Der Kampf lohnt sich: Brustkrebs ist beherrschbar – bisweilen aber heimtückisch
In den meisten Fällen kann Brustkrebs heute besiegt werden. Doch jeder kennt Beispiele dafür, dass es auch anders kommen kann.
Am häufigsten wird die Diagnose Brustkrebs bei Frauen gestellt, die gerade ins Rentenalter eingetreten sind. Doch mit knapp 70.000 Neuerkrankungen pro Jahr ist dieser gefürchtete Tumor nicht nur die häufigste Krebserkrankung, die Frauen trifft, sondern sie schlägt im statistischen Mittel auch früher zu als die meisten anderen: Jede zehnte betroffene Frau ist noch nicht 45, wenn sie und ihre Familie mit der Diagnose konfrontiert werden.
„Für die Biologie und die Aggressivität von Brustkrebs gibt es keine Altersgrenzen“, sagt Michael Untch, Chefarzt der Frauenklinik und Leiter des Interdisziplinären Brustzentrums im Helios-Klinikum Berlin-Buch.
Bei einigen Frauen liegen Brust- und Eierstockkrebs in der Familie, dann sind meist auch schon die Mutter, Tanten, Schwestern oder Cousinen in jungen Jahren erkrankt. Die bekannten Brustkrebs-Gene BRCA 1 und 2 stehen mit fünf bis zehn Prozent aller Erkrankungen in Zusammenhang, weitere „Kandidaten“-Gene stehen im Verdacht, das ebenfalls zu tun. In den Beratungsstellen des Deutschen Konsortiums für Familiären Brust- und Eierstockkrebs kann Rat zur Testung eingeholt werden.
Mammographie erst ab 50 Jahren sinnvoll
Die Röntgen-Reihenuntersuchung, das Mammographie-Screening, wird heute erst Frauen ab 50 Jahren angeboten. Grund dafür ist nicht nur, dass Brustkrebs bei jungen Frauen seltener ist. Ihr Brustgewebe ist auch meist zu dicht und zu fest, um Tumorgewebe im Röntgenbild gut sichtbar zu machen, dazu kommt die (allerdings geringe) Strahlenbelastung. Dennoch hält es Untch für nötig, das Screening auch Frauen ab 40 zu ermöglichen, so wie es in anderen Ländern bereits Praxis ist.
Neben der Möglichkeit, die Brüste regelmäßig selbst abzutasten, ist für jüngere Frauen die jährliche Untersuchung bei Frauenärztin oder Frauenarzt vorgesehen. „Wenn Ihnen ein Knoten, eine Absonderung aus der Brust oder eine Verformung der Haut auffällt, sollten Sie sich beim Frauenarzt melden“, rät Untch. Im Ultraschall lässt sich gut erkennen, ob es sich um eine gutartige Zyste handelt – das ist der harmlose, glücklicherweise aber auch der häufigere Fall.
Und wenn es doch Brustkrebs ist? Dann gibt es heute eine ganze Palette von Behandlungsmöglichkeiten, die meist miteinander kombiniert werden. Wie die beste Strategie für die einzelne Frau aussehen könnte, darüber berät in den zertifizierten Brustzentren in Tumorkonferenzen ein interdisziplinär zusammengesetztes Ärzteteam. Neben dem Befund an der Brust selbst ist die molekulare Unterform der jeweiligen Erkrankung entscheidend.
Bei der Operation wird heute nach Möglichkeit angestrebt, die Brust zu erhalten. Danach erfolgt meist eine Bestrahlung. Wenn eine Chemotherapie nötig ist, dann ist sie in einigen Fällen heute der erste Behandlungsschritt, noch vor dem operativen Eingriff. Diese Chemotherapie-Form heißt „neoadjuvant“.
Neue Therapien aus dem Wissen um die molekularen Vorgänge in Krebszellen
Zum Einsatz kommen heute auch zielgerichtete Therapien mit Methoden aus der Molekularbiologie. Sie richten sich gegen bestimmte Botenstoffe, blockieren Bindestellen für Botenstoffe, hemmen Signalwege innerhalb der Zellen und beeinflussen so das Wachstum des Tumors und von Blutgefäßen, die er für die Versorgung braucht.
Für das Vorgehen ist aber auch entscheidend, ob die Zellen des Tumors über Antennen für den Wachstumsfaktor HER2 verfügen, vor allem aber für weibliche Geschlechtshormone. Denn dann kommen weitere Medikamente zum Einsatz. Bei „hormonrezeptor-positivem“ Brustkrebs sind das Mittel, die dem Hormoneinfluss entgegen wirken.
Für die betroffenen Frauen ist wohl eine der wichtigsten Fragen: Brauche ich eine Chemotherapie?
In zwei Fällen ist der Weg aus medizinischer Sicht klar vorgezeichnet: Erstens wenn der Tumor klein ist und Antennen für weibliche Geschlechtshormone hat, dagegen keine für HER2, und wenn die Lymphknoten nicht befallen sind. Dann ist eine Chemotherapie unnötig. Eine gegen die Hormone gerichtete Therapie mit Tabletten reicht aus.
Ist der Tumor groß , sind schon mehrere Lymphknoten befallen und haben die Zellen keine Antennen für Östrogen und Progesteron, aber für den Wachstumsfaktor HER2, wachsen sie schnell und ist der Anteil der Zellen, die sich vermehren, im Tumor hoch, dann ist eine Chemotherapie nötig, eventuell in Kombination mit einer Antikörpertherapie, um trotz einer ungünstigen Ausgangslage die Chancen auf Heilung zu erhöhen.
Brustkrebs: Der Kampf lohnt sich
Bei bestimmten „mittleren“ Risikokonstellationen ist für die behandelnden Ärzte die Abwägung dagegen schwierig. Als Hilfsmittel für die Entscheidung stehen seit einigen Jahren Tests zur Verfügung, mit denen nach einer Reihe von charakteristischen Biomarkern im Tumorgewebe gefahndet werden kann.
Fällt der Score niedrig aus, dann kann in bestimmten Fällen auf die Behandlung mit zellgiftigen Substanzen verzichtet werden. Einer der Tests, Oncotype DX, hat vor kurzem nach einem positiven Votum des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) die Kassenzulassung erhalten. Grundlage war die TAILORx-Studie, deren Ergebnisse im Juli letzten Jahres im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurden.
Bestrahlungen und alle Medikamente, die zur Behandlung in Betracht kommen, sollen auch die gefürchteten Rückfälle verhindern, also Krebs in der Brust selbst oder Absiedlungen im Körper. Leider ist Brustkrebs eine Erkrankung, die sich im Einzelfall noch nach Jahrzehnten zurückmelden kann.
Nach der sonst üblichen 5-Jahres-Frist gibt es deshalb noch keine Entwarnung: Laut Statistik des Robert Koch-Instituts überleben heute 88 von 100 erkrankten Frauen die ersten fünf Jahre, 82 sind nach zehn Jahren noch am Leben. Frauen, die eine Brustkrebs-Behandlung hinter sich haben, bangen also lange.
Doch es stimmt, was der Arzt und SPD-Politiker Karl Lauterbach jetzt aus aktuellem Anlass sagte: Glücklicherweise besiegen heute die meisten Frauen den Brustkrebs. Das Kämpfen lohnt sich. „Es ist deshalb vorbildlich, dass eine Ministerin ihre Erkrankung so offen kommuniziert“, sagt Michael Untch.