Theologie an der Humboldt-Universität: Christen, Muslime und Juden könnten gemeinsam forschen
Die Islamische Theologie soll an der Humboldt-Universität etabliert werden. Von der Option, sie an der Evangelischen Fakultät einzugliedern, sind nicht alle begeistert.
Berlin wird von einem linken Senat regiert – und ausgerechnet dieser Senat hat sich die Stärkung der Theologien auf die Fahne geschrieben, was traditionellerweise nicht unbedingt ein Projekt linker Regierungen ist. „Die Präsenz der Theologien, weltanschauungs- und religionsbezogenen Studien an den Berliner Universitäten ist eine wichtige Integrations- und Inklusionsaufgabe; daher sollen die bestehenden Regelungen und vorhandenen Einrichtungen zukunftsorientiert ausgestaltet und weiterentwickelt werden“, heißt es im Koalitionsvertrag.
Zum 100-Tage-Programm der neuen Regierung gehört, die Etablierung Islamischer Theologie an der Humboldt-Universität (HU) voranzutreiben. In den kommenden zehn Tagen soll ein Gründungsdirektor berufen werden, 500 000 Euro Anschubfinanzierung stehen bereit, 2018 soll der Lehrbetrieb beginnen. Offen ist allerdings, welchem Fachbereich die muslimischen Theologen zugeordnet werden sollen. Die Philosophische Fakultät hat im Januar ein Strategiepapier vorgelegt und möchte die Theologen Seite an Seite mit Historikern, Philosophen und Bibliothekswissenschaftlern forschen lassen.
Amerikanisches Vorbild „Divinity Schools“
Die Muslime fürchten allerdings, an der Philosophischen Fakultät mit antireligiösen Vorurteilen konfrontiert zu sein und sehen sich eher bei der evangelischen Theologie. Diese wird an der Humboldt-Universität in einer eigenen Fakultät mit elf Professoren gelehrt. Einige von ihnen sehen in der Aufnahme der Muslime die Chance, sich im Verbund mit anderen Theologien grundsätzlich neu und breiter aufzustellen. Sie wollen nach dem Vorbild amerikanischer „Divinity Schools“ nicht nur mit muslimischen Theologen, sondern auch mit katholischen und jüdischen Kollegen unter einem Dach forschen und lehren. Das wäre die ganz große Lösung und etwas, was es in Deutschland bislang noch nicht gibt.
Die einzelnen Theologien sollen dabei selbständig bleiben. Etwas anderes wäre staatskirchenrechtlich momentan auch gar nicht machbar, da jede Theologie ihrer eigenen Religionsgemeinschaft gegenüber verantwortlich ist. Und doch könnten die Institute in dem neuen Verbund so stark miteinander verzahnt sein, dass interreligiöse Forschungsprojekte möglich wären.
In einer zunehmend multireligiösen Gesellschaft sei es angebracht, „dass die abrahamitischen Theologien zeigen, dass sie eine gemeinsame Hermeneutik haben“, argumentiert ein Befürworter dieser großen Lösung. Nur so könne man die Theologien zukunftsfest aufstellen.
Studentenzahlen gehen zurück
Existenz und Größe der evangelischen Fakultät an der Humboldt-Universität sind zwar durch einen Staatsvertrag mit dem Land Berlin abgesichert. Doch auch Staatsverträge sind nicht in Stein gemeißelt. Die Studentenzahlen in den christlichen Theologien gehen aufgrund des demografischen Wandels und der Säkularisierung der Gesellschaft zurück. Die katholische Kirche musste bereits etliche Fakultäten schließen, und auch die evangelische Theologie hat mit Nachwuchssorgen zu kämpfen.
In einigen Städten wurden evangelische Fakultäten zu Instituten herabgestuft und unter Wahrung ihrer Rechte in die Philosophischen Fakultäten eingegliedert. Diese Entwicklung gibt auch den Protestanten an der Humboldt-Universität zu denken. Wenn jetzt die Islamische Theologie der Philosophischen Fakultät zugeschlagen würde, wäre das ein fatales Signal, sagen einige. Würden Protestanten, Katholiken, Muslime und jüdische Kollegen unter einem Dach forschen, wäre das ein Aufbruchsignal über Berlin hinaus – und die Theologie an der Humboldt-Universität könnte von elf auf 20 oder mehr Professoren anwachsen.
