzeitig mit einer Substanz namens Trichostatin A behandelt. Dieser bakterielle Stoff hilft der Zelle offenbar dabei, das „Gedächtnis“ des Zellkerns besonders effektiv zu löschen und ihn so in seinen embryonalen „Urzustand“ zurück zu versetzen.
Beim Menschen reichte aber auch dieses „Kochrezept“ noch nicht. Die Eizelle wurde offenbar immer noch zu früh aktiviert. Die entscheidende Zutat war Koffein. Der Stoff hemmt bestimmte Eiweiße in Zellen, so kann er die Zelle lang genug ruhig halten, damit sie gleichzeitig mit dem neuen Zellkern aktiv wird.
„Das war eine sehr sorgfältige Arbeit“, lobt Jänisch. Im Grunde hätten die Wissenschaftler aber nichts grundlegendes verändert. „Sie haben ein paar Änderungen gemacht, die Aktivierung der Eizellen ein bisschen verlangsamt und dann ging das sehr effizient.“ Tatsächlich schafften es die Wissenschaftler, aus acht Eizellen einer Spenderin vier Stammzelllinien zu gewinnen. „Das ist wirklich erstaunlich“, sagt Hescheler.
1996 war das Klonschaf „Dolly“ zur Welt gekommen. Zum ersten Mal war es geglückt, mit einer Zelle aus einem erwachsenen Tier ein Säugetier komplett genetisch zu kopieren. Ein Ziel der Forscher war das „therapeutische“ Klonen. Dabei werden aus einem geklonten menschlichen Embryo Stammzellen gewonnen. Sie sind die Grundlage für Ersatzgewebe, das kranke oder zerstörte Organe „reparieren“ soll. Gleichzeitig wandte sich die große Mehrheit der Wissenschaftler gegen das „reproduktive“ Klonen, also das Erzeugen der genetischen Kopie eines Menschen.
Zwei Ereignisse stellten die Stammzellforschung dann auf den Kopf. 2004 verkündete der Südkoreaner Hwang Woo-suk, ihm sei es geglückt, menschliche Stammzellen aus einem geklonten Embryo zu gewinnen – also genau das gleiche Ergebnis, das jetzt die amerikanischen Forscher vorgelegt haben. Hwang stieg zum Nationalheld auf, nur um bald darauf als skrupelloser Fälscher entlarvt zu werden.
Die Aufregung um den Fälschungsskandal war kaum verstummt, als der Japaner Shinya Yamanaka 2006 mit einer echten Revolution aufwartete. Dem Mediziner von der Universität Kyoto gelang es, Zellen erwachsener Tiere mit Hilfe von vier eingeschleusten Genen in einen embyronalen Urzustand „zurückzuprogrammieren“ – ganz ohne Klontechnik und das Erzeugen von Embryonen. Das aufwändige und ethisch umstrittene, weil mit dem Zerstören von Embryonen und der Notwendigkeit einer Eizellspende einhergehende Klonverfahren war damit endgültig in die zweite Reihe verbannt. Fortan dominierte die Forschung an Yamanakas induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen). Für seine Entdeckung eines molekularen Jungbrunnens wurde dem Forscher 2012 der Medizin-Nobelpreis zuerkannt. Auch wenn medizinische Erfolge am Menschen vorerst ein Fernziel sind, wird doch mit Hochdruck an der therapeutischen Erprobung gearbeitet, und das nicht nur in Japan.
Ob die neuen Stammzellen, die die amerikanischen Forscher nun aus geklonten Embryonen hergestellt haben, in der Forschung eine Rolle spielen werden ist allerdings unsicher. Jänisch vermutet, dass die Zellen sich kaum von regulären embryonalen Stammzellen unterscheiden werden, die etwa überzähligen Embryonen aus künstlichen Befruchtungen entnommen werden. Sie hätten aber viele Nachteile. „Diese Zellen sind zu kontrovers, teuer und kompliziert, um in der Medizin eine Rolle zu spielen“, sagt er.
Und geklonte Menschen? Hescheler glaubt, dass eine internationale Ächtung, w ie sie vor Jahren angestrebt wurde, nun erst recht wichtig sei. „Das wurde vom Vatikan boykottiert, weil es ihm nicht weit genug ging. Ein Fehler“, sagt er. Dagegen hält Jänisch die Debatte für „uninteressant“. Menschen zu klonen sei schlicht unsinnig.
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