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Man spricht Englisch. Ausländische Studierende und Wissenschaftler an deutschen Hochschulen und Instituten sind enttäuscht, wenn sie Deutschkenntnisse nicht nutzen können.
© picture-alliance /dpa/dpaweb

Deutsch als Wissenschaftssprache: Kampf dem Globalesisch

Englisch ist die Weltsprache der Wissenschaft. Kritiker sehen das Deutsche in Forschung und Lehre bedroht. Verschiedene Initiativen setzen sich dafür ein, dass an den Hochschulen und in Laboren neben der lingua franca auch Deutsch gesprochen und geschrieben wird.

Deutsche Forscher können in der scientific community mitreden. Englisch, die lingua franca der globalisierten Wissenschaft, beherrschen die allermeisten so gut, dass sie ihre Vorträge bei internationalen Konferenzen problemlos in der Fremdsprache halten können. Viele schreiben auch ihre Aufsätze selbstverständlich auf Englisch. Denn gerade in den Natur-, Lebens- und Technikwissenschaften würden ihre Publikationen ansonsten gar nicht zählen, nicht in weltweiten Rankings, aber vielfach auch nicht mehr im deutschen oder europäischen Wettbewerb um Rangplätze und Fördermittel. Zu Recht sind Professorinnen und wissenschaftliche Mitarbeiter stolz auf ihr gutes Englisch, in dem sie auch fließend small talk mit Gästen aus aller Welt machen. Wer dagegen in der wissenschaftlichen Kommunikation auf dem Deutschen beharrt, steht im Verdacht, des Englischen nicht wirklich mächtig zu sein – und erscheint rückwärtsgewandt. Oder aber er verbindet eine sprachpolitische Botschaft damit.

Tatsächlich sind aus der Wissenschaft immer dringlichere Aufrufe zu hören, „Deutsch als Wissenschaftssprache“ zu retten. Ein Arbeitskreis dieses Namens verfasst seit Jahren Petitionen, macht Lobbyarbeit in Hochschulen, Wissenschaftsorganisationen und Ministerien. Der Kern der Botschaft: Das Englische habe zwar große Bedeutung als internationale Verständigungssprache, doch dies dürfe nicht dazu führen, dass das Deutsche „auch im Inland aus dem Wissenschaftsbetrieb verdrängt und damit für die Vermittlung ganzer Wissensgebiete unbrauchbar wird“. Das Wissenschaftsenglisch, das von Nicht-Muttersprachlern gesprochen wird, geht den Vorkämpfern ohnehin gegen den Strich. Der Berliner Sprachwissenschaftler Jürgen Trabant nennt es verächtlich „Globalesisch“.

Eines der zentralen Argumente ist ein sprachwissenschaftliches. Die Beschränkung auf Englisch als lingua franca bedeute eine kognitive Einschränkung. Konzepte sind an oft unübersetzbare Begriffe gebunden. Ein Beispiel aus der Kunstwissenschaft: Übersetzt man Gestaltung mit design, bedeutet das eine Verflachung.

Die Kampagne zeigt erste Erfolge. So haben sich der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und die ebenfalls im wissenschaftlichen Austausch aktive Alexander-von-Humboldt-Stiftung ebenso wie die Hochschulrektorenkonferenz in jüngster Zeit verpflichtet, sich verstärkt für die Pflege des Deutschen einzusetzen.

Doch selbst auf nationalen Konferenzen werde weiterhin auch dann auf Englisch referiert und publiziert, wenn die Teilnehmer durchweg deutschsprachig sind, beklagen die Aktivisten. Und in internationalen Studiengängen und Graduiertenschulen der Unis gibt es die geforderten obligatorischen Deutschkurse noch nicht. Neuer Schwung soll von einer Initiative der Volkswagen-Stiftung ausgehen, Wissenschaftler und Politiker miteinander ins Gespräch zu bringen. Herausgekommen ist jetzt das Buch „Deutsch in der Wissenschaft“. Bei der Buchvorstellung am Montagabend in Berlin warnte der Präsident des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann, die deutsche Wissenschaft vor der Selbstaufgabe: „Je weniger in der Wissenschaft Deutsch gesprochen wird, um so weniger wird die Gesellschaft über Wissenschaft sprechen.“ Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse hebt in seinem Beitrag zum Buch hervor, dass der Kontakt zwischen der Wissenschaft und dem Bürger durch die Anglisierung verloren geht. Denn die wissenschaftliche Elite in Deutschland hege „ein Verhältnis der Verachtung“ für ihre Muttersprache.

