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Eine Molekularbiologin mit Schutzbrille begutachtet eine Probe.
© imago/Science Photo Library

Frauen und Männer in der Wissenschaft: Brillanz hat ein Geschlecht

Je mehr Genie-Kult ein Fach betreibt, desto geringer ist dort der Anteil von Frauen. Damit erklärt Princeton-Philosophin Sarah-Jane Leslie jetzt das "gender gap" in einigen wissenschaftlichen Disziplinen.

Bekanntermaßen sind Mathematik, Natur- und Technikwissenschaften in der westlichen Welt vor allem Männersache, die Kulturwissenschaften hingegen in erster Linie Frauensache. Allerdings ist das nicht durchgängig so, es gibt markante Abweichungen. In manchen Naturwissenschaften forschen durchaus hohe Anteile von Wissenschaftlerinnen. Und in den Kulturwissenschaften gibt es Fächer, die deutlich höhere Männerquoten aufweisen als andere. Was macht Fachgebiete zu Männer- oder zu Frauendomänen?, haben US-amerikanische Wissenschaftler um die Philosophin Sarah-Jane Leslie (Princeton) und den Psychologen Andrei Cimpian (Illinois) gefragt.

Das Ergebnis ist nun im Fachmagazin „Science“ veröffentlicht. Sind die Vertreter eines Faches mehrheitlich davon überzeugt, Erfolg auf ihrem Gebiet könne ohne ein „angeborenes Talent“, ohne eine „natürliche Brillanz“, kaum erzielt werden, ist der Anteil von Frauen auf diesem Gebiet besonders klein. In Disziplinen, in denen der Genie-Kult weniger ausgeprägt ist, sind die Frauenanteile höher. Dies führen die Forscher darauf zurück, dass angeborene geistige Begabung typischerweise mit Männern assoziiert werde, während sie Frauen gemeinhin abgesprochen werde.

In der Philosophie ist der Glaube an "angeborene Begabung" am höchsten

Die Wissenschaftler befragten 1820 Professoren, Postdoktoranden, Doktoranden und Master-Studierende aus dreißig verschiedenen Fächern von verschiedenen amerikanischen privaten und öffentlichen Hochschulen. Mit besonderem Interesse widmeten sie sich der Lage in Naturwissenschaften mit hohen Frauenanteilen und Kulturwissenschaften mit hohen Männeranteilen. So waren etwa die Hälfte der Doktoranden in Molekularbiologie und Neurowissenschaften weiblich, aber weniger als 20 Prozent der Doktoranden in Physik und Informatik. In Kunstgeschichte und Psychologie betrug der Anteil der Doktorandinnen über 70 Prozent, aber in Wirtschaft und Philosophie lag er unter 35 Prozent. Die Forscher baten die Teilnehmer der Studie etwa zu erklären, wie stark sie selbst der Aussage zustimmen: „Ein Spitzenforscher auf meinem Feld braucht eine spezielle Eignung, die man nicht erwerben kann“, und wie hoch sie die Zustimmung zu dieser Aussage unter ihren Kollegen einschätzen.

"Frauen sind unterrepräsentiert in Brillanz-erfordernden Fächern"

In diesen und allen anderen untersuchten Disziplinen sei das „gender gap“ mit dem Glauben der Fachvertreter an angeborenes Talent zu erklären, schreiben die Forscher: „Frauen sind unterrepräsentiert in Brillanz-erfordernden Fächern.“ In keinem Fach herrscht demnach ein so hoher Glauben an „angeborene Begabung“ wie in der Philosophie, in einigem Abstand folgen Mathematik und Musik (Komponieren) sowie Physik. Diese Fächer haben niedrige Anteile von Doktorandinnen. Und besonders viele Fachvertreter stimmten der Aussage zu: „Obwohl es politisch nicht korrekt ist, das zu sagen, sind Männer in meiner Disziplin oft besser geeignet als Frauen, um anspruchsvolle Arbeit zu leisten.“

Fachkulturen, die auf Frauen abschreckend wirken

Auf Frauen könnte eine solche Fachkultur wenig einladend wirken, schreiben Leslie und Cimpian. Tatsächlich könnten sie aufgrund der Vorurteile behindert werden. Haben sie die Stereotype internalisiert, könnten sie zu dem Schluss kommen, dass eine Laufbahn in einem solchen Fach für sie nicht infrage kommt.

