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Die Universität Oxford.
© imago/Ulli Winkler

Reaktion auf Brexit: Berliner Unis tun sich mit Oxford zusammen

Die Universität Oxford und die großen Berliner Universitäten schließen eine weitreichende Partnerschaft - bis hin zu gemeinsamen Forschungszentren. Das soll auch eine Reaktion auf den Brexit sein.

Großbritannien wird aus der EU austreten – doch die Universität Oxford und die großen Berliner Universitäten wollen genau den entgegengesetzten Weg gehen. FU, HU, TU, Charité und die Uni Oxford haben sich jetzt auf eine weitreichende Partnerschaft verständigt, die die beiden Wissenschaftsstandorte viel näher als bisher zusammenführen soll. Forscher aus allen Disziplinen sollen kooperieren und gemeinsame Vorhaben erarbeiten, neue Austauschprogramme für Studierende aufgelegt werden. In den nächsten Jahren könnte ein Oxford-Berlin-Forschungszentrum in der deutschen Hauptstadt entstehen und ebenso ein „Berliner Haus“ in Oxford. Die Partnerschaft wird am heutigen Dienstag öffentlich verkündet. Es ist das erste Mal, dass sich die Berliner Unis für eine solches Bündnis zusammentun.

Nicht nur für Berlin, auch für Oxford sei eine Partnerschaft in dieser Tiefe einmalig, sagt Alastair Buchan, der von der Oxforder Unileitung eigens eingesetzte Brexit-Koordinator: „Oxford und Berlin passen einfach sehr gut zusammen und ergänzen sich bei vielen wissenschaftlichen Großthemen perfekt.“ Berlins Regierender Bürgermeister und Wissenschaftssenator Michael Müller (SPD) sagte auf Anfrage, die Initiative werde „die Position unserer Stadt als einen der international führenden Standorte für Forschung und Innovation weiter stärken“.

"Oxford ist für uns am attraktivsten"

Die Partnerschaft ist auch als Antwort auf den Brexit zu verstehen, sagt Buchan: „Oxford ist eine europäische Universität, und auf diesem Weg stellen wir sicher, dass wir auch künftig eine bleiben.“ Tatsächlich sind deutsche und britische Unis seit Langem eng miteinander verbunden. Mit dem Ende der EU-Mitgliedschaft Großbritanniens droht der Austausch in der Wissenschaft aber massiv behindert zu werden, sei es, weil man nicht mehr gemeinsame EU-Projekte beantragen kann, sei es, weil eine Fortsetzung des Erasmus-Programms mit Großbritannien völlig unklar ist.

Wie es nach dem EU-Austritt der Briten in der Wissenschaft weitergeht, bewegt daher seit Längerem Hochschulen in beiden Ländern. Wie berichtet, ist zum Beispiel auch Bayern bereits an britischen Unis vorstellig geworden, um für neue Kooperationen zu werben. Berlin und Oxford sind jetzt aber die Ersten, die eine neue Partnerschaft tatsächlich in trockene Tücher gebracht haben – und sich so für die Post-Brexit-Zeit neu aufstellen.

„Oxford ist für uns natürlich am attraktivsten“, sagt Ulrich Dirnagl, Neurologe an der Charité, der das Projekt maßgeblich mitinitiiert hat. Die Berliner und Oxforder Wissenschaft würden schon seit Langem zusammenarbeiten  – was sich auch an den handelnden Personen zeigt. Dirnagl ist Gastprofessor in Oxford. Buchan, ebenfalls Neurologe, sitzt im wissenschaftlichen Beirat des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung (BIG). In der Medizin werde es etwa um die Neurowissenschaften, Herzkreislaufkrankheiten und das Immunsystem gehen, sagt Dirnagl. Buchan nennt Geschichte und Kunstgeschichte, Sozialwissenschaften, Physik, Chemie und Mathematik als Beispiele für bestens übereinstimmende Forschungsprofile beider Standorte. Erste gemeinsame Workshops, in denen man künftige gemeinsame Vorhaben abstimmt, gab es schon; bis zum Sommer 2018 sollen acht bis zehn weitere folgen. Einbezogen werden zudem die wissenschaftlichen Sammlungen und Bibliotheken.

Der Studierendenaustausch soll gestärkt werden

Auch in der Lehre könne man Studierenden und Doktoranden im Rahmen der Partnerschaft neue, strukturierte Angebote machen, sagt Dirnagl. So könnte es gemeinsame Seminare und Graduiertenkollegs geben. Die neue Partnerschaft könnte womöglich künftig sogar das Erasmus-Programm ersetzen. „Wir setzen zwar alles daran, dass Großbritannien auch nach dem Brexit an Erasmus teilnehmen kann“, sagt Buchan. Sollte das aber nicht klappen, sei das ein Weg, „den freien Austausch von Studierenden sicherzustellen“.

Kulminieren soll die Partnerschaft in gemeinsamen Dependancen in Berlin und Oxford. So soll in Berlin ein „Oxford-Berlin-Forschungszentrum“ entstehen, in Oxford ein Haus der Berliner Unis. Noch sind dafür keine Gebäude gefunden, auch die Finanzierung stehe nicht fest, sagt Dirnagl. Oxford rechnet für sein Berliner Zentrum mit Kosten von rund einer Millionen Euro im Jahr. Gedacht wird bei der Finanzierung etwa an Stiftungen und Fördereinrichtungen. Die Berliner Wissenschaftsverwaltung hilft bei der Suche nach einem passenden Gebäude in der Hauptstadt.

"Eine außergewöhnliche Partnerschaft"

Für die Briten könnte das Zentrum auch den Zugang zu EU-Mitteln sicherstellen, selbst wenn es zu einem harten Bruch mit der Europäischen Union kommt. Gemeinsame Anträge für Forschungsprojekte könnten „gegebenenfalls auch bei EU-Förderprogrammen eingereicht werden“, heißt es. In erster Linie gehe es Oxford aber nicht ums Geld, sondern um Zusammenarbeit und Austausch, sagt Buchan: „Wir wollen Teil der europäischen Wissenschaft bleiben.“

Dass die Berliner Universitäten das Bündnis mit Oxford gemeinsam schließen, dürfte auch mit Blick auf die Exzellenzinitiative geschehen: Hier wollen FU, HU und TU schließlich im Verbund antreten und gemeinsam „Exzellenzuniversität“ werden. „Das kann auch in der internen Dynamik etwas bewegen“, sagt Dirnagl. Berlin und Oxford – das sei einfach eine „außergewöhnliche Partnerschaft“. Tilmann Warnecke

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