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Allein und an der frischen Luft Radfahren - so kann man sich nicht anstecken.
© Paul Zinken/dpa

Was hilft gegen die Ausbreitung von Covid-19?: Dem Coronavirus – zumindest ein bisschen – davonradeln

Viel wird darauf ankommen, die Infektionskurve jetzt abzuflachen. Eine wesentliche Rolle könnte dabei spielen, welches Verkehrsmittel Berliner jetzt nutzen.

Fahrrad fahren gilt als gesund. Der Bewegung wegen. Vielleicht aber war Fahrradfahren nie so gesund wie heute - oder wäre es, wenn mehr Leute es tun würden.

Allerdings wäre der Grund dafür eher nicht Bewegung, sondern das Unterbinden von Bewegung - der des Coronavirus nämlich.

Die Argumentation ist einfach, beziehungsweise dreifach: Wer Fahrrad fährt, fährt nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln. Er oder sie hat - erstens - also ein deutlich geringeres Risiko als dort, sich ein Atemwegsvirus einzufangen.

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Zweitens sind Radfahrer, die vielleicht nicht krank, aber doch schon infiziert sind, dann auch kein Infektionsrisiko für jene, die nicht anders können oder wollen und trotzdem mit den Öffentlichen fahren.

In Bussen und Bahnen wird es weniger eng

Drittens wird es in Bussen und Bahnwagen weniger eng, was für das Virus die Bewegungsfreiheit sehr einschränkt. Denn je weniger eng man mit je weniger Leuten in einem Raum zusammen ist, desto unwahrscheinlicher ist eine Übertragung. Das ist nicht nur des größeren Anstands wegen so, sondern auch, weil dann im Mittel weniger Infizierte in einem Wagen sind.

„Fahrrad für alle, die in der Lage sind“, sei eine einfache Intervention, habe jenen Dreifacheffekt und sei deshalb „wahrscheinlich hocheffektiv“, sagt der Epidemiologe und frühere Chef des Deutschen Cochrane-Zentrums in Freiburg, Gerd Antes. Ihm sei „völlig unverständlich, warum das nicht pausenlos in die Köpfe getrieben“ werde.

Die Devise: "Flatten the Curve"

Tatsächlich hat man sich auch in Deutschland von der Idee, man könnte das Virus bald wieder loswerden, verabschiedet. Es geht jetzt um vieles gleichzeitig. Aber als am wichtigsten gilt, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. „Flatten the Curve“, also „die Kurve abflachen“ heißt die Maxime, die Virologen und Epidemiologen jetzt wie ein Mantra vortragen. Die entsprechende Infografik gehört derzeit zu den meistgeklickten Inhalten im Internet.

Infografik: Entwicklung einer Pandemie - Darum ist das Ergreifen voon frühen Maßnahmen wichtig
Infografik: Entwicklung einer Pandemie - Darum ist das Ergreifen voon frühen Maßnahmen wichtig
© Tagesspiegel/Katrin Cremer

Welche Kurve, und wieso soll man sie „abflachen“, und wie?

Es geht um das aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit dem Virus wahrscheinliche Szenario, dass eine infizierte Person deutlich mehr als eine weitere Person infiziert. Die Situation ist ähnlich wie bei der Geschichte, die angeblich aus dem alten China stammt und in der es um die Verdopplung der Anzahl von Reiskörnern auf jeden weiteren Feld eines Schachbretts geht. Es sind sehr bald sehr, sehr viele Reiskörner.

Das exponentielle Wachstum der Infizierten verhindern

Man spricht von exponentiellem Wachstum: Wenn eine Person mehr als eine weitere ansteckt, vielleicht sogar mehr als zwei oder mehr als drei, dann ergibt sich ebenso eine solche immense Zunahme der Zahlen, beziehungsweise eben ein sehr steiler Anstieg der Kurve in einem Diagramm.

Bald wäre der Punkt erreicht, an dem - ähnlich wie vor nicht langer Zeit in Wuhan und ähnlich wie jetzt in Norditalien - die Kapazitäten des Gesundheitssystems nicht mehr ausreichen um alle, die Hilfe brauchen, angemessen zu versorgen. Die Lösung lautet gemäß dem „Die-Kurve-abflachen“-Diktum, alles zu tun, damit diese Entwicklung sich zumindest verzögert, sich die Wachstumskurve also weniger steil entwickelt.

