Zahl der Corona-Todesfälle jetzt fünfstellig: Datenpanne beim RKI – vermutlich noch mehr als 11.242 Neuinfektionen
Daten des Tagesspiegels zufolge sind mehr als 10.000 Menschen an oder mit Corona verstorben. Die hohe Infiziertenzahl des RKI dürfte noch weiter steigen.
Die Zahl der Menschen, die in Deutschland an oder in Verbindung mit einer Covid-19-Erkrankung gestorben sind, hat am Freitagmorgen die Marke von 10.000 überschritten. Dies geht aus den Zahlen hervor, die der Tagesspiegel live aus allen Landkreisen zusammenträgt. Demnach verzeichnet Deutschland seit Beginn der Pandemie 10.044 Corona-Tote. Eine detaillierte Auswertung der Zahlen finden Sie hier.
Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die Zahl der Covid-19-Toten am Freitagmorgen noch mit 9954 an. Das waren 49 mehr als am Vortag. Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten zudem binnen 24 Stunden 11.242 Neuinfektionen, am Vortag war mit 11.287 Fällen erstmal in der Pandemie in der Marke von 10.000 überschritten worden. Am Freitag vergangener Woche waren 7334 positive Tests innerhalb eines Tages registriert worden.
Allerdings kann die aktuelle Gesamtzahl noch höher liegen. Wegen einer technischen Störung am Robert Koch-Institut ist es am Donnerstag zeitweise zu Datenlücken bei der Übermittlung von Infektionszahlen aus den Bundesländern gekommen.
Durch einen Ausfall eines Webservers beim RKI am Donnerstagnachmittag seien knapp drei Stunden bis 17.30 Uhr Übermittlungen von den Gesundheitsämtern zu den zuständigen Landesbehörden und von denen zum RKI gestört gewesen, teilte RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher am Freitag mit. Wie groß die Datenlücke ist, kann sich erst dann zeigen“, ergänzte Glasmacher. Betroffen von der Panne waren zum Beispiel Corona-Hotspots in Nordrhein-Westfalen.
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Daten des Tagesspiegels zufolge gab es Stand Freitagmorgen in Deutschland 83.945 aktive Krankheitsfälle – der Höchstwert im Frühjahr lag am 6. April bei 72.881. Nach Schätzungen des RKI gibt es inzwischen etwa 310.200 Genesene.
Die Zahl der täglich Neuinfizierten sind also deutlich gestiegen, sind aber mit dem Rekordwert im Frühjahr von 6294 am 28. März nur bedingt vergleichbar. Mittlerweile wird jeden Tag deutlich mehr getestet, so dass auch mehr Infektionen nachgewiesen werden.
Coronatests: Positivrate wichtig zur Beurteilung der Lage
Immer wichtiger bei der Beurteilung der Teststatistiken wird deshalb auch die sogenannte Positivrate, die das RKI jeweils mittwochs in seinem aktuellen Lagebericht veröffentlicht. Und die ist in den vergangenen Wochen eben auch deutlich gestiegen.
Die Zahl der Coronavirus-Tests schwankt seit Mitte August zwischen rund 1,1 Millionen und 1,2 Millionen pro Woche. Die Quote positiver Tests stieg von 0,74 Prozent Ende August auf jetzt 3,62 Prozent in der Woche vom 12. bis 18. Oktober. Eine Woche zuvor lag der Wert noch bei 2,49 Prozent, davor bei 1,66.
Die neu gemeldeten Infektionen gelten wegen der Zeit zwischen Ansteckung, Test, Ergebnis und Meldung als Hinweis darauf, wie stark das Virus vor etwa einer Woche in der Gesellschaft unterwegs war. Deshalb dauert es auch, bis sich von der Politik beschlossene Maßnahmen in den Statistiken niederschlagen können.
478 Corona-Patienten werden derzeit beatmet
Zwar gibt es derzeit noch ausreichend Kapazitäten auf den Intensivstationen, die zahlen aber steigen. Daten des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) vom Freitag zufolge werden derzeit 1121 Patienten mit Covid-19 intensivmedizinisch behandelt. Vor einer Woche waren es noch 690, vor zwei Wochen 510 und vor einem Monat 293 gewesen. 478 Corona-Patienten werden derzeit beatmet, das sind 43 Prozent. Seit dem Vortag wurden 256 neue Patienten auf Intensivstationen aufgenommen.
