Naturschutz: Dem Wolf müssen Grenzen gesetzt werden
In Deutschland gibt es immer mehr Wölfe, damit steigt das Potential für Konflikte. Auch gewaltsame Abwehr darf kein Tabu sein. Ein Kommentar.
Um die Jahrtausendwende war die Freude groß: Der Wolf ist zurück! Ein großes Raubtier, jahrhundertelang verfolgt und praktisch ausgerottet, siedelte sich wieder in Deutschland an. Naturschützer jubelten, und selbst wer nur ein bisschen Sinn für Natur und Umwelt hatte, war doch etwas stolz. Eine Erfolgsgeschichte. Probleme gab es keine – wie auch, bei den wenigen Tieren.
Das änderte sich bald. Die Wölfe hatten Nachwuchs, und es kamen weitere aus Osteuropa hinzu. Inzwischen soll es 40 Rudel – jedes umfasst bis zu zehn Tiere – in Deutschland geben. Sie streifen längst nicht mehr nur durch die dünn besiedelten Weiten Ostdeutschlands. In allen nördlichen Bundesländern sind Rudel heimisch, in weiteren Ländern gibt es sporadische Sichtungen, wie neulich in Rheinland-Pfalz. Experten rechnen mit einer dauerhaften Rückkehr auch in diese bevölkerungsstärkeren Regionen.
Eine Schafherde ist leichte Beute
Die Euphorie ist bei den meisten verflogen. Gleichgültigkeit macht sich breit, mitunter auch Angst und Wut auf Canis lupus, wenn er etwa in einer Schafherde wütet oder in ein Damwild-Gehege eindringt. Es ist nur natürlich, wenn er sich diese leichte Beute nicht entgehen lässt.
Die Nutztierhalter werden zwar entschädigt, aber nur, wenn sie umfangreiche Vorsorge treffen: zum Beispiel mit Elektrozäunen, die gegen ein Untergraben gesichert sind und womöglich auch einem Flatterband darüber, um die Abgrenzung optisch zu erhöhen. Denn es gibt durchaus Tiere, die normale Zäune überspringen.
Am Wolf lässt sich der Naturschutzgedanke diskutieren wie bei kaum einer anderen Art. Welche Kosten und Mühen will die Gesellschaft auf sich nehmen, um das Überleben einer einzelnen Spezies zu gewährleisten? Befürworter argumentieren mit den „Ökosystem-Dienstleistungen“, die das Raubtier erbringt, mit der Artenvielfalt und mit einer Willkommenskultur, die jedem Rückkehrer in hiesige Gefilde – von Bär bis Wisent – gelten soll, solange keiner zu Schaden kommt.
In Städten hat der Wolf mehr Freunde als in Dörfern
Gegner drehen dieses Argument um. Mitteleuropa sei eine Kulturlandschaft, Felder, Wiesen, die meisten Wälder: Alles ist bewusst gestaltet und wird intensiv genutzt. Hier sei kein Platz mehr für große Wildtiere, die seien in bevölkerungsarmen Gebieten wie Ostpolen, Russland oder den Karpaten besser aufgehoben. Und überhaupt, was nutzt der Wolf im Ökosystem? Jahrzehntelang ging es ohne ihn, die Jäger haben seine Rolle eingenommen.
Diese Diskussion ist so philosophisch wie realitätsfern. Isegrim ist da und so verbreitet, dass er nur mit intensiver Bejagung zurückgedrängt werden könnte. Das ist nicht mehrheitsfähig. Denn auch für den Wolf gilt: Die Liebe wächst mit der Entfernung. In den Städten hat er mehr Freunde als in den Dörfern.
Wir müssen uns miteinander arrangieren. Dazu gehört, die Fakten klar zu benennen. So scheu, wie oft behauptet wird, ist der Wolf nicht. Davon zeugen zahlreiche „Nahkontakte“, bei denen die Tiere eben nicht vor einem Menschen wegliefen. Paradebeispiel ist Problemwolf „Kurti“, der – mutmaßlich durch Anfüttern – so sehr an unsere Spezies gewohnt war, dass er die Nähe suchte. Nach langem Hin und Her erlaubte das Umweltministerium in Hannover den Abschuss. Im April wurde Kurti „im Rahmen der Gefahrenabwehr letal entnommen“, wie es im schönsten Behördendeutsch heißt.
In Deutschland gab es bisher keine Attacken auf Menschen
Es sind nun mal Raubtiere. Wer ihnen begegnet, sollte Abstand halten – wie er es auch bei Wildschweinen tun würde (mit denen eine Begegnung übrigens wahrscheinlicher ist). Im Ausland gibt es etliche Fälle, wo Menschen von Wölfen attackiert wurden. Das hat es hier bisher nicht gegeben.
Damit es so bleibt, muss den Tieren klargemacht werden, dass sie in Siedlungen nichts zu suchen haben und ebenso wenig in Nutztierbeständen. Zäune sind hilfreich, aber sie können nicht überall aufgestellt werden – man denke nur an kilometerlange Deiche, die von Schafen beweidet werden.
Wenn ein Wolf zu nahe kommt, muss er spürbar vertrieben werden, beispielsweise mit Gummischrot. Das sollte vor allem schnell geschehen, damit ein Lerneffekt einsetzt. Noch werden solche „Vergrämungen“ durch einen großen bürokratische Aufwand gebremst. Den Tieren hilft das nicht, das unerwünschte Verhalten verfestigt sich. Im schlimmsten Fall bleibt nur noch der Abschuss. Auch der darf kein Tabu sein.