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In der Welt zu Hause. Gegner englischsprachiger Unis sagen, diese seien "erkenntnis- und demokratiefeindlich".
© Patrick Pleul/picture alliance / dpa

Englisch als Wissenschaftssprache: Broken English an der Uni

Die Wissenschaftsstadt Berlin gibt sich international. Doch im Bachelor spricht man fast nur Deutsch. Ist das gut so?

An der Süddänischen Universität in Oddense kann man 14 Bachelor-Studiengänge auf Englisch studieren. An der Universität Groningen in den Niederlanden sind es 26 und in Amsterdam immerhin neun. „International programmes“ sind in den großen Unistädten der Nachbarländer seit vielen Jahren etabliert. Auch Berlin pflegt ein Image als weltoffene Wissenschaftsstadt, das Stichwort Internationalisierung ist fest in den Hochschulverträgen verankert. Doch die großen staatlichen Unis der Hauptstadt bieten gerade einmal einen grundständigen englischsprachigen Studiengang an – naheliegenderweise in „Nordamerikastudien“ an der Freien Universität. Ansonsten ist die weltweit wichtigste Wissenschaftssprache in den Hörsälen nur selten zu hören.
Nimmt man die Privathochschulen hinzu, bietet Berlin zehn Prozent aller Studiengänge auf Englisch an. 22 im Bachelor – die meisten davon in Business und Management – und 107 im Master, wo mehr fachliche Vielfalt herrscht. Dass mehr Master als Bachelor auf Englisch angeboten werden, sei international üblich, erklärt Angela Ittel, Vizepräsidentin für Internationales an der TU: „Masterstudierende beherrschen bereits die wichtigsten Techniken wissenschaftlichen Arbeitens. Es fällt ihnen leichter, sich auch in einer Fremdsprache an der Uni zurechtzufinden.“

Englisch könnte Studierende und Lehrende überfordern

Doch es gibt auch sprachpolitische Hürden. Zwar erlaubt das Berliner Hochschulgesetz, dass Lehre und Prüfungen in geeigneten Bachelorfächern „ganz oder teilweise in fremdsprachlicher Form durchgeführt werden“. Die Präsidien der großen Berliner Unis richten sich aktuell aber nach der Empfehlung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), nach der die grundständige Lehre „in der Regel deutschsprachig sein“ sein soll. Englischsprachige Angebote könnten Lehrende und Studierende im Bachelor überfordern. Zudem könnte die „Qualität der wissenschaftlichen Debattenkultur“ leiden. Auf Nachfrage erklären die Unis denn auch, neue englischsprachige Bachelorstudiengänge seien in absehbarer Zeit nicht geplant – trotz der international großen Nachfrage, die TU-Vize Ittel registriert.

Die TU München will den Master fast komplett auf Englisch anbieten

Bei Master-Studiengängen ist laut HRK „eine größere Varianz möglich und sinnvoll“. Allerdings müssen ausländische Studierende laut Berliner Hochschulgesetz ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache nachweisen, auch dann, wenn ihr Studiengang auf Englisch stattfindet. „Wir haben uns aber mit der Wissenschaftsverwaltung darauf geeinigt, dass Studierende sich die Deutschkenntnisse auch während des Studiums aneignen können“, sagt Michael Kämper-van den Boogaart, Vizepräsident für Internationales der Humboldt-Universität.
Andere Metropolen sind auch beim Master weiter als Berlin. Die Technische Universität Mailand stellt seit 2014 sämtliche Masterstudiengänge auf Englisch um, die TU München will bis 2020 nachziehen, mit Ausnahme der Lehramts- und Medizinmaster. „Englisch ist längst die Arbeitssprache der Wissenschaft“, begründet das TUM-Präsident Wolfgang A. Herrmann. In den Ingenieurwissenschaften gebe es viele Fachbücher nur noch auf Englisch, ebenso sei Englisch die Verkehrssprache in der Wirtschaft.

"Ohne Fachenglisch leiden die Berufschancen"

Die Studierenden selbst hätten daher die Umstellung der Masterstudiengänge gefordert. „Ihre Berufschancen wären massiv eingeschränkt, wenn sie das Fachenglisch nicht beherrschten.“ Insgesamt liegt Deutschland bei der sprachlichen Internationalisierung der Studiengänge im EU-Vergleich im unteren Mittelfeld. Das ergab 2014 eine Studie des in Brüssel ansässigen Thinktanks „Academic Cooperation Association“ (ACA). Demnach hat sich die Zahl der englischsprachigen Studiengänge in Europa seit 2007 mehr als vereinfacht. In Deutschland werden sechs Prozent aller Studiengänge auf Englisch angeboten, darin ist aber nur ein Prozent aller Studierenden eingeschrieben. In Dänemark laufen bereits 40 Prozent aller Studiengänge auf Englisch, zwölf Prozent der Studierenden sind in ihnen immatrikuliert. Auch die Niederlande, Zypern, Schweden und Finnland schneiden gut ab im ACA-Ranking. „Länder mit kleinen Sprachen haben eine größere Notwendigkeit, ihre Unis auf die verbreitete Wissenschaftssprache umzustellen“, sagt Bernd Wächter, Geschäftsführer von ACA und Autor der Studie. Deutschland und Berlin hätten bislang wenig Druck gehabt, da viele Internationale sich die Mühe machten, Deutsch zu lernen. „Das kann am attraktiven Arbeitsmarkt in Deutschland liegen, am kostenlosen Bildungssystem oder auch am positiven Image Berlins in der Welt.“

