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Welt ohne Leben? Der Nasa-Rover „Curiosity“ sendet immer neue Bilder von der Oberfläche des Mars (hier eine Aufnahme vom 9. August). Bald soll er den Marsboden auch nach Hinweisen auf außerirdisches Leben untersuchen.
© dpa

Exobiologie: Auf der Suche nach unbekannten Lebensformen

Auf dem Mars fahndet ein Roboter nach Molekülen des Lebens. Und auf der Erde testen Forscher Bakterien unter Extrembedingungen. Sie wollen beweisen, dass das Leben nicht nur ein Mal entstanden ist.

Geröll, Sand, Staub. Die Fotos, die der Nasa-Roboter „Curiosity“ seit seiner Landung auf dem Mars Anfang dieser Woche zur Erde schickt, gleichen denen, die auch andere Missionen geliefert haben. Eine steinige Ödnis, kalt, trocken, tot. Oder doch nicht?

Viele Forscher glauben, dass es auf unserem Nachbarplaneten Leben gibt oder zumindest früher einmal gab. Und nicht nur dort, auch auf anderen Himmelskörpern könnte es so etwas wie Leben geben, sagen vorsichtige Planetenwissenschaftler. Muss, sagen die forscheren Forscher.

Bereits 1953 erhitzten Stanley Miller und Harold Urey in einem Glaskolben die mutmaßlichen Chemikalien der Uratmosphäre, simulierten Blitze und erhielten organische Verbindungen. Seitdem ist klar: Der Sprung von der unbelebten Chemie zur Biologie ist keine Hexerei. So eine Ursuppe könnte auf vielen Planeten köcheln.

Aber warum fanden sich dann bis heute keine Lebenszeichen jenseits der Erde? Vielleicht, weil es keines gibt. Es könnte aber auch daran liegen, dass die extraterrestrische Forschung noch jung ist. Wer in einer sternklaren Nacht in die unendlichen Weiten des Alls blickt, bekommt eine Ahnung davon, wie winzig der Wissenszuwachs ist, den unbemannte Flüge zu Mond oder Mars bisher gebracht haben. Noch dazu, wenn man sich überlegt, wie einfach die Analysegeräte aufgebaut waren, die vor allem in den Anfangsjahren auf Entdeckungsreisen geschickt wurden. Und ob der Mensch fremdes Leben überhaupt erkannt hätte, sei nicht klar, sagt der Astrobiologe Dirk Schulze-Makuch von der Washington State University in Pullman. „Es wurde zu stark nach Lebensformen gesucht, wie wir sie von der Erde kennen, und dabei hat man womöglich anderes Leben übersehen.“

Video: "Curiosity" ist erfolgreich gelandet

Wo genau die Grenze verläuft zwischen belebter und unbelebter Natur, sei eine der schwersten Fragen in der Astrobiologie, sagt Schulze-Makuch. Zunächst muss ein lebendes System räumlich begrenzt sein. „So wie wir Menschen von der Haut umschlossen sind oder ein Bakterium von einer Zellmembran“, sagt der Forscher. Das Gebilde muss sich chemisch und thermisch von seiner Umgebung unterscheiden. „Sobald ein Gleichgewicht herrscht, wäre man nämlich tot.“ Zweitens muss das Biosystem fähig sein, Energie umzuwandeln, um Arbeit zu verrichten, zum Beispiel um sich fortzubewegen. Und drittens muss es sich vervielfältigen und dabei Informationen codieren und an folgende Generationen weitergeben. Auf der Erde geschieht das sowohl mittels Desoxyribonukleinsäure (DNS), eines Moleküls, das die Erbsubstanz von Pflanzen und Tieren trägt, als auch mit Ribonukleinsäure (RNS), die von vielen Viren benutzt wird. „Hauptsache, das Prinzip der Informationsweitergabe bleibt erhalten“, fordert Schulze-Makuch. „Das könnte sogar eine Kette von Atomen sein, bei denen die Ausrichtung der einzelnen magnetischen Momente einem bestimmten Muster folgt – der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt.“

Die Geschichte des Marsroboters "Curiosity"

Was den Mars betrifft, muss der Lebensbegriff gar nicht so weit gefasst werden, findet Schulze-Makuch. „Im kosmischen Vergleich sind die Bedingungen dort denen der Erde recht ähnlich, darum dürften auch marsianische Lebewesen den irdischen ähneln.“ Vorausgesetzt, unser Planet brächte, wenn er noch mal von vorn beginnen könnte, ähnliche Biosysteme hervor, wie wir vor Augen haben. Selbst das ist nicht sicher und erweitert die Palette der Möglichkeiten.

