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Waschbären stammen aus Nordamerika und entwickeln sich in Deutschland zu einer ernsten Bedrohung.
© Lenhard Klimek/dpa

Wildtiere: Ausbreitung der Waschbären bedroht andere Arten

1,3 Millionen Waschbären gibt es mittlerweile in Deutschland, auch in Berlin vermehren sich die Tiere rasant. Artenschützer schlagen deshalb Alarm.

Nur zwei Waschbärpaare wurden 1934 am hessischen Edersee ausgesetzt. Sie sollten die heimische Jagdstrecke bereichern. Das Vorhaben ist gelungen: Rund 171.000 Waschbären wurden im Jagdjahr 2017/18 geschossen. Längst vermehrt sich der nordamerikanische Kleinbär hierzulande exponentiell: Schätzungsweise 1,3 Millionen Exemplare von Procyon lotor leben mittlerweile in Deutschland – vor allem in Sachsen-Anhalt und Brandenburg, wo die Art in rund 90 Prozent aller Jagdreviere gesichtet wird. In wenigen Jahren könnten es fünf Millionen sein.

Artenschützer schlagen jetzt Alarm. Denn der ausgezeichnete Kletterer mit dem markanten Ringelschwanz braucht viel Futter, um sein Gewicht von etwa neun Kilogramm zu erreichen. Hunderte Millionen Wirbeltiere landen Studien zufolge in den Mägen der Kleinbären, so Stefan Nehring vom Bundesamt für Naturschutz. Neben Vögeln, Fledermäusen und Amphibien haben die Allesfresser auch die letzten Exemplare der Europäischen Sumpfschildkröte im nördlichen Brandenburg auf ihrem Speiseplan.

Abgebissene Gliedmaßen

Tatsächlich geht die Zahl erwachsener Schildkröten seit 2005 erheblich zurück und die Menge von Tieren mit schweren Verletzungen wie abgebissenen Gliedmaßen steigt. Das hat Norbert Schneeweiss von der Naturschutzstation Rhinluch des Landesamtes für Umwelt Brandenburg in einer Langzeitstudie beobachtet. Verursacher seien in erster Linie Waschbären, weshalb ihre Dezimierung Voraussetzung für den Erhalt der letzten einheimischen Panzertiere in Deutschland sei.

Nicht weit entfernt, im Nationalpark Unteres Odertal, beobachtet Ranger Detlef Fährmann seit über 25 Jahren eine Nistkolonie von Graureihern. „Wir hatten auf alten Kiefern bis zu 120 Nester. 2010 haben die Graureiher von einem Jahr auf das andere ihre Kolonie komplett aufgegeben.“ Als Grund nennt er Waschbären, die sich an den Gelegen bedient hätten.

Heute würde man bedrohte Horstbäume von Großvögeln am Stammfuß mit einer ein Meter langen Wellpolyesterplatte, der „Rey-Baummanschette“, ummanteln, um Waschbären fern zu halten.

Auch die Fledermauskästen im Nationalpark brechen die Tiere auf und verspeisen die Tiere samt Nachwuchs.

Sogar giftige Kröten werden verspeist

Selbst vor giftigen Erdkröten machen die Tiere nicht Halt. Sie haben gelernt, die mit Giftdrüsen überzogene Haut abzuziehen und den Rest zu verspeisen. Schneeweiss zählte im April 2016 an einem Laichgewässer nördlich von Berlin 174 von Waschbären getötete Erdkröten. Vor den Krötenzäunen, die Amphibien bei ihren Laichwanderungen vor dem Überqueren von Straßen bewahren sollen, patrouillieren die Kleinbären regelrecht.

Ein weiteres Jagdrevier der Waschbären sind die Schilfgürtel um bewirtschaftete Fischteiche, in denen bis vor wenigen Jahren zahlreiche Vogelarten ihren Nachwuchs aufziehen konnten. Küken von Blässhühnern, Enten oder Rohrweihen, vor Jahren alltäglich, sind inzwischen Raritäten. Von Schilfbrütern wie Drosselrohrsängern ganz zu schweigen.

Im weiche Schlammboden dieser im Herbst abgelassenen Teiche lässt sich anhand der Spuren nachvollziehen, wer für das Verschwinden der Vogelarten verantwortlich ist. Zwar gibt es ab und zu Abdrücke von Wildschweinen, Rehen und auch mal von einem Fischotter. Vor allem aber ist eine „Autobahn“ hunderter von Waschbärpfoten zu erkennen – unverwechselbar an den langen Fingern ihrer Vorderpfoten zu identifizieren.

Edgar Wendt, seit mehr als 25 Jahren Jäger in der Uckermark, hat die rasante Entwicklung der Waschbären in den letzten Jahren verfolgt. „Waschbären sind nachtaktiv und dadurch schwer bejagbar.“ Eine Einzelbejagung vom Hochsitz hält der Jäger für schwierig, da bei einem Schuss auf Waschbären der Ansitz etwa auf Schwarzwild für diesen Abend gelaufen sei. Doch der jährliche Abschussplan müsse erfüllt werden.

5000 Euro Strafe, wer Waschbären füttert

Ein probates Mittel seien Kastenfallen. Im Havelland erhalten Jäger für das Fangen von Waschbären mit diesen Fallen bereits eine Vergütung. „Das ist zeitaufwändig“, sagt Wendt. „Abends muss die Falle fängisch gestellt werden, morgens der Erfolg kontrolliert, die Falle blockiert werden.“ Erschwerend komme hinzu, dass Waschbären konventionelle Fallen mit ihren „Händen“ öffnen könnten.

Von Waschbärjagd mit Hunden hält Wendt wenig. „Bedrängte Waschbären verbeißen sich im Hundekopf und lassen nicht mehr los.“ Er nennt Fälle, bei denen verfolgte Waschbären Hunde in tiefem Wasser ertränkt hätten – festgekrallt auf dem Rücken des Hundes.

Auch in Berlin leben schon Waschbären, rund 800 Familien – Tendenz steigend. Um weitere Ausbreitung einzuschränken, hat die Stadt 2011 das Füttern verboten. Bei Missachtung drohen bis zu 5000 Euro Strafe.

Roland Schulz

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