Am wenigsten angeborenes Talent verlangen nach Ansicht ihrer Fachvertreter demnach die Erziehungswissenschaft sowie die Psychologie, beides Fächer mit vielen Doktorandinnen (um 70 Prozent). Auch in Molekularbiologie sind die Fachvertreter weniger der Meinung, für ein solches Studium müsse man eine natürliche Begabung mitbringen – der Anteil der Doktorandinnen ist hoch, auch noch bei den Geologen.

Die Forscher überprüften auch andere Hypothesen: Meiden Frauen vielleicht Fächer, in denen sie gezwungen sind, besonders viel Zeit auf dem Campus zu verbringen? Oder können sie sich in Bereichen mit sehr scharfer Selektion nicht durchsetzen? Oder bevorzugen sie Fächer, in denen es weniger auf systematisches Denken als auf empathisches Vorgehen anzukommen scheint? Doch diese drei Hypothesen bestätigten sich nicht. Frauen werden von langen Arbeitsstunden nicht dramatisch abgeschreckt. Und besonders selektive Studiengänge weisen nicht niedrigere, sondern eher höhere Frauenanteile auf. Auch konnten die Forscher nicht feststellen, dass die analytischen Ansprüche bestimmter Fächer Frauen abschrecken.

Auch Afroamerikaner werden mit dem Stereotyp belegt

Ihre These, wonach die Forderung nach Brillanz bestimmter Fächer das „gender gap“ maßgeblich erzeugt, untermauern sie mit einem Blick auf die Anteile von Afroamerikanern in den jeweiligen Disziplinen: „Wie Frauen werden Afroamerikaner mit dem Stereotyp belegt, sie würden keine angeborene geistige Begabung besitzen“, schreiben sie. Tatsächlich seien auch Afroamerikaner – anders als asiatische Amerikaner – in den Disziplinen besonders unterrepräsentiert, in denen davon ausgegangen wird, Begabung sei für den Erfolg im Fach entscheidend, vor allem in Philosophie und Mathematik. Weit häufiger forschen Afroamerikaner dort, wo auch mehr Frauen anzutreffen sind, in Pädagogik und Psychologie.

Gibt es vielleicht wirklich Fächer, in denen es in der Spitzenforschung auf „natürliche Brillanz“ ankommt?, fragen die Forscher. Darüber könnten ihre Daten nichts sagen, erklären sie. Doch selbst wenn die Ansicht einer Fachkultur über die Bedeutung von Brillanz zu einem gewissen Grad zutreffen würde: Angehörige von Gruppen, denen diese Art von Brillanz abgesprochen wird, würden davon entmutigt (die Forscher gehen mit Blick auf andere Studien nicht davon aus, dass Frauen und Afroamerikaner tatsächlich weniger von Natur aus für Mathematik oder Philosophie begabt sind).

Neben Brillanz führt auch Anstrengung zum wissenschaftlichen Erfolg

Forschungsbereiche, die ihre Diversität verbessern wollen, sollten darum die Bedeutung von Anstrengung für den wissenschaftlichen Erfolg unterstreichen. „Wir sagen nicht, dass Brillanz nicht hilfreich in einer wissenschaftlichen Karriere ist“, erklären Leslie und Cimpian. „Aber offenbar kann es sich auf Studentinnen und Studenten unterschiedlich auswirken, wenn das betont wird.“

Die Forscher kündigen weitere Forschungen auf dem Gebiet an. Auf Deutschland sind die Ergebnisse nicht ohne Weiteres zu übertragen. Es ist aber durchaus denkbar, dass auch hier der Brillanz-Gedanke Frauen von bestimmten Fächern fernhält – und so Wirtschaft und Wissenschaft um dringend benötigte Talente bringt.

Anja Kühne

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