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Marsflugkörper. Am Mittwoch veröffentlichte die chinesische Raumfahragentur CNSA ein erstes Bild, das der chinesische Mars-Rover „Zhurong“ nach der Landung auf dem Nachbarplaneten am vergangenen Samstag aufgenommen hat.
© CNSA/dpa
Update

Ein himmlischer Palast und ein Feuergott auf dem Mars: Chinas Raumahrt startet durch

Das Land wird zum begehrten Kooperationspartner in der Raumfahrt. Doch es gibt auch Bedenken. Und aktuell wurde ein Cargoflug zur zukünftigen Raumstation kurzfristig verschoben.

In der Raumfahrt ist China längst ein ernstzunehmender Akteur. Zwei aktuelle Ereignisse zeigen das deutlich. Ende April startete das Land das erste Modul für seine neue Raumstation „Tiangong“ („Himmlischer Palast“), die ab dem kommenden Jahr betrieben werden soll.

Für Donnerstag war bereits der nächste Flug geplant, um den Himmelspalast weiter auszustatten. Allerdings musste der Start der Trägerrakete  kurzfristig wegen technischer Probleme abgesagt werden. Ein neuer Termin wurde noch nicht bekannt gegeben.

Am vergangenen Wochenende gelang es chinesischen Fachleuten zudem beim ersten Versuch die Sonde „Tianwen-1“ auf dem Mars zu landen. Ein heikles Manöver, bei dem Europa bisher scheiterte. An Bord befindet sich der Rover „Zhurong“, benannt nach dem chinesischen Feuergott, der in der Region Utopia Planitia mindestens drei Monate lang arbeiten soll.

Ein fahrender Roboter auf dem Mars – das haben bisher nur die Amerikaner hinbekommen. Allerdings sind die aktuellen Nasa-Rover „Curiosity“ und „Perseverance“ deutlich größer und schwerer als Zhurong. Doch es ist wohl nur eine Frage der Zeit, dass die chinesischen Experten hier aufholen. Auch weitere Ziele wie eine Proben-Transfermission vom Mars zur Erde oder gar eine Mondstation, gemeinsam mit Russland, erscheinen realistisch.

Viel Geld, viel Personal, viel Erfolg

„Wenn sie etwas anpacken, dann mit viel Geld und personellem Einsatz und sie haben damit Erfolg“, sagt Günther Hasinger, Direktor für Wissenschaft bei der Europäischen Raumfahrtagentur Esa. Damit ist China ein interessanter Partner für hiesige Forscherinnen und Forscher. Nicht nur in der Raumfahrt, auch in der Grundlagenforschung von Teilchenphysik bis Kernfusion ist die Mischung aus reichlich Geldmitteln, immer besser werdenden Großgeräten und guter Personalausstattung attraktiv. Andererseits gibt es Bedenken, die vom Umgang mit Minderheiten im Land bis zu Fragen des geistigen Eigentums reichen.

Das zeigt sich auch in den gegenwärtigen Versuchen westlicher Raumfahrt-Akteure, Nähe und Distanz auszutarieren. Denn die wissenschaftlich-technischen Erfolge sind China sehr willkommen, um das politische Image des Landes aufzupolieren. Man wolle sich dafür nicht vereinnahmen lassen, antworten manche Fachleute auf eine Tagesspiegel-Anfrage zu den Kooperationen mit China und wollen nicht zitiert werden.

„Vieles ist anders als man es von der Esa oder der Nasa kennt“, sagt Ralf Jaumann von der Freien Universität Berlin. „Es dauert lange, bevor Detailinformationen etwa zu den Mondmissionen veröffentlicht werden.“ Die wissenschaftlichen Ergebnisse seien daher nicht wirklich einschätzbar, wenn sie nicht in Fachjournalen wie „Nature“ oder „Science“ publiziert würden. Denn diese Magazine verlangten, dass alle Messdaten und Bilder öffentlich zugänglich sind, damit Forscherkollegen diese prüfen können.

Aufnahme der "vorderen Hindernisvermeidungskamera" des chinesischen Mars-Rovers Zhurong.
Aufnahme der "vorderen Hindernisvermeidungskamera" des chinesischen Mars-Rovers Zhurong.
© CNS/CNSA/AFP

„Der restriktive Umgang mit den Daten ändert sich gerade“, sagt der Planetengeologe. Nachdem die Mission „Chang'e 5“ im Dezember rund zwei Kilogramm Mondgestein zur Erde gebracht hatte, wurden bald darauf internationale Kollegen eingeladen, diese zu erforschen. Eine Offenheit, die die Nasa gegenüber westlichen Partnern seit langem pflegt, jedoch nicht mit China: Kooperationen mit chinesischen Raumfahrtinstitutionen sind per Kongressbeschluss verboten.

Die Esa in der "Mittlerrolle"

Die chinesischen Forscher suchten sich wissenschaftliche Nischen, um in der Community ernst genommen zu werden, sagt Jaumann, beispielsweise der Probentransport aus einer geologisch jungen Mondregion zur Erde. „Das verspricht interessante Erkenntnisse, die das Apollo-Programm nicht liefern konnte.“ Im direkten Austausch seien die chinesischen Kollegen fachlich kompetent, nicht-wissenschaftliche Themen würden allerdings nicht zur Sprache kommen.