Demnach sind aktuell 21.736 Intensivbetten belegt. 7784 sind frei. Das sind 873 freie Betten weniger als noch vor einer Woche. Darüber hinaus steht eine „Notfallreserve“ von 12.717 Intensivbetten bereit, die innerhalb von sieben Tagen verfügbar wären.
DIVI-Präsident Uwe Janssen ist eine Überlastung der intensivmedizinischen Kapazitäten derzeit nicht zu erwarten. Es gebe derzeit ausreichend Betten und medizinisches Gerät. Engpass werde - wie in jedem Winter – das fehlende Pflegepersonal.
Zahl älterer Patienten in Kliniken steigt
Sorge bereitet, dass die Zahl der älteren Patienten wieder deutlich steigt. Diese Gruppe gilt als besonders gefährdet für schwere Krankheitsverläufe. So meldete das RKI in der Woche vom 12. bis 18. Oktober 3521 Neuinfizierte in dieser Gruppe. Eine Woche zuvor waren es noch 2032 – ein Anstieg um rund 75 Prozent. Ähnlich stark stiegen die Zahlen in der Woche davor. Mehr als 13 Millionen Bundesbürger sind älter als 70 Jahre, bundesweit werden allein mehr als 700.000 Menschen, die älter als 70 Jahre sind, in Heimen versorgt.
Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, erwartet eine kritische Schwelle bei 20.000 Neuinfektionen pro Tag. „Bei 20.000 Neuinfektionen am Tag gerät die Lage außer Kontrolle“, sagte Montgomery der „Rheinischen Post“. „Dann wäre es für Gesundheitsämter nicht mehr möglich, die Infektionsketten nachzuverfolgen und zu unterbrechen. Dann droht uns ein zweiter Lockdown, weil sich das Virus anders nicht mehr bremsen lässt.“
Angesichts der Entwicklung wird die Frage, wann ein Impfstoff zur Verfüg steht, immer dringlicher. Das Bundesgesundheitsministerium bleibt bei seiner Einschätzung, dass erste Corona-Impfungen voraussichtlich in den ersten Monaten des nächsten Jahres möglich werden.
Man gehe weiterhin davon aus, dass Anfang 2021 ein Impfstoff zur Verfügung stehen könnte, sagte ein Sprecher des Ministeriums, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete. Der „Spiegel“ zitiert Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in seiner neuen Ausgabe mit den Worten, es könne Januar sein, vielleicht auch Februar oder März – oder sogar noch später.
Spahn: „Es wird keine Impfpflicht geben“
„Natürlich wäre es das Beste, ein Impfstoff würde Neuinfektionen verhindern. Aber es wäre auch schon ein Gewinn, wenn er den Krankheitsverlauf milder macht“, sagte der Bundesgesundheitsminister, wie das Magazin am Freitag berichtete.
Sobald es genug Impfstoff gebe, könnte durchaus „in sechs, sieben Monaten ein großer Teil derjenigen, die wollen, geimpft werden“. Eine obligatorische Impfung lehnt Spahn weiterhin ab: „Es wird keine Impfpflicht geben.“
Zuvor hatte die „Bild“ berichtet, der aktuell selbst mit dem Coronavirus infizierte Spahn schließe nicht aus, dass es noch in diesem Jahr in Deutschland erste Impfungen geben könnte. Dem Bericht zufolge hat die Bundesregierung konkrete Vorbereitungen für mögliche Impfungen gegen das Coronavirus noch in diesem Jahr getroffen.
Impfstoff der Firma Biontech noch vor Ende des Jahres?
Demnach forderte das Bundesgesundheitsministerium in dieser Woche die Landesregierungen per Post auf, bis 10. November die Adressen von Impfzentren für den Impfstoff zu nennen. Insgesamt sollen demnach bundesweit 60 solcher Zentren entstehen. Dem Blatt zufolge sind die Impfzentren nötig, um die Wirksamkeit des Impfstoffs zu garantieren. Dieser müsse bei minus 78 Grad gekühlt werden, vielen Arztpraxen fehlten dafür jedoch die notwendigen leistungsfähigen Kühlgeräte.