Dass es auf dem Roten Planeten Leben gab, davon ist der Experte überzeugt.

Dass es einst auf dem Roten Planeten einfache Organismen gab, davon ist Schulze-Makuch überzeugt. In der Frühphase vor rund vier Milliarden Jahren war es auf dem Mars wärmer als heute, es gab flüssiges Wasser, eine dichtere Atmosphäre und womöglich ein Magnetfeld schützten ihn vor der kosmischen Strahlung. „Er war der Erde recht ähnlich – und warum sollte ausgerechnet bei uns Leben entstanden sein und dort nicht?“

Die Grundbausteine dafür, wie verschiedene Kohlenwasserstoffe und einfache Aminosäuren, schwirren ohnehin durchs All. Auch in Kometen, die immer wieder auf den sonnennahen Planeten einschlagen, finden sich diese Bausteine in großer Zahl. Aber führten diese Ausgangsbedingungen tatsächlich zu Leben auf dem Mars? Und konnten die einfachen Strukturen überdauern, als sich die Bedingungen verschlechterten?

Video: Neue Ansichten vom Roten Planeten

„Mikroorganismen sind robuster und anpassungsfähiger, als man denkt“, sagt Jean-Pierre Paul de Vera vom Institut für Planetenforschung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin-Adlershof. Er hat Flechten und Cyanobakterien in der Antarktis und im Hochgebirge gesammelt und anschließend Bedingungen ausgesetzt, wie sie heute auf dem Mars herrschen: bis minus 70 Grad Celsius, weitgehende Trockenheit, starke UV-Strahlung. Der Labor-Mars im Keller seines Instituts sieht aus wie ein großer Kühlschrank aus Edelstahl. Er ist mit einem Schlauch verbunden, über den zunächst eine Vakuumpumpe Luft abzieht, um die dünne Atmosphäre zu simulieren. Später wird ein Gasgemisch zugeführt, das in seiner Zusammensetzung der Marsluft ähnelt: viel Kohlendioxid, etwas Stickstoff, Spuren von Wasser, Argon und Sauerstoff. So, wie sich auf dem Mars in den kühlen Morgenstunden etwas Tau bildet und in den späten Abendstunden die bodennahe Luftfeuchtigkeit stark ansteigt, erhalten auch die Proben in der Simulationskammer zweimal innerhalb von 24 Stunden etwas feuchtere Luft. In der Kammer befindet sich neben Temperatur-, Druck- und Feuchtesensoren auch ein Gerät, das die Photosyntheseaktivität bestimmt. Bis zu einem Monat lang setzten de Vera und sein Team die Flechten den harten Marsbedingungen aus. „Vor allem die polaren Flechten haben die Tortur nicht nur überlebt, wie in einer Ruhestarre, sondern aktiv Photosynthese betrieben“, berichtet der Astrobiologe. Anhand der Aktivitätsmessung sei sogar erkennbar gewesen, dass sie sich an die neuen Bedingungen angepasst haben und immer besser damit zurechtkamen.

Freudentränen im Kontrollzentrum - kurz nach der geglückten Landung des Marsrovers:

„Zunächst konnte ich das gar nicht glauben“, erzählt de Vera. Die Sensoren wurden nochmals geprüft, weitere Forscher hinzugezogen. Groß ist die Gefahr, ein Ergebnis vorschnell zu übernehmen, das zur Arbeitshypothese passt – auch in der Astrobiologie, wie der Fall der „Arsen-Bakterien“ vom Mono Lake zeigt. De Vera wollte sich sicher sein, bevor er die Resultate publik machte. Aber die Ergebnisse ließen sich wiederholen, sagt er. Mikroorganismen, die der harten UV-Strahlung unmittelbar ausgesetzt waren, hielten nicht so lange durch. Doch jene Flechten, die in simulierten Felsritzen etwas geschützt waren und regelmäßig etwas Wasser erhielten, um Stoffwechsel betreiben zu können, gediehen. Zumindest einen Monat lang. Wie es im Zeitraum von Jahren, Jahrtausenden und Jahrmillionen aussieht – und darum geht es, wenn man davon ausgeht, reale Marsmikroben hätten sich aus besseren Zeiten in die Gegenwart herübergerettet –, können die Forscher nicht sagen.

Wie kann man Leben jenseits der Erde nachweisen?

