Erste Testergebnisse für Impfstoff gegen Covid-19: Corona-Schutzimpfung offenbar verträglich
Der erste Covid-19-Impfstoff auf RNA-Basis hat sich in vorläufigen Tests bewährt. Das meldet die US-Firma Moderna. Und ist deutscher Konkurrenz damit voraus.
Ob ein Impfstoff wirksam ist oder nicht und ob er womöglich in zu vielen Fällen irgendwelche Nebenwirkungen verursacht, das lässt sich erst nach Tests an vielen hunderten und tausenden Menschen mit einiger Sicherheit sagen. Vor diesem Hintergrund muss man die jüngsten Meldungen einordnen, in denen von "erfolgreichen" ersten Tests, so genannten Phase I-Studien, eines Impfstoffs der Bostoner Firma Moderna zu lesen ist.
Phase-I-Studien haben im aufwändigen Testprozedere von Medikamenten und Impfstoffen die Aufgabe, einerseits die Verträglichkeit und die ideale Dosierung auszuloten. Da es sich um die ersten Tests an Menschen, noch dazu gesunden, handelt, werden nur wenige Probanden rekrutiert, in dieser Studie insgesamt 45. Über die ersten acht gab die Firma nun erste Ergebnisse bekannt.
Schneller, billiger, robuster - aber kaum erprobt
Demnach erhielten diese zwei Dosierungen des Impfstoffs "mRNA-1273", eine niedrige Dosis von 25 Mikrogramm und eine höhere von 100 Mikrogramm. Den Angaben der Firma zufolge reagierte ihr Immunsystem daraufhin mit der Produktion von neutralisierenden Antikörper gegen das Sars-CoV-2-Virus "in einem vergleichbaren Ausmaß" wie bei Patienten, die eine Covid-19-Erkrankung überwunden und damit eine gewisse Immunität gegen das neue Coronavirus entwickelten.
Die Firma werten die Ergebnisse der Studie, die von den Nationalen Instituten für Allergien und Infektionskrankheiten der USA (NIAID) geleitet wurden, als "ermutigend". In den jetzt folgenden Experimenten werde nun eine zusätzliche Testgruppe mit einer 50 Mikrogramm-Dosierung eingebunden.
Das ist eine deutlich höhere Dosierung, als das Tübinger Biotech-Unternehmen CureVac anstrebt, deren Covid-19-Impfstoffkandidat auf der gleichen Wirkstoff-Technologie beruht, "RNA"-Molekülen, aber ersten Versuchen mit Tollwut-Vakzinen zufolge nur einige wenige Mikrogramm benötigt.
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Bisher basieren Impfstoffe darauf, dass dem Immunsystem mit abgetöteten oder abgeschwächten Erregern oder Teilen davon eine Infektion vorgegaukelt wird. Dazu müssen die Viren oder eben einzelne Eiweißbestandteile ("Antigene") mühsam hergestellt werden. Die RNA-Technologie von Moderna, Curevac und auch der Mainzer Biotech-Firma Biontech hingegen basiert auf RNA, dem Schwestermolekül der Erbsubstanz DNA.
So wie DNA kann auch RNA, gewissermaßen eine Abschrift der DNA, die Bauanleitung für Eiweiße kodieren. Spritzt man also RNA-Moleküle, dann "lesen" die menschlichen Zellen die Information aus und bauen ein Stück Virus selbst nach. Das Immunsystem erkennt diese Viruseiweiße als fremd und leitet die Immunreaktion ein, indem es neutralisierende Antikörper bildet.
Soweit die Theorie. Denn in der Praxis sind solche RNA-Impfstoffe noch nicht angekommen. Weltweit gibt es noch keinen einzigen zugelassenen Impfstoff. Entsprechend wenig (oder nichts) ist über eventuelle Nebenwirkungen der Technologie bekannt.
Vielversprechend ist sie allerdings schon, da RNA viel schneller und billiger in großen Mengen zu produzieren ist, als Eiweiße oder ganze Viren. Und RNA muss nicht gekühlt werden - ein großer Vorteil, um den Impfstoff auch in tropischen Ländern ohne technische Kühlgeräte verteilen zu können.
Bislang gibt es noch keinen RNA-Impfstoff auf dem Markt
Doch ob die RNA-Impfstoffe die Hoffnungen bestätigen können ist offen - auch nach dem unüblich vorzeitigen Bekanntwerden der vorläufiger Ergebnissen der Phase-I-Studie. So vorläufig, dass angefragte Experten Kommentare ablehnten ohne hinreichendes Datenmaterial, das normalerweise in Studien veröffentlicht und zuvor von Experten geprüft wird, einsehen zu können.
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Dass die Vakzine in Mausexperimenten in der Lage war, die Vermehrung von Viren in der Lunge zu verhindern, wie die Firma in einer Pressmitteilung hervorhebt, ist ebenfalls nicht mehr als "ermutigend" - sind solche positiv verlaufenden Tierexperimente doch Voraussetzung für die Genehmigung einer Phase-I-Studie an Menschen.
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Für die US-Zulassungsbehörde sind in dieser Pandemie offenbar schon die vorläufigen Daten von acht aus 45 Patienten Grund genug gewesen, schon jetzt die Phase II der klinischen Prüfung des Moderna-Impfstoffs gegen Covid-19 zu genehmigen, in der die Vakzine ihre Wirksamkeit unter Beweis stellen muss.
Eine Phase III-Studie, in der dann viele Probanden den Impfstoff testweise erhalten sollen, um auch eventuelle seltene Nebenwirkungen erkennen zu können, sei für Juli geplant, so der Geschäftsführer und Mitgründer von Moderna, Stéphane Bancel. Bei den ersten acht Probanden waren durchaus unerwünschte Reaktionen zu erkennen: Einer entwickelte eine rötliche Entzündung an der Einstichstelle, drei weitere, die eine 250 Mikrogramm-Dosierung bekamen, zeigten ebenfalls eine Art Entzündungsreaktion. Schwerere oder lebensbedrohliche Nebenwirkungen wurden aber nicht nachgewiesen.
Das letzte Wort, welche der vielen unterschiedlichen, auf herkömmlichen oder neuen Impfstoffkonzepten basierenden Vakzine am Ende das Rennen machen werden, ist also noch lange nicht gesprochen.