Der Esa-Direktor Hasinger fühlt sich in der China-Frage an den Umgang mit der damaligen Sowjetunion vor gut dreißig Jahren erinnert. „Im Kalten Krieg haben sich zwei Blöcke bewaffnet gegenüber gestanden und wir Wissenschaftler haben trotzdem kooperiert.“ So sei ein Experiment von seinem Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik (MPE) in Garching auf der russischen Raumstation „Mir“ geflogen.

Bereits 1975 hatten beim Apollo-Sojus-Test-Projekt ein russisches und ein amerikanisches Raumschiff im Erdorbit zeitweise gekoppelt. „Wissenschaft ist wesentlich, um zur Entspannung beizutragen“, sagt Hasinger. Bezogen auf China heißt das für ihn: „Man sollte sich auf das konzentrieren, was möglich ist, und sich nicht vorrangig von politischen Überlegungen leiten lassen.“

Der Esa-Direktor betont, dass die europäische Raumfahrtagentur mit allen anderen großen Agenturen zusammenarbeite: in den USA, in Russland, China und Japan. Damit komme ihr auch eine Mittlerrolle zu.

Zwei europäisch-chinesische Missionen

Aktuell werden zwei Missionen mit China vorangetrieben. „Smile“ (Solar wind-Magnetosphere-Ionosphere Link Explorer) soll das Weltraumwetter erforschen. China kümmere sich um Antrieb und Lageregelung, Europa um die wissenschaftliche Nutzlast, sagt Hasinger. Der Start ist für 2024 von Kourou in Französisch-Guyana aus geplant.

Noch einen Schritt weiter geht es bei „Einstein Probe“, einem Satelliten, der Veränderungen des Röntgenhimmels erfassen soll. China baut und startet den Satelliten, die Esa liefert Bauteile zu, die unter anderem vom MPE kommen. Die Mission soll Ende 2022 beginnen.

Es ist ein Balanceakt. „Wir wissen um die politischen Spannungen zwischen China und den USA“, sagt Hasinger. „Die USA sind unser primärer Partner, wir wollen die Beziehungen nicht gefährden. Aber auch China ist ein wichtiger Partner.“ In so einem „schwierigen Spannungsfeld“ sei der persönliche Austausch sehr wichtig, um Kooperationen voranzubringen. Wegen der pandemiebedingten Reisebeschränkungen seien die Beziehungen derzeit jedoch ins Stocken geraten. „Das gilt übrigens auch für die Nasa.“

Derzeit keine deutsch-chinesischen Raumfahrtpläne

So gibt es derzeit auch keine Fortschritte in der astronautischen Raumfahrt. 2017 hatten die Esa-Astronauten Matthias Maurer und Samantha Cristoforetti gemeinsam mit Raumfahrern in China trainiert. Mit dem Ziel, ab 2022 Europäer auf die chinesische Raumstation zu bringen, wie es damals hieß. „Im Moment finden diesbezüglich keine Verhandlungen statt“, erklärt das Europäische Astronautenzentrum auf Anfrage. Gemeinsame Trainings gebe es derzeit nicht. Über künftige Kooperationen werde sich die Esa „in den kommenden Monaten mit ihren Mitgliedsstaaten beraten“.

Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist zurückhaltend. „Zu den chinesischen Ambitionen im All äußern wir uns aktuell nicht“, erklärt es auf Anfrage. 2011 hatte das Zentrum mit dem Simbox-Inkubator biologische Experimente in der chinesischen Raumkapsel „Shenzhou 8“ geflogen. Derzeit bestünden in der Raumfahrt keine Kooperationen mit dem Land, heißt es weiter.

In der Raumfahrtindustrie sind die Unternehmen besonders vorsichtig, wenn es um Aufträge für China geht. Einerseits werde befürchtet, dass Hightech-Lösungen studiert und später nachgebaut werden, sagt ein Branchenkenner.

Zum anderen schauten die USA sehr genau hin, wer mit China zusammenarbeite. „Der kann Aktivitäten in den USA vergessen“, sagt ein Branchenkenner aus der Raumfahrt. Denn Bauteile aus der Raumfahrt fielen oft in eine „Dual Use“-Kategorie, könnten also auch militärisch genutzt werden wie zum Beispiel Sensoren. In diesem sensiblen Umfeld müsse man sich für eine Seite entscheiden.

Schicksal des Cargoflugs vorerst unklar

Nach der Verschiebung des unbemannten Cargofluges zum Hauptteil der zukünftigen chinesischen Raumstation ist das Schicksal der Mission des Frachters „Tianzhou 2“ vorerst unklar. 

Nur wenige Minuten vor dem Start war der Flug am Mittwochabend MESZ wegen technischer Probleme plötzlich abgesagt worden. Wie Chinas Raumfahrtprogramm anschließend nur kurz mitteilte, soll über einen neuen Starttermin später entschieden werden.

Am Tag nach dem Rückschlag schwiegen offizielle Stellen am Donnerstag aber über das weitere Vorgehen.  (mit dpa)

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