Reaktionen auf WZB-Studie: Berlin will Vorwürfe gegen Privatschulen prüfen
Soziale Entmischung bei Privatschulen: Die Senatsverwaltung will Hinweise aus der WZB-Studie prüfen. Die "Berlin Cosmopolitan School" weist die Vorwürfe zurück.
Fast alle Bundesländer lassen es zu, dass Privatschulen ihre Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern auswählen, obwohl das Grundgesetz dies strikt verbietet – so steht es wie berichtet in der Studie der Professoren Michael Wrase und Marcel Helbig vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Berlins Verwaltungsvollzug wurde von den Forschern als „besonders mangelhaft“ bewertet, sie erlaube den Privatschulen größte Spielräume.
So habe Berlin etwa die Metropolitan School und die Cosmopolitan School genehmigt, die „nach ihrem Konzept, ihrer Außendarstellung sowie den erhobenen Schulgeldern“ „von vornherein“ nicht genehmigt hätten werden dürfen. Die Cosmopolitan School etwa nehme selbst auf der günstigsten Stufe mindestens 240 Euro monatlich – 135 Euro als Schulgeld (für die Grundschule) plus 105 Euro für das obligatorische Nachmittagsprogramm. Für das Gymnasium liege die Schulgebühr noch einmal fünf Euro höher.
Die Metropolitan School wollte sich zu der Kritik bisher nicht äußern. Die Cosmopolitan School weist den Vorwurf, sie verstoße gegen das Sonderungsverbot, zurück. „Ganz im Gegenteil: Weit über 45 Nationen sind aus den verschiedensten sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Hintergründen repräsentiert. Wir sind auf diese Mischung besonders stolz“, erklärte Schulleiterin Yvonne Wende.
Eine Privatschule verweist auch auf ihr Engagement bei Flüchtlingen
Um das zu gewährleisten, komme man 21 Prozent der Familien bei den Schulgebühren „finanziell entgegen“. Die Hälfte davon zahle Gebühren zwischen 56 und 125 Euro. Sieben Kinder würden überhaupt nichts zahlen. Kosten für das Nachmittagsprogramm erlasse man einkommensschwachen Familien auf Antrag. Die Schule halte auch gebrauchte Schulkleidung vor, falls Familien sich diese neu nicht leisten können. Wende verwies zudem auf das Engagement für fünf Flüchtlingskinder, für deren Kosten die Schule komplett ohne Geld vom Staat aufkomme.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Grundsatzurteil von 1987 festgestellt, dass Stipendien für Einzelne nicht genügen, um das Sonderungsverbot zu wahren. Privatschulen müssen „allgemein zugänglich sein, zwar nicht in dem Sinn, dass sie wie die öffentliche Schule jeden Schüler bei der Erfüllung allgemeiner Voraussetzungen aufnehmen muss, wohl aber in dem Sinne, dass sie grundsätzlich ohne Rücksicht auf deren Wirtschaftslage besucht werden kann“. Die WZB-Forscher sind der Meinung, dass über die Zugänglichkeit einer Privatschule nicht nur die Höhe ihres Schulgelds entscheidet, sondern ihre Aufnahmepraxis. Aus nachvollziehbaren ökonomischen Gründen würden Kinder von Eltern bevorzugt, die die Schule jenseits des Schulgelds mit Spenden unterstützen können.
Evangelische Schulen entkoppeln Schulgeld und Aufnahme
Die evangelischen Schulen sehen sich „grundgesetzkonform“, wie Frank Olie, der Vorstandsvorsitzende der Schulstiftung, sagt. Das individuelle Aufnahmeverfahren an den einzelnen Schulen sei bewusst von der anschließenden Festlegung der Höhe des Schulgeldes durch die zentrale Berliner Geschäftsstelle der Stiftung abgekoppelt. Eltern zahlen derzeit 2,2 Prozent des „maßgeblichen Einkommens“, an Schulen mit gebundenem Ganztagsbetrieb sind es 3,9 Prozent. Geringverdiener zahlen einen „Einstiegssatz“ von 30 Euro, Familien, die von Sozialhilfe leben, werden auf Antrag von den Gebühren befreit. Das gelte für 15 Prozent der Schüler an den evangelischen Schulen in Berlin, sagt Olie. „Unsere Schulen sind allen zugänglich, die unser evangelisches Schulprogramm mittragen.“
Berlins Schulverwaltung erklärt zu der Kritik an den beiden internationalen Schulen in Mitte und Prenzlauer Berg: „Bis zu einem Bruttojahreseinkommen von etwa 30 000 Euro sind maximal 100 Euro Schulgeld pro Monat zulässig. Den Hinweisen auf eine hiervon abweichende Praxis der Berlin Metropolitan School und der Berlin Cosmopolitan School gehen wir nach.“ Bei der Summe von maximal 100 Euro für Familien mit geringem Einkommen stützt sich die Verwaltung auf maßgebliche Gerichtsurteile. Diese erwähnt sie auch in einem eigenen Informationsblatt, mit dem sie die Privatschulen im Februar an das „Sonderungsverbot nach Besitzverhältnissen“ im Grundgesetz erinnert hatte.
Die Senatsverwaltung fordert transparent zugängliche Schulgeldordnungen
Die Senatsverwaltung betont, Voraussetzung für die Genehmigung von Privatschulen sei in Berlin, dass diese eine Schulgeldordnung vorlegen. Diese müsse „transparent zugänglich“ gemacht werden, also etwa auf den Internetseiten der Schule zu finden sein. Die Schulgeldregelungen würden auch im Rahmen von Schulhospitationen überprüft.
Das Thema „soziale Mischung“ werde in Berlin auch sonst „keinesfalls ausgeklammert“. So existierten etwa 40 Willkommensklassen für geflüchtete Schüler an freien Schulen. Und im Berliner „Bonus-Programm“, das aktuell 241 Schulen in sozialen Brennpunkten mit zusätzlichen Mitteln unterstützt, würden auch 15 freie Schulen gefördert. Voraussetzung dafür ist, dass über die Hälfte der Schülerinnen und Schüler von der Zuzahlung zu den Lernmitteln befreit ist. Weiterhin weist die Verwaltung auf den neuen Koalitionsvertrag hin: Danach soll ein neues Finanzierungsmodell Privatschulen mit höheren Zuschüssen belohnen, wenn sie „verstärkt inklusiv arbeiten und Schüler/-innen aus sozial benachteiligten Familien aufnehmen“. Die Senatsverwaltung will die WZB-Studie aber „einer eingehenden Betrachtung“ unterziehen.
In Berlin lernen 9,9 Prozent der insgesamt 340 000 Schülerinnen und Schüler, die eine allgemeinbildende Schule besuchen, an einer Privatschule. Damit liegt der Anteil etwas höher als im Bundesschnitt. Insgesamt sind von den gut 800 allgemeinbildenden Schulen in Berlin 194 in privater Trägerschaft.
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