Virus wütet weiter: Das Auf und Ab der Ebola-Epidemie
In Sierra Leone steigt die Zahl der neu an Ebola Erkrankten noch immer. Impfungen kommen trotzdem zu spät.
Keine Trinkbecher für die von Durchfall und Erbrechen dehydrierten Kranken. Kaum ein Krankenwagen, um Ebola-Infizierte abzuholen. Viel zu viele Leichen, die ausgerechnet an der Geburtshilfe-Station vorbeigetragen wurden. Das Team der Weltgesundheitsorganisation WHO und der amerikanischen Seuchenbehörde CDC hatte schon viel gesehen. Aber so schlimm hatten es sich die Experten nicht vorgestellt. Erst recht nicht im Osten Sierra Leones, wo sich die Situation entspannt hatte. Nicht in Kono, von wo monatelang nur einzelne Fälle an das Nationale Notfallzentrum gemeldet wurden. Wenn man der Statistik glaubt, hatte Ebola einen Bogen um die Provinz gemacht, die für ihre Diamant- und Goldminen sowie für Kakao- und Kaffeeplantagen bekannt ist. Bis November. Das Team wollte wissen, wie es zu dem seltsamen Zacken in der Ebola-Kurve kam.
Von Schwerkranken überrannt
Sie fanden 87 Tote, darunter war eine Pflegekraft, ein Krankenwagenfahrer und ein Hausmeister, der Leichen beseitigt hatte. Allein in den fünf Tagen vor ihrer Ankunft waren 25 Menschen in einer hastig abgesperrten Zone des einzigen Krankenhauses gestorben. „Das Team traf heroische Ärzte und Krankenpfleger, die nicht mehr weiter wussten. Es traf erschöpfte Beerdigungsteams und Labormitarbeiter. Alle taten, was sie konnten. Doch sie hatten kein Material mehr und wurden von Schwerkranken überrannt“, sagt Olu Olushayo, der WHO-Koordinator in Sierra Leone. Die Helfer hatten weder Zeit noch Fahrzeuge, um zu erkunden, was in den verstreuten Dörfern vor sich ging. „Wir sehen nur die Ohren des Nilpferdes“, sagt Amara Jambai, der das Seuchenzentrum in Sierra Leone leitet. Während in Liberia die Zahl der Neuerkrankungen sinkt, werden dort noch immer 400 Kranke pro Woche gemeldet, vor allem aus Freetown und dem Westen des Landes.
"Eine Impfung wird die Seuche nicht aufhalten"
In Kono kommt nun Hilfe an. Bis auf Weiteres werden die Patienten in das Ebola-Behandlungszentrum in Kenema überwiesen. Dorthin, wo in den letzten Wochen Betten leer standen, wie Dirk Kamm, Katastrophenmanager beim Deutschen Roten Kreuz, auf einem Workshop der afrikanischen Botschafter in Berlin berichtete. Keiner weiß, wie lange das Auf und Ab weitergehen wird.
Eine Impfung wird die Seuche nicht aufhalten, sagt Michael Saeftel, medizinischer Berater für Impfungen und tropische Erkrankungen bei GlaxoSmithKline. Die Firma entwickelt gemeinsam mit den Nationalen Gesundheitsinstituten der USA einen Ebola-Impfstoff, der ein verändertes Schimpansen-Erkältungsvirus benutzt, um Erbgut für ein Ebola-Oberflächeneiweiß in Körperzellen zu schleusen. „Wir rechnen nicht vor Ende 2015 mit der Zulassung. Massenimpfungen sind frühestens ab 2016 möglich.“ Zu spät für diese Epidemie. Ob die Impfung verträglich ist und eine Immunreaktion auslöst, wird derzeit in den USA, Großbritannien und in Mali getestet. „Die ersten Daten waren ermutigend“, sagt Saeftel. Vor allem die Ergebnisse aus Afrika entscheiden, wann Anfang 2015 damit begonnen werden kann, tausende Helfer in Liberia und Sierra Leone zu impfen, um die Wirksamkeit zu prüfen.
Tests unterbrochen
Die Firmen Merck und New Link haben derweil ihre Tests mit dem in Kanada entwickelten VSV-Impfstoff unterbrochen – zumindest in Genf, wo eine besonders hohe Dosis geprüft wird. Vier von 59 Freiwilligen klagten über rheumaartige Gelenkschmerzen in den Zehen und Fingern. Das sei nicht besorgniserregend, heißt es in einer Pressemitteilung des Uniklinikums Genf. Nach einer Impfung gegen Röteln reagiere der Körper oft ähnlich. Um sicherzugehen, dass aus den Schmerzen keine ernstere Nebenwirkung wird, habe in Genf die Weihnachtspause eine Woche früher begonnen. Sie dauert bis zum 5. Januar. In Deutschland, Gabun, Kanada und den USA wurden keine solchen Beschwerden beobachtet und die Tests nicht unterbrochen.
Die Impfallianz Gavi gab bekannt, dass sie 12 Millionen Impfungen gegen Ebola kaufen will, sobald ein Impfstoff von der WHO empfohlen wird. Damit sollen diejenigen geschützt werden, die besonders gefährdet sind. Zusätzlich zu den dafür nötigen 300 Millionen Dollar stellt Gavi 45 Millionen Dollar bereit, um die Verteilung zu ermöglichen. Weitere 45 Millionen Dollar fließen in die Gesundheitssysteme Westafrikas und andere Impfprogramme.