"Der Zug ist abgefahren", sagt eine Lebenswissenschaftlerin.

Dies dürfte die Zoologin Brigitte Jockusch (TU Braunschweig) kaum gelten lassen. Schmerzlich spürt sie den Verlust der Kommunikationsfähigkeit, wenn deutsche Zellbiologen sich ausschließlich auf Englisch an der Fachdiskussion beteiligen können. In internationalen Publikationen würden deutsche Beiträge häufig nur deshalb abgelehnt, weil sie sprachlich nicht dem Standard entsprächen.

Jockusch beklagt auch das „bad english“, in dem deutsche Professoren in rein englischsprachigen Studiengängen in Deutschland lehren. Die Braunschweiger Zoologin beschreibt die Enttäuschung zweier Biologiestudentinnen aus China, die zu Hause zwei Jahre lang Deutsch gelernt hatten, es an der deutschen Uni aber kaum anwenden konnten. Unter den gegebenen finanziellen und zeitlichen Bedingungen für Studierende und Nachwuchswissenschaftler könne man aber nicht von allen verlangen, die Landessprache zu erlernen. Und für deutsche Lebenswissenschaftler wäre es aussichtslos und geradezu karriereschädigend, bei Konferenzen oder Publikationen zum Deutschen zurückzukehren. „Der Zug ist abgefahren“, schreibt Jockusch. Doch Restbestände sollten durchaus verteidigt werden. Forscher müssten sich etwa wehren, wenn Fachzeitschriften sogar das bloße Zitieren deutschsprachiger Aufsätze in auf Englisch verfassten Artikeln verbieten.

Sind also die Geisteswissenschaften die Domäne, in der Deutsch als Wissenschaftssprache wächst und gedeiht? Für die deutsche Kunstwissenschaft jedenfalls galt einst, was Erwin Panofsky noch im amerikanischen Exil sagte: „The mother language of art history is German.“ Doch der Aderlass durch die Verfolgung jüdischer Wissenschaftler im Nationalsozialismus führte dazu, dass auch in dieser Disziplin Englisch allmählich die dominante Sprache wurde, wie Horst Bredekamp (Humboldt-Universität) erklärt. Gleichzeitig galt aber im Weltverband der Kunstgeschichte ab 1945 eine strikte Mehrsprachigkeit. Auf internationalen Kongressen sollten vier Sprachen ohne Dolmetscher verwendet werden – Englisch, Deutsch, Italienisch und Französisch; später wurde noch Spanisch ergänzt. Doch seit gut zehn Jahren sei in seiner Zunft wie in weiten Teilen der Geisteswissenschaften wieder eine Verengung auf das Englische zu beobachten. Bredekamps Hoffnung: Durch die Monolingualisierung „provinzialisieren“ sich die englischsprachigen Geisteswissenschaften. Eines Tages müssten sie wieder fremde Sprachen – auch Deutsch – lernen, um konkurrenzfähig zu werden.

Dass ihr Anliegen, Deutsch als Wissenschaftssprache zu forcieren, provinziell sein könnte, darauf kommen die Initiatoren gar nicht. Alle plädieren „für die Mehrsprachigkeit: für Deutsch als Wissenschaftssprache unter anderen Sprachen“, wie Goethe-Chef Lehmann sagt.

Heinrich Oberreuter, Wilhelm Krull, Hans Joachim Meyer, Konrad Ehlich (Hg.): Deutsch in der Wissenschaft. Ein politischer und wissenschaftlicher Diskurs. Olzog Verlag, München, 2012. 288 S., 29,90 €

Der Arbeitskreis Deutsch als Wissenschaftssprache und die Freie Universität Berlin laden für den 29. Januar 2013 um 19 Uhr zu einer Podiumsdiskussion über "Die Sprache von Forschung und Lehre" ein. Ort: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Eingang Jägerstraße 22-23 (Berlin-Mitte).

Amory Burchard

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