Platz 13 im INSM-Vergleich: Berlin verbessert sich in bundesweitem Bildungsvergleich
Berlin nicht mehr das ewige Schlusslicht in der Bildungslandschaft? So sieht es eine neue Vergleichsstudie. Gewarnt wird aber vor Rückschritten wegen Corona.
Am Ende der schwierigen ersten Woche nach dem Schulbeginn in Berlin - mit der Diskussion um die Maskenpflicht und ersten Schulschließungen wegen Corona-Fällen - gibt es eine gute Nachricht: Im Bildungsmonitor der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) ist Berlin nicht mehr Schlusslicht.
Die Hauptstadt stieg nach der am Freitag in Berlin vorgestellten bundesweiten Vergleichsstudie vom 16. Platz auf den 13. Platz auf. Positiv wirkt sich aus, dass die Betreuungsrelationen an Kitas, Schulen und Hochschulen gut seien. Zudem nehmen in Berlin besonders viele Kinder und Jugendliche Ganztagsangebote in Kita und Grundschule wahr.
Der Bildungsmonitor der von Arbeitgeberverbänden getragenen INSM wird seit 17 Jahren herausgegeben und vergleicht die Bildungssysteme der 16 Bundesländer aus einer wirtschaftlichen Perspektive.
Neben Kitas, Schulen und Hochschulen werden auch die Leistungen in der beruflichen Bildung bewertet - anhand von insgesamt 93 Indikatoren in 12 Handlungsfeldern. Erstellt wird die Vergleichsstudie vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Zur vollständigen Studie geht es hier.
Die Leitfrage dabei sei, inwieweit ein Land "Bildungsarmut reduziert, zur Fachkräftesicherung beiträgt und Wachstum fördert", erklärt die INSM. Berlin wird dabei, wie schon einmal 2018, der Sprung von Platz 16 im vergangenen Jahr auf Platz 13 bescheinigt. Das Bildungssystem der Hauptstadt verbessert sich demnach um 3,6 Punkte auf 43,9 Punkte.
Berlins Abstand zur Schlussgruppe ist klein
Der Abstand zu den aktuellen Schlusslichtern Brandenburg (Platz 14 mit 42,8 Punkten), Bremen (Platz 15 mit 42,5 Punkten) und Sachsen-Anhalt (Platz 16 mit 41,2 Punkten) ist allerdings nur gering. Zum Vergleich: Sachsen führt auf Platz 1 mit 66,9 Punkten, gefolgt von Bayern (Platz 2 mit 63,1 Punkten) und Thüringen (Platz 3 mit 58,4 Punkten). Auf Platz 4 steht Hamburg mit 56,8 Punkten, es verbessert sich um einen Platz - vor allem dank hoher Investitionen in Schulen und Hochschulen.
[Lesen Sie hier, wie die Berliner Schulen für das neue Schuljahr aufgestellt sind (T+): Zu wenig Lehrer, zu kleine Schulen - und eine Pandemie]
Positiv werden in Berlin auch die vielen Forschenden "gemessen an der Wirtschaftskraft" bewertet. Außerdem gibt es relativ zur akademischen Wohnbevölkerung viele Hochschulabsolventen und den bundesweit höchsten Anteil an Bildungsausländern unter den Studierenden.
Dass Berlin im Bildungsmonitor gleichwohl weiterhin nahe an der Schlussgruppe liegt, erklärt sich aus dem "Verbesserungspotenzial", das INSM und IW sehen: Es liege vor allem in der beruflichen Bildung, der Bildungsarmut, der Schulqualität und der Integration. So sei der Anteil von Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz zu hoch, das Angebot der Betriebe sei zu gering.
Lesen, Schreiben, Rechnen schwach
Viele Jugendliche erreichten nicht die Mindeststandards an Kompetenzen - gemeint sind Defizite etwa im Lesen, Schreiben, Mathematik und Naturwissenschaften. Diese Daten entnimmt das IW bundesweiten Schulleistungsstudien der vergangenen Jahre aus den Jahren 2018/19. Die Schulabbrecherquote in Berlin sei weiterhin hoch und der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg eng, heißt es.
Insgesamt kritisiert der Hauptautor der Studie, Axel Plünnecke vom IW, eine Stagnation über alle Handlungsfelder seit 2013. Verbesserungen gebe es bei der Internationalisierung der Bildungssysteme und beim Ausbau der Ganztagsschulen. Ungleichheit der Bildungschancen und Bildungsarmut nähmen aber zu.
Dieses Bild drohe sich durch die Coronakrise noch zu verschlechtern, warnt Plünnecke. Bei der Fähigkeit der Schulen, "primäre Herkunftseffekte" auszugleichen und Chancengleichheit herzustellen, drohten bundesweit Rückschritte.
Empirische Studien zeigten, dass durch längere Schulunterbrechungen "vor allem die Kompetenzentwicklung von Kindern und Jugendlichen aus bildungsfernen Haushalten belastet wird".
Die Coronakrise decke "wie unter einem Brennglas" Schwächen der Bildungssysteme auf, sagte INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengar. Jahrelange Versäumnisse der Politik und träges Handeln der zuständigen Bildungsbehörden müssten jetzt von Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern ausgebadet werden.
[Berlin und die Digitalisierung der Schulen: Lesen Sie hier unseren aktuellen Bericht über fehlende Breitbandanschlüsse: Noch nicht einmal in Auftrag gegeben]
Wegen der weiterhin drohenden Schulschließungen komme der Digitalisierung der Schulen eine große Bedeutung zu, um eine "Verschärfung ungleicher Bildungschancen zu vermeiden", teilen INSM und IW mit. Berlin weise dabei ungünstige Voraussetzungen auf - nicht zuletzt wegen der ausbleibenden Breitbandanschlüsse der Schulen.
Die digitale Ausstattung der Schulen müsse sichergestellt, Schülerinnen und Schüler ohne eigenes Equipment leihweise mit digitalen Endgeräten ausgestattet werden. Die Schulen als Arbeitgeber müssten zudem die Lehrkräfte mit Dienstgeräten versorgen und ihnen zusätzliche Weiterbildungsangebote machen.
Für die technische Betreuung der Schülerschaft und der Lehrkräfte sowie die Wartung ihrer Geräte fordert die INSM bundesweit 20.000 IT-Kräfte für die rund 40.000 Schulen in Deutschland. Dafür würden jährliche Zusatzausgaben von knapp zwei Milliarden Euro notwendig.
[Lesen Sie hier, wie uneinheitlich die Pandemiepläne der Länder für die Schulen geregelt sind: Beim Infektionsschutz geht es durcheinander]
Kristina Schröder (CDU), Bundesfamilienministerin und Botschafterin der INSM für den Bildungsbereich, forderte ein Umdenken für Kitas und Schulen, falls es zu einer zweiten Coronawelle und einem erneuten Lockdown kommen sollte. Die langen Schließungen von Kitas und Schulen seien "ein schwerer Fehler" gewesen. Insbesondere Frauen und Kinder seien dadurch benachteiligt worden.
Künftige Quarantänemaßnahmen müssten "wohldosiert und punktuell umgesetzt werden, nicht unsystematisch und flächendeckend", sagte Schröder. Alle Bundesländern sollten transparent machen, ab welcher Infektionsschwelle welche Maßnahmen greifen könnten - "und wie dabei eine Differenzierung nach Kita, Primarbereich und Sekundarbereich aussehen soll".
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