Kritik an mangelnder Transparenz: Bundesregierung skeptisch bei möglichem Corona-Impfstoff aus China
Nicht nur in China werden gerade viele Hoffnungen in Totimpfstoffe gegen SARS-CoV-2 gesetzt. Doch die Risiken sind bislang ungeklärt.
Die Bundesregierung ist skeptisch gegenüber chinesischen Forschungen an Totimpfstoffen gegen SARS-CoV-2. Das geht aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor, die Tagesspiegel Background vorliegt.
Es sei derzeit wichtig, heißt es in der Antwort, „ein möglichst breites Portfolio von Impfstoffkandidaten mit unterschiedlichen Ansätzen zu beforschen“, allerdings müsse der Einsatz von Totimpfstoffen zur Covid-19-Prophylaxe „sorgfältig abgewogen werden“. Reinhard Houben, wirtschaftspolitischer Sprecher des FDP-Bundestagsfraktion und Einreicher der Frage, bezeichnet die „Skepsis der Bundesregierung gegenüber Forschungsergebnissen aus der Volksrepublik China“ als „berechtigt“.
In den Vorbemerkungen der Kleinen Anfrage verweist er auf die Abhängigkeit Deutschlands von China, die sich in den vergangenen Monaten insbesondere bei Schutzausrüstungen, aber auch bei Medikamenten, gezeigt habe. Auch bei Impfstoffen sei nun zu befürchten, dass der Zugang für Deutschland und Europa nur „verzögert und zu enormen Kosten erfolgen wird“.
Die Anfrage spiegelt damit auch Houbens Befürchtung wider, die Bundesregierung könnte zu leichtfertig auf Entwicklungen aus China setzen.
[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Krise live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple-Geräte herunterladen können und hier für Android-Geräte.]
Ende April verkündete das chinesische Unternehmen Sinovac Erfolge mit einem SARS-CoV-2-Totimpfstoff, der bei Rhesusaffen für eine Immunreaktion gesorgt habe. Allerdings können für Totoimpfstoffe gegen eine Covid-19-Erkrankung bislang bestimmte Risiken noch nicht ausgeschlossen werden: So etwa Komplikationen durch infektionsverstärkende Antikörper (ADE) oder auch eine sogenannten Enhanced respiratory disease (ERD) – damit wird der Effekt bezeichnet, dass der Kontakt mit einem Virus nach einer Impfung dagegen zu einem schwereren Krankheitsverlauf führt als ohne Impfung.
Mehr zum Coronavirus:
- Virus in Grafiken: Wie das Coronavirus den Körper befällt
- Mundschutz selber machen: Eine Anleitung zum Basteln einer Atemschutzmaske
- Haben Sie Fragen zum Coronavirus? Unser Chatbot „Corona-Navi“ hat die Antworten
Auf diese Risiken verweist nun auch Sabine Weiss (CDU), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium in der Antwort auf die FDP-Anfrage. Zudem führt sie die „in aller Regel moderate Eignung zur raschen Induktion einer robusten und anhaltenden Immunantwort mit möglichst wenigen Impfdosen in Notfallsituationen“ an.
„Für die Herstellung eines inaktivierten Totimpfstoffs im industriellen Maßstab ist zudem der Umgang mit sehr großen Mengen an infektiösem SARS-CoV-2-Virus notwendig“, so Weiss weiter. „Dies macht sehr hohe Sicherheitsmaßnahmen bei der Impfstoffproduktion notwendig. Solche Produktionsrisiken bestehen bei den alternativen Impfstofftechnologien nach Kenntnis der Bundesregierung nicht.“
Kaum Daten aus China
Aus der Antwort geht ebenso hervor, dass die Bundesregierung offenbar kaum Informationen aus China zur dortigen Entwicklung von Impfstoffen bekommt. Auf die Frage Houbens, wie sie die von dort gemeldeten Erfolge gegen die Pandemie, insbesondere mit Blick auf die Vakzin-Forschung, bewertet, heißt es, dass „eine Beurteilung nur auf Basis vollständiger wissenschaftlicher Daten erfolgen“ könne. „Solche Daten liegen nicht vor.“
Vergangene Woche wurde bekannt, dass Deutschland zusammen mit den Niederlanden, Italien und Frankreich die Entwicklung eines SARS-CoV-2-Impfstoffes beschleunigen will, „damit die gesamte europäische Bevölkerung, insbesondere die am stärksten gefährdeten Menschen, von einem Impfstoff profitieren kann“ – eine Allianz, die auch vor einer Dominanz Chinas und der USA bei der Vakzinentwicklung schützen soll.
In ihrer Antwort auf die FDP-Anfrage bekennt sich die Regierung indes dazu, in Europa entwickelte Impfstoffe weltweit zur Verfügung zu stellen. „Die Bundesregierung setzt sich für einen globalen Zugang zu Impfstoffe ein“, man wolle in jedem Fall „die weltweite Verfügbarkeit frühzeitig sicherstellen“.