Exzellenzcluster "Topoi": Berliner Antikenforschung ohne Flaggschiff
Wie geht es nach dem bitteren Aus in der Exzellenzstrategie für Berlins Antike-Cluster Topoi weiter? Ein nächstes großes Altertums-Projekt ist schon am Start.
In der Neuauflage des Elitewettbewerbs für die deutschen Universitäten gab es nicht nur strahlende Gewinner. In Berlin fiel ausgerechnet das Topoi-Projekt aus der Antikenforschung durch, das viel zum Renommee Berlins als weltweit herausragendem Standort der Altertumswissenschaften beigetragen hat. Seit 2007 forscht das Topoi-Team über „Die Formation und Transformation von Raum und Wissen in den antiken Kulturen“ – mit einer jährlichen Förderung von mehreren Millionen Euro.
Das neue Topoi-Vorhaben zu „Stabilität und Instabilität in den Gesellschaften des Altertums“ sollte wiederum eine tragende Säule des Berliner Antiken-Schwerpunkts sein. Daraus aber ist nichts geworden. Zu den Gründen für das Topoi-Aus ist bislang wenig zu hören. Die Gutachten der Deutschen Forschungsgemeinschaft liegen noch nicht vor, wie die Antragsverantwortlichen Monika Trümper (FU) und Gerd Graßhoff (HU) mitteilen.
Die Themenwahl war topaktuell
An der Themenwahl kann es nicht gelegen haben, „gesellschaftliche Instabilität“ ist topaktuell. Doch nach dem Kraftakt, das Großprojekt 2011 in die Verlängerung zu bringen, hätten letztlich die Ideen und die Energie gefehlt, den neuen Fokus inhaltlich überzeugend zu füllen, heißt es aus Hochschulkreisen. Die Begehung durch die internationalen Gutachter sei dann auch nicht perfekt gelaufen.
Friederike Fless, Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts und Mitglied des Topoi-Vorstands, verweist auf das „starke Konkurrenzprojekt“ der Uni Kiel. „Roots“ nennt sich der in der Exzellenzstrategie bewilligte Cluster zur „Konnektivität von Gesellschaft, Umwelt und Kultur in vergangenen Welten“. Die Kieler, die ihr Vorhaben aus einer Graduiertenschule und mit zusätzlichen Juniorprofessuren entwickelt haben, überzeugten die Gutachter mit einer „frischen und tollen Performance“, sagt Fless.
Aber auch ohne Topoi hat Berlin als Hauptstadt der Antikenforschung eine Zukunft. Denn der gescheiterte Cluster ist Teil eines im vergangenen Jahrzehnts gewachsenen Netzwerks, an dem neben der Freien Universität und der Humboldt-Universität weitere Schwergewichte beteiligt sind: die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das Deutsche Archäologische Institut, das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Sie betreiben gemeinsam das 2011 gegründete Berliner Antiken-Kolleg (BAK) als „dauerhafte Plattform“ der Berliner Altertumsforschung. Damit entsprach das Land Berlin der Auflage, eine Verstetigung des Topoi-Clusters zu garantieren.
Mit "Chronoi" gibt es ein Schwesterprojekt
Für Topoi gibt es außerdem mit dem Einstein-Zentrum Chronoi, in dem das Bewusstsein von Zeit im Altertum erforscht wird, ein Schwesterprojekt. Chronoi wurde im BAK inhaltlich vorbereitet und wird seit 2016 von der Einstein-Stiftung aus Landesmitteln finanziert. Zwei Jahre lang erhielt es als Anschub je 300 000 Euro. Die Vollförderung mit acht Millionen Euro für weitere fünf Jahre beginnt im Januar 2019 – genau dann, wenn Topoi ausläuft.
Wie hängen die beiden Projekte zusammen? Chronoi war als ein Baustein des neuen Topoi-Clusters geplant – hinsichtlich des Faktors Zeit in Änderungsprozessen antiker Gesellschaften, sagt Fless. „Das hätte sich sehr schön gefügt.“ Chronoi-Vorstand Christoph Markschies (HU) dagegen erklärt, es handele sich um eine eigenständige Forschungsinstitution, die unabhängig von Topoi bei der Einstein-Stiftung beantragt wurde. Auch Monika Trümper und Gerd Graßhoff betonen die jeweils unterschiedliche Forschungsagenda.
Michael Müller stellt eine weitere Förderung in Aussicht
„Für uns ist jetzt vor allem wichtig, für die vielen guten Forschungsprojekte und -ideen aus Topoi neue Förderformate zu finden“, erklären Trümper und Graßhoff. Der Regierende Bürgermeister und Wissenschaftssenator Michael Müller (SPD) machte den ausgeschiedenen Clustern – neben Topoi auch ein gemeinsames Vorhaben von TU und UdK – am Freitag Mut: Er wolle „Möglichkeiten finden, diese dennoch zu unterstützen“. HU-Präsidentin Sabine Kunst hofft, dass der „sehr innovative Ansatz“ des Topoi-Antrags – die Erforschung der treibenden Momente der gesellschaftlichen Entwicklung von der Sesshaftwerdung der Menschen bis zum Ende der Spätantike – weiterverfolgt werden kann.
DAI-Präsidentin Fless appelliert: „Wir sollten jetzt den Schock über das Aus nutzen, um ganz neu zu denken und in den zukünftigen Exzellenzrunden wieder erfolgreich zu sein.“ Mitarbeitende aus dem Topoi-Team hätten gute Chancen, sich in Forschungsprojekten wie Chronoi zu bewerben. Das gilt auch für das Exzellenzcluster Math+, bei dem Fless mitwirkt. Angewandte Mathematik ist in der Archäologie ein großes Thema, etwa bei der Verarbeitung von Daten aus Geoinformationssystemen. Viele Ansätze also für die Zukunft der Antikeforschung und der vielen Altertumsforscher in Berlin. Amory Burchard, Tilmann Warnecke