Das heißt: Man akzeptiert zwar, dass es zunächst immer mehr Fälle geben wird, aber unternimmt das, was sinnvoll ist, damit die Kurve nicht so steil ansteigt und wenn irgend möglich die Kapazitätsgrenze der Krankenhäuser und des Krankenhaus-Personals nie durchstößt. Ob das, also das Unterschreiten jener Kapazitätsgrenze, gelingen wird, weiß niemand. Aber dass sich die Kurve abflachen lässt, ist unstrittig. Die Epidemie wird dann länger dauern, aber nicht so verheerend sein.

Es müssen sich pro Tag deutlich weniger Menschen anstecken

Dafür müssen sich pro Tag deutlich weniger Menschen anstecken als es normalerweise - mit vollen U-Bahnen, laxer Hygiene, ständigem Händeschütteln, aufopferungsvoll im Büro erscheinenden vergrippten Kollegen und ungeschütztem Husten und Niesen der Fall wäre.

Also, und auch hier im Tagesspiegel stand schon sehr oft davon zu lesen: Hygiene, Abstand halten, Husten- und Nies-Etikette beachten, bei Erkrankungsverdacht zuhause bleiben und versuchen, andere nicht zu infizieren, vor allem Senioren schützen, etc.

Da das Leben aber irgendwie weitergehen muss - wozu auch gehört, dass Leute zu ihrem Arbeitsplatz kommen, oder zum Arzt, oder zum Lebensmittel einkaufen - , können nicht alle zuhause bleiben. Ein neuralgischer Punkt hinsichtlich des Gelingens oder Nicht-Gelingens der Unterbrechung von Infektionsketten - und der Steilheit der Kurve - sind also jene Situationen, in denen eine Einzelperson nur beschränkt Kontrolle darüber hat, ob sie Keimen ausgesetzt ist oder nicht.

Kontrollverlust über das eigene Ansteckungsrisiko

Die ergeben sich vor allem in öffentlichen Verkehrsmitteln: Wer „Hermannstraße“ in die vollbesetzte Ringbahn steigt und nachdem die Tür zu ist, unvermittelt vollgehustet wird, bis er in „Tempelhof“ vielleicht die Flucht ergreifen kann, erleidet diese Art von Kontrollverlust über das eigene Ansteckungsrisiko.

Wenn hier die ganze Strecke oder zumindest eine Teilstrecke mit dem Fahrrad zurückgelegt wird, sinkt dieses Risiko. Es sinkt auch, wenn der öffentliche Nahverkehr nicht eingeschränkt wird, sondern gerade dann, wenn möglichst viele Züge und Busse möglichst oft verkehren, weil sich das ebenfalls einen Ausdünnungseffekt hat - aber dies natürlich nur, wenn wirklich viele auf das Fahrrad umsteigen. 

Auch Interventionen von Politik und Verwaltung könnten hier hilfreich sein, etwa das Zuweisen von Fahrspuren für Fahrräder dort, wie die vorhandenen Radwege für den zusätzlichen Verkehr nicht ausreichen, so Antes. Dazu kommen könnten Kaufanreize, Unterstützung bei Reparaturkosten und dergleichen.

Nötig ist ein "massiver persönlicher Appell" an die Bürger

Vor allem sei aber eines wichtig, und geschehe bisher kaum: ein „massiver persönlicher Appell“ an die Bürger. Ein sofortiger Umstieg all jener, die es können, auf das Rad, wäre „auf jeden Fall uneingeschränkt machbar, ohne Nebenwirkungen, mit einem wohl sehr großen Effekt, und das noch kostenneutral“, so Antes gegenüber dem Tagesspiegel.

Dass es jetzt Frühling wird, und dass Bewegung tatsächlich auch sonst positive gesundheitliche Effekte hat - auch auf das Immunsystem - all das wird vielleicht auch helfen, die kurve ein bisschen flacher und alles ein bisschen weniger schlimm zu machen.  

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