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EU-Industriekommissar Thierry Breton ist optimistisch.
© Imago Images/Insidefoto/Samantha Zucchi

Versprechen des Industriekommissars: „70 Prozent der EU-Bürger sind bis Mitte Juli geimpft“

Die Produktion von Impfstoffen laufe auf Hochtouren, sagt Thierry Breton. Die EU werde schneller sein als geplant. England hofft nun schon auf Herdenimmunität.

EU-Industriekommissar Thierry Breton macht den Europäern Hoffnung. Die Produktion von Impfstoffen laufe in der EU inzwischen so gut, dass er nach Angaben der „Welt“ am Donnerstag vor Journalisten das Versprechen wagte: „Wir haben jetzt genug Lieferzusagen bis Mitte Juli, dass wir sicherstellen können, dass 70 Prozent der erwachsenen EU-Bürger bis Mitte Juli geimpft werden können und mit allen Lieferzusagen, die wir haben, 100 Prozent der Erwachsenen bis zum Ende des Sommers.“

Die EU-Impfkampagne würde sich damit deutlich beschleunigen. Ursprünglich hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprochen, dass 70 Prozent aller EU-Bürger bis zum Ende des Sommers ein Impfangebot haben sollten. Nach dem holprigen Start der Impfkampagne gab es zunächst Zweifel, ob dieses Ziel überhaupt erreichbar sei.

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Breton leitet seit zwei Monaten die Impf-Taskforce der EU-Kommission. Seine Aufgabe ist es, die Impfproduktion auf dem Kontinent anzukurbeln und dafür zu sorgen, dass Engpässe bei der Produktion schnell beseitigt werden oder gar nicht erst entstehen. Dabei geht es zum Beispiel um sogenannte Lipid-Nanopartikel, die für die Produktion von mRna-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna benötigt werden. Zudem machte die Taskforce Druck auf die Unternehmen, um die Verpflichtungen aus ihren Verträgen mit den EU zu erfüllen.

Wie das Blatt weiter schreibt, werden nach Angaben Bretons Anfang April bis Mitte Juli 420 Millionen Impfdosen an die EU ausgeliefert werden, darunter auch der Impfstoff von Johnson & Johnson, bei dem nur eine Impfung nötig ist.

Allein im zweiten Quartal, das mit dem Juni endet, sollen demnach 360 Millionen Impfdosen ausgeliefert sein. Der Plan für das zweite Quartal werde damit eingehalten. Davon sollen früheren Informationen der Kommission zufolge 200 Millionen Dosen von Biontech/Pfizer kommen, 70 Millionen von Astrazeneca, 35 Millionen von Moderna und 55 Millionen von Johnson & Johnson.

Aus dem Europäischen Parlament heißt es dem Bericht zufolge allerdings, dass es bei Johnson & Johnson auch nur 50 Millionen Dosen sein könnten. Ab Juni soll zudem auch der Impfstoff des deutschen Herstellers Curevac zugelassen werden und dann könnten die ersten Lieferungen beginnen – die allerdings in der Rechnung noch gar nicht enthalten sind.

Breton betonte dem Blatt zufolge, selbst wenn der britisch-schwedische Konzern Astrazeneca, der bisher schon einmal seine Zusage nicht eingehalten hatte, noch einmal seine ohnehin stark eingekürzten Lieferversprechen brechen sollte, würden die europäischen Impfziele erreicht. „Nach unseren Berechnungen werden wir unsere Impfziele selbst dann erreichen, wenn die 70 Millionen Dosen von Astrazeneca ausfallen.“ Im französischen Fernsehen hatte Breton bereits Ende März gesagt, die Impfstoffproduktion laufe europaweit in 52 Fabriken rund um die Uhr.

Noch besser ist die Lage offenbar in Großbritannien. Berechnungen des University College London (UCL) sagen voraus, dass dort die Herdenimmunität bereits am Montag erreicht sein könnte. Dies berichtet die „Daily Mail“ am Freitag. Von Herdenimmunität spricht man, wenn genügend Menschen vor einer Infektionskrankheit geschützt sind – entweder durch Impfungen oder nach einer überstandenen Erkrankung. Das Blatt berichtet unter Berufung auf UCL-Forscher, dies könnte auf der Insel am 12. April der Fall sein, es wären dann 73,4 Prozent der Briten gegen das Coronavirus immun.

Insgesamt haben bisher mehr als 31 Millionen Briten die Erstimpfung erhalten, knapp die Hälfte der Bevölkerung. Zudem hätten vier Millionen Menschen eine Coronavirus-Infektion durchlebt, heißt es in dem Bericht. Zudem verfügen nach Ansicht des UCL -Forschers Karl Friston rund zehn Prozent über eine natürliche Immunität gegen das Virus. „Basierend auf den Kontaktraten zu Beginn der Pandemie und dem geschätzten Übertragungsrisiko liegt dies fast an der Schwelle der Herdenimmunität“, sagte der Wissenschaftler dem „Daily Telegraph“ mit Blick auf eine Modellrechnung.

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Allerdings sind sich Wissenschaftler nicht einig, wie hoch der Schwellenwert für die Herdenimmunität genau ist. Der US-Seuchenexperte und international anerkannte Virologe Anthony Fauci hatte bereits gesagt, er gehe davon aus, dass ein Wert von 80 bis 90 Prozent erreicht werden müsse. Die „Daily Mail“ schreibt, der leitende wissenschaftliche Berater der britischen Regierung, Sir Patrick Vallance, habe im März 2020 eine Zahl von 60 Prozent genannt. Wegen der deutlich ansteckenderen Virusvarianten gehen aber viele Forscher inzwischen davon aus, dass ein deutlich höherer Wert erreicht werden muss.

Premier Boris Johnson nach seiner Impfung mit Astrazeneca.
Premier Boris Johnson nach seiner Impfung mit Astrazeneca.
© Imago Images/Xinhua/Andrew Persons

Mit rund 130.000 Toten ist Großbritannien noch immer eines der am schwersten von der Pandemie getroffenen Länder. Nach einem knallharten Lockdown und einer Turbo-Impfkampagne sank die Sieben-Tage-Inzidenz aber auf um die 35 – in Deutschland stieg sie am Freitag wieder auf 110.

In England stehen die Zeichen daher nun auf Lockerungen. Der Fahrplan von Premier Boris Johnson sieht vor, dass bