30 Jahre Forschungszentrum für Umweltpolitik (FFU): Absolventen in Wissenschaft, Ministerien und EU-Kommission
Das Forschungszentrum für Umweltpolitik blickt auf eine 30-jährige Erfolgsgeschichte zurück.
Am 26. April 1986 ereignete sich im ukrainischen Tschernobyl der weltweit erste sogenannte GAU, der „größte anzunehmende Unfall“ in einem Atomkraftwerk. Nur drei Tage vorher war das Forschungszentrum (damals noch Forschungsstelle) für Umweltpolitik (FFU) an der Freien Universität gegründet worden. „Durch Tschernobyl ist das Thema Umweltschutz besonders in Deutschland in den Fokus gerückt“, erinnert sich der Gründungsdirektor des FFU, Professor Martin Jänicke. Zwar hatte es an der Freien Universität auch davor schon Umweltpolitikforschung gegeben, „wir wollten aber diese Forschung an einem Ort bündeln, außerdem brauchten wir eine feste Institution, um bei der Drittmitteleinwerbung langfristig erfolgreich zu sein“, erklärt Martin Jänicke.
Bereits im September 1986 machte das FFU erstmals bundesweit Schlagzeilen, als eine Studie der Forschungsstelle zur Nutzung der Atomenergie veröffentlicht wurde. Deren Ergebnisse zeigten, dass ein Ausstieg aus dieser Form der Stromerzeugung in Deutschland binnen vier Jahren möglich sei. „Seitdem hat sich in Deutschland immer mehr die Vorstellung durchgesetzt, dass ein Kernenergie-Ausstieg keine Katastrophe sein muss“, sagt Jänicke.
Die Expertise der Wissenschaftler ist gefragt
Das war auch ein Verdienst des Forschungszentrums und seines besonderen Selbstverständnisses: Neben politikwissenschaftlicher Forschung engagierten sich die Wissenschaftler des FFU auch immer in der Politikberatung. Und ihre Expertise ist bis heute gefragt: Die Leiterin des Zentrums, Miranda Schreurs, Professorin für Vergleichende Politikwissenschaft, saß bis vor Kurzem im Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung, wie zuvor schon Martin Jänicke. Auch bei der EU-Kommission und in der OECD setzt man auf den Rat der FFU-Forscher. Ein exemplarischer Erfolg war ein Auftrag der Heinrich-Böll- und Friedrich-Ebert- Stiftung im Jahr 2002: Im Vorfeld der rot-grünen Koalitionsverhandlungen erstellten die Wissenschaftler ein Gutachten, in dem Möglichkeiten für verschiedene Schritte in der Umweltpolitik für die folgende Legislaturperiode ausgelotet wurden.
Die Wissenschaftler am FFU verstehen die Politikberatung keinesfalls als Einbahnstraße. „Wir lernen selbst viel, wenn wir etwa in Ministerien gehen und sehen, wie dort konkrete politische Arbeit betrieben wird“, sagt der promovierte Politikwissenschaftler und Forschungsdirektor am FFU Klaus Jacob: „Das befruchtet unsere akademische Arbeit.“ Es hilft den Wissenschaftlern zum Beispiel bei der Analyse von sogenannten Best-Practice-Modellen: „Wir versuchen, nicht bei der berechtigten Kritik unzureichender Umweltpolitik stehenzubleiben, sondern mit dem Verweis auf Beispiele guter Praxis zu zeigen, dass man etwas tun kann“, sagt Klaus Jacob. Während zunächst nur die Industrienationen beobachtet worden sind, liegt heute ein Fokus des FFU auch auf Entwicklungs- und Schwellenländern. „Interessant ist, dass es dort im Umweltbereich Innovationen gibt, von denen die Industriestaaten lernen können“, sagt Jacob.
Gute Umweltpolitik als Chance für Innovationen
Den größten Erfolg des Zentrums formuliert Martin Jänicke so: „Wir konnten zeigen, dass der Staat das Potenzial hat, Probleme zu lösen. Es ist möglich, Umweltpolitik so zu gestalten, dass sie eine Chance für Innovationen bietet und diese nicht verhindert.“ Am FFU wird auch Grundlagenforschung betrieben. „Das ist unsere Basis“, sagt Klaus Jacob. Führend sei das Zentrum etwa in der sogenannten Politikdiffusionsforschung oder der Ökologischen Modernisierung. FFU-Forscher Roland Zieschank war an der Entwicklung des Nationalen Wohlfahrtsindex’ beteiligt. Dieser wird nicht wie das Bruttoinlandsprodukt auf der Grundlage einer rein ökonomischen Bilanz berechnet, sondern bezieht ökologische und soziale Faktoren ein, welche auch Folgekosten des Wirtschaftens thematisieren. Der Index kommt mittlerweile in einigen Bundesländern zum Einsatz.
Im Verlauf der vergangenen 30 Jahre haben mehrere Hundert junge Menschen am Forschungszentrum für Umweltpolitik studiert, und es sind mehr als 100 Dissertationen entstanden. „Unsere Alumni findet man überall, in allen wichtigen Politikberatungsagenturen, in der EU-Kommission, in Ministerien und in allen wichtigen Forschungseinrichtungen“, sagt Klaus Jacob. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind überzeugt, dass dem Forschungszentrum auch in Zukunft nicht die Themen und die Forschungsprojekte ausgehen. „Es gibt hier eine lange Tradition thematischer Innovationen“, sagt Martin Jänicke, „die wollen wir fortsetzen.“ Und es gebe viele neue Ideen, ergänzt Klaus Jacob. „Wir ruhen uns nicht auf den vergangenen 30 Jahren aus.“
Manuel Krane