zum Hauptinhalt
Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.
© Privat

Wiarda will’s wissen: Brennpunktlehrer belohnen

Lehrkräfte an Brennpunktschulen - nicht nur in Berlin - sind Helden des Bildungswesens. Dafür sollten sie auch mehr Geld bekommen, meint unser Kolumnist.

Eine gute Schule? Ist doch klar. Das ist eine Grundschule, die möglichst viele Gymnasiasten produziert. Eine gute Schule ist ein Gymnasium, dessen Schüler nicht nur irgendwie das Abi schaffen, sondern mit Bestnoten. Die dann studieren und Ärzte werden, Anwälte, Wirtschaftsprüfer. Ist irgendwas falsch an dieser Definition? Ich glaube: eine Menge.

Die meisten der oben genannten Schulen werden vor allem von Kindern und Jugendlichen besucht, deren Eltern schon Abi gemacht haben, einen Studienabschluss, das ganze Programm. Braucht es engagierte, begnadete Lehrer, um solche Kinder zum Erfolg zu führen? Damit Sie mich nicht falsch verstehen: An den Schulen, die gemeinhin als die „leistungsstärksten“ gelten, gibt es jede Menge herausragende Lehrer. Sie holen aus Kindern und Jugendlichen, die von zu Hause viel Unterstützung erhalten, noch mehr heraus. Indes: Selbst wenn ihnen eine Niete gegenübersitzt, werden die meisten dieser Schüler immer noch Abi machen.

Es ist der stille Erfolg, der die eigentlich guten Schulen auszeichnet

Und wie ist das an „Brennpunktschulen“? Schulen, an denen 70, 80 Prozent der Schüler aus armen Familien stammen. An denen häufig nur eine Handvoll Deutsch als Muttersprache spricht. Können die auch „gute Schulen“ sein? Ich glaube: Einige von ihnen sind sogar die besseren. Weil ihre Lehrer es schaffen, trotz widriger Voraussetzungen bei den Schülern einen Lernzuwachs zu erzeugen, von denen manch bürgerliches Gymnasium nur träumen kann. Auch wenn am Ende einer solchen Erfolgsgeschichte womöglich nur mittelmäßige Noten stehen, ein mittlerer Abschluss und die Aussicht, einen Ausbildungsplatz zu ergattern.

Es ist der stille, unspektakuläre Erfolg, der die eigentlich guten Schulen auszeichnet. Der Erfolg von Schülern und ihren Lehrern, die nicht auf Eltern schimpfen, die mehr tun könnten. Die nicht aufstecken, obwohl viele Jugendliche es ihnen erst auf Umwegen danken, obwohl die materielle Versorgung der Schule mangelhaft ist – und die Bezahlung: nun ja. Traditionell bekommen Gymnasiallehrer deutlich mehr als ausgebildete Haupt- oder Realschullehrer und Grundschullehrer.

Eine überfällige Anerkennung für Brennpunktschulen

Zum Glück kommt die Tradition in Bewegung. In Berlin etwa sollen Grundschullehrer ähnlich viel verdienen wie Oberschullehrer. Mindestens ebenso wichtig: Voll ausgebildeten Lehrern, die an besagten Brennpunktschulen unterrichten, verspricht die rot-rot-grüne Koalition eine Zulage von im Schnitt 300 Euro. Ein Schmerzensgeld? Nein. Keine Lehrkraft, die weg will, wird wegen 300 Euro im Monat bleiben. Aber jene, die jeden Tag das Beste geben, aus Überzeugung, aus Leidenschaft, die trotzdem oft zu kämpfen haben, für die sind die 300 Euro ein Einstieg. Und zwar in die lange überfällige Anerkennung für jene Schulen, an denen sich der soziale Zusammenhalt unserer Gesellschaft entscheidet.

Klar: 300 Euro mehr Gehalt können für die Lehrer an Brennpunktschulen nur der erste Schritt sein. Und für alle anderen hoffentlich Anlass, genauer hinzuschauen, wenn das nächste Mal von „den besten“ Schulen und Lehrern die Rede ist.

Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

Zur Startseite