In einer Videokonferenz der Gesundheitsminister zu Wochenbeginn soll Spahn erklärt haben, die Mainzer Firma Biontech stehe dicht vor der Zulassung eines Impfstoffs. Auf Nachfragen, wann er mit ersten Impfungen rechne, habe Spahn in der Runde gesagt: „Das könnte noch vor Ende des Jahres passieren“, zitierte die Zeitung Teilnehmer der Konferenz.
Der Ministeriumssprecher wollte den „Bild“-Bericht nicht kommentieren, da es sich um interne Gespräche gehandelt habe.
An Impfstoffen gegen das neuartige Virus wird derzeit rund um den Globus unter Hochdruck gearbeitet. Biontech arbeitet dabei mit dem US-Konzern Pfizer zusammen. Weltweit befinden sich mehr als 40 Stoffe in der klinischen Erprobung.
Nach dem jüngsten Anstieg der Neuinfektionen in Deutschland haben mehrere Landesregierungen die Bürger eindringlich aufgerufen, die Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten. „Ich glaube, das wird jetzt eine spannende Zeit für uns alle werden. Es wird schon eine wichtige Weichenstellung sein“, sagte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder am Donnerstag in der Sendung „ZDF spezial“. „Es muss uns gelingen, diese Welle zu brechen. (...) Und wenn wir jetzt ein bisschen mehr tun, dann werden wir hinterher weniger Folgen haben.“
[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden]
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) mahnte, alle müssten jetzt den Ernst der Lage verstehen. „Wir brauchen jetzt Disziplin, und dazu gehört allerdings auch Kontrolle und Sanktionen“, sagte er am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller machte im ZDF-„Heute Journal“ klar, es gebe „nicht mehr viele Entscheidungsmöglichkeiten“. Zugleich warnte er vor den sozialen Folgen eines weiteren Lockdowns, also der weitreichenden Einschränkung des öffentlichen Lebens wie im Frühjahr.
„Und insofern will ich einfach auch die Hoffnung nicht aufgeben, dass wir mit unseren Maßnahmen und eben auch der Disziplin und Eigenverantwortung diesen Lockdown verhindern können“, sagte der SPD-Politiker. Er müsse aber zugeben: „Man kann es auch nicht mehr ausschließen.“
Immer mehr Deutschen wünsche sich schärfere Auflagen
Dem aktuellen Politbarometer von ZDF und Tagesspiegel zufolge sind 49 Prozent der Deutschen der Ansicht, die derzeitigen Maßnahmen reichen aus, um einen zweiten Lockdown zu vermeiden, 42 Prozent glauben dies nicht. Nach wie trägt die Mehrheit der Bundesbürger den politischen Kurs aber weiter mit – immer mehr wünsche sich sogar weitergehende Maßnahmen.
Demnach hält weiter nur eine Minderheit (14 Prozent) die geltenden staatlichen Schutzmaßnahmen für übertrieben. Aber nur noch 54 Prozent halten sie für gerade richtig, denn inzwischen sind 30 Prozent für weitergehende Maßnahmen. Für härtere Regeln sprachen sich im September nur 18 Prozent und Anfang Oktober 23 Prozent aus, obwohl die Maßnahmen seither bereits verschärft worden sind.87 Prozent halten die Ausweitung der Maskenpflicht für richtig (nicht richtig: 13 Prozent).
Dass in den Risikogebieten deutlich weniger Personen an privaten Feiern teilnehmen dürfen, finden 86 Prozent richtig (nicht richtig: zwölf Prozent), ähnlich wie die Begrenzung der Zahl der Teilnehmer von Treffen in der Öffentlichkeit (richtig: 79 Prozent; nicht richtig: 20 Prozent). Umstrittener hingegen ist es, dass Bars und Restaurant früher schließen müssen als bisher. Das befürworten 54 Prozent während es 42 Prozent ablehnen.
52 Prozent der Befragten glauben, dass sich die Menschen in der Pandemie allgemein eher vernünftig verhalten (unvernünftig: 45 Prozent), dennoch fordern 71 Prozent aller Befragten, dass die Einhaltung der Schutzmaßnahmen stärker kontrolliert wird (dagegen: 28 Prozent).
62 Prozent sprechen sich für höhere Strafen aus als bisher, wenn jemand die Corona-Vorschriften nicht einhält. 35 Prozent sind gegen härtere Strafen.81 Prozent aller Befragten glauben, dass Deutschland in den nächsten Monaten eher gut durch die Pandemie kommen wird. Pessimistisch sind 15 Prozent.