Die deutschen Hochschulen stehen unter Druck

Gleichwohl sieht Wächter deutsche Hochschulen unter zunehmendem Druck, die englischsprachigen Angebote massiv auszubauen. Für Berlin empfiehlt er sogar „eine große englischsprachige Uni“. „Das wäre mutig und zukunftsträchtig. Sie würde die besten internationalen Köpfe anziehen, weil die Sprachbarriere wegfiele.“ TU-Vizepräsidentin Ittel hält die Idee, ihre Uni auf Englisch umzustellen, langfristig für grundsätzlich sinnvoll. „Gerade in den technischen Fächern läuft die relevante Forschung fast nur noch auf dieser Sprache, und auch im Berufsleben wird Englisch immer wichtiger.“ Momentan sei ein solcher radikaler Wechsel aus organisatorischen Gründen aber nicht erstrebenswert und umsetzbar. „Es wäre weder möglich noch fair, das akademische Personal zu einer bestimmten Sprache zu zwingen.“ Die TU wolle nun zunächst die Lehrenden für die Umstellung gesamter Studiengänge im Master oder einzelner Lehrveranstaltungen im Bachelor sprachlich fit machen.

"Deutschsprachige Texte sind wichtig für das Weltverständnis"

HU-Vize Michael Kämper-van den Boogaart sieht für die Geisteswissenschaften ein weiteres Problem: „In diesem Bereich sind deutschsprachige Texte auch international enorm wichtig für das Fach- und Weltverständnis. Die Studierenden sollten daher die deutsche Wissenschaftsterminologie weiterhin lernen und nutzen.“ Absolventen der Lehramtsstudiengänge und der Rechtswissenschaften arbeiteten zudem später so gut wie ausschließlich auf Deutsch. Eine andere Sprache komme für diese Fächer daher nicht in Frage.
Der „Arbeitskreis Deutsch als Wissenschaftssprache“ (ADAWIS) hält die Idee einer englischsprachigen Uni für „erkenntnis-, demokratie- und integrationsfeindlich“. Solche Ansätze kapselten die Wissenschaft von der Gesellschaft ab, da die Eliten plötzlich in einer anderen Sprache als der Rest der Gesellschaft kommunizierten, sagt Hermann H. Dieter, stellvertretender Vorsitzender von ADAWIS. Er plädiert dafür, dass mehrere Sprachen im Studium parallel genutzt werden, wobei dem Deutschen eine hervorgehobene Rolle zukommen soll.

Die Landessprache ist wichtig, um ein Verständnis für die Kultur zu entwickeln

Auch Enno Aufderheide, Vorstand der Alexander von Humboldt Stiftung zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit in der Forschung, sieht Probleme: „An einer rein englischsprachigen Uni erfahren die Studierenden keine Bindung an Deutschland.“ Die Landessprache sei wichtig, um sich mit einer Gesellschaft zu vernetzen und um ein Verständnis für ihre Kultur zu entwickeln. Aber wären englischsprachige Studiengänge womöglich eine Alternative für studierwillige Flüchtlinge? Eher nicht, sagte Baris Ünal von der Studienberatung der TU Berlin kürzlich bei einer Anhörung im Abgeordnetenhaus. Die englischen Master an der TU seien von den Geflüchteten kaum gefragt. „Die meisten wollen auf Deutsch studieren.“ Viele der Neuankömmlinge könnten kaum besser Englisch als Deutsch.

Dänemark und Schweden verdienen mit englischsprachigen Studiengängen

Für die europäischen Spitzenreiter ist die englischsprachigen Lehre indes seit einigen Jahren auch eine Einnahmequelle: In Dänemark und Schweden zahlen Studierende, die nicht aus der EU oder dem Europäischen Wirtschaftsraum kommen, bis zu 16.000 Euro im Jahr. Auch Finnland nimmt von außereuropäische Studierenden ab 2017 Gebühren, wenn sie in anderen Sprachen studieren als Finnisch oder Schwedisch.

Bernd Wächter vom ACA hält dieses Modell auch für Deutschland für „zumindest bedenkenswert“: So könnten die positiven Effekte der Internationalisierung genutzt werden, gleichzeitig fließe Geld zurück ins System. „Man könnte auch über Rückerstattungen nachdenken, falls die ausländischen Absolventen in Deutschland einen Job finden.“ Widerspruch kommt vom Bundesverband ausländischer Studierender. „Die besten Köpfe sind nicht automatisch die reichsten“, sagt Geschäftsführer Johannes Glembek. Die Gebührenfreiheit sei „eines der größten Argumente für Deutschland“. Tatsächlich ging die Zahl der Bewerber für international ausgerichtete Studiengänge in Schweden nach der Gebühreneinführung 2011 dramatisch zurück.

Luisa Hommerich

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