Hinweise dazu sollen Experimente an der Außenwand der Internationalen Raumstation (ISS) geben. Dort werden Organismen mit den noch härteren Bedingungen des freien Alls konfrontiert, um zu erfahren, wie lange sie durchhalten. „Außerdem wollen wir herausfinden, welche Zerfallsprodukte sich nach dem Absterben bilden und wie wir diese detektieren können“, sagt de Vera und spricht das zweite große Problem der Astrobiologen an: Wie kann man Leben jenseits der Erde überhaupt nachweisen? Sauerstoff und Methan in einer Atmosphäre genügen nicht, diese Verbindungen können auch ohne Lebewesen entstehen.

„Wir setzen eher auf Biosignaturen“, sagt de Vera. Das können Pigmente sein wie Chlorophyll oder Karotin oder bestimmte Zuckermoleküle, EPS genannt, welche die Zellen produzieren und die sich wie eine Schutzhülle um sie legen. Diese Moleküle beziehungsweise ihre Zerfallsprodukte hoffen die Planetenforscher mit einem Verfahren namens „Raman-Spektroskopie“ detektieren zu können. Dabei wird eine Probe mit Laserlicht bestrahlt, woraufhin die enthaltenen Moleküle in Schwingungen geraten. Je nach Zusammensetzung schwingen die einzelnen Moleküle geringfügig anders. Über einen Abgleich mit einer Datenbank lässt sich dann feststellen, welche Moleküle enthalten sind.

„Die Spektren hängen unter anderem von der Temperatur ab“, sagt de Vera. Er und seine Kollegen bestimmen gerade die Spektren verschiedener Biomarker bei ausgewählten Temperaturen bis fast an den absoluten Nullpunkt heran. Zudem arbeiten die Forscher daran, die Raman-Methode weltraumtauglich zu machen, damit sie eines Tages an der Außenwand der ISS die Veränderungen der Organismen „live“ verfolgen kann – und vielleicht sogar auf einem zukünftigen Mars-Rover montiert wird.

„Curiosity“ kann allenfalls Hinweise auf biologische Aktivität erkennen. Dazu soll er unter anderem Art und Menge organischer Kohlenstoffverbindungen im Marsboden erfassen. Ziel der Mission ist es nicht, Leben zweifelsfrei nachzuweisen, sondern zu erkunden, ob der Planet es heute oder in der Vergangenheit prinzipiell ermöglichte. Eine „Beweis-Mission“ würde noch speziellere Geräte erfordern, als bisher eingesetzt wurden. Die Gefahr: Je mehr Material zum Mars geflogen wird, umso größer ist das Risiko, dass irdische Mikroben mitgeschleppt werden und dort ein Signal in den Messgeräten hervorrufen.

Trotzdem ist der Mars das beliebteste Ziel für die Mikrobenfahnder. „Für diesen Planeten sehe ich die größten Chancen, außerirdisches Leben zu finden“, sagt Schulze-Makuch. Weil er der Erde vergleichsweise nahe und somit am besten zu erforschen sei. „Nach allem, was wir wissen, ist die Wahrscheinlichkeit für die Existenz von Leben auf dem Saturnmond Titan wohl noch größer.“ Dort gibt es Seen aus Methan und Ethan unter einer dicken Eisschicht, die vor Strahlung schützt. Sollte es einfache Organismen geben, würden diese nicht Wasser als Lösungsmittel benutzen wie hier auf der Erde, sondern Kohlenwasserstoffe. „Wenn wir dort Leben finden würden, wäre das eine noch größere Sensation“, sagt der Forscher. Während bei Erde und Mars nicht ausgeschlossen werden könne, dass Mikroben zwischen beiden Planeten mittels Asteroideneinschlägen hin- und hergeschleudert werden, wäre der entfernte Titan definitiv eine zweite Quelle der Evolution im Sonnensystem.

In seinem Labor in Pullman laufen gerade Ursuppen-Experimente in der berühmten „Miller-Urey-Anordnung“ mit Titan-typischen Chemikalien, erzählt Schulze-Makuch. „Es bilden sich tatsächlich einfache Aminosäuren“, sagt er. Welche genau, das werde gerade analysiert. Höhere Kreaturen vermutet der Forscher dort nicht. Aber Mikroben, die übrigens auch auf der Erde den Löwenanteil der Biomasse stellen, hält er für wahrscheinlich.

Dass es jenseits unseres kosmischen Kiezes in anderen Sternensystemen Leben gibt, ist für viele Astrobiologen sowieso ausgemacht. Angesichts von Milliarden Galaxien mit jeweils Milliarden Sternen wäre es extrem unwahrscheinlich, dass allein die Erde belebt ist, argumentieren sie. Schon deshalb wollen sie weiter nach einem Lebenszeichen fahnden.

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