Doch die große Lösung ist sehr umstritten in der evangelischen Fakultät. Er halte nichts von einer „multireligiösen Mischfakultät, in der bekanntlich alle Katzen grau sind“, schreibt Dekan Christoph Markschies in der März-Ausgabe der theologischen Monatszeitschrift „Herder Korrespondenz“. Wenn sich der Islam, die katholische Kirche und das Judentum an der Humboldt-Universität engagieren würden, wäre das natürlich eine „Chance“ und man könnte auch über „institutionelle Formen der Zusammenarbeit“ nachdenken, aber mehr auch nicht. Es wäre die kleine Lösung.
Arbeitsgruppe soll Position ausloten
Die evangelische Fakultät mit ihren elf Lehrstühlen dürfe sich auf keinen Fall mit den anderen institutionell in Berlin kleiner aufgestellten Konfessionen auf eine Stufe stellen lassen. Das würde einer Herabstufung gleich kommen, und gerade dadurch würde die Position der Fakultät gefährdet werden, argumentieren andere Kollegen in Markschies’ Richtung.
Markschies weist außerdem auf die „erheblichen Schwierigkeiten“ hin, die mit der Etablierung der Islamischen Theologie einhergingen: Es gebe zu wenig akademisches Personal, das den universitären Maßstäben entspreche, die Zusammenarbeit mit den Islam-Verbänden habe sich schon an anderen Standorten islamischer Theologie als schwierig erwiesen. Zwischen Markschies’ Zeilen ist deutlich herauszulesen, dass er es nicht schlimm fände, wenn die Philosophische Fakultät und nicht er sich mit diesen Problemen herumschlagen müsste. Eine Arbeitsgruppe soll nun zügig ausloten, wie sich die evangelische Fakultät positioniert.
Der Senat kann sich beide Lösungen vorstellen, die kleine mit der Islamischen Theologie an der Philosophischen Fakultät, und auch die große. „Wenn sich die Humboldt-Universität, die Freie Universität die Kirchen und wir darauf verständigen könnten, hätten wir die Theologien unter dem Dach der Humboldt Universität versammelt. Das fände ich sehr interessant“, sagt Wissenschafts-Staatssekretär Steffen Krach. Durch diese Überlegungen, alle Theologien an der HU zusammenzuführen, dürfe sich aber nicht der Zeitplan für die Einführung der Islamischen Theologie nach hinten verschieben. „Wir wollen mit der Islamischen Theologie zügig starten, damit in wenigen Jahren die ersten Absolventen fertig sind.“ Auch einem Transfer der katholischen Theologie von der Freien Universität an die Humboldt-Universität stehe er offen gegenüber.
Neue Chance für die Katholische Kirche
Doch will das die katholische Kirche überhaupt? Im so genannten „abschließenden Protokoll“ hat das Land Berlin 1986 seine Absicht bekundet, der katholischen Kirche bei der Einrichtung von fünf Professuren an der Freien Universität zu helfen. Bislang blieb es bei zwei Lehrstühlen unter dem Dach der Geschichts- und Kulturwissenschaften, faktisch ist seit Jahren sogar nur eine volle Professur besetzt. Erzbischof Heiner Koch kämpft seit längerem für eine Aufstockung. Sein Vorgänger Kardinal Rainer Maria Woelki hatte sich für eine eigenständige katholische Fakultät in Berlin stark gemacht. Für den Fakultätsstatus sind im Allgemeinen mindestens sieben Professuren nötig.
Doch die Zahl katholischer Studenten hat sich in den vergangenen 20 Jahren halbiert, Seminare und Fakultäten mussten geschlossen werden. Wenn in Berlin eine neue Fakultät aufgebaut würde, müsste andernorts eine geschlossen werden, etwa die in Erfurt. Deshalb stieß Kardinal Woelki mit seinem Vorstoß für eine katholische Fakultät in Berlin auf viel Widerstand bei seinen Bischofskollegen.
Damals hatte freilich keiner geahnt, dass die Ansiedlung der Islamischen Theologie in Berlin auch für die katholische Kirche neue Chancen bieten würde. Leitende katholische Geistliche und Intellektuelle sprechen nun vom „Wind of Opportunity“ und vom „Kairos“, das man nutzen müsse. „Für die zusätzlichen Zukunftsperspektiven bin ich dankbar“, ließ Erzbischof Koch die Öffentlichkeit vor einer Woche wissen. Das klingt nicht gerade kämpferisch. Doch Koch weiß eben auch: Ohne die tatkräftige Unterstützung der Bischofskonferenz lässt sich einer großer Auftritt der katholischen Theologie in Berlin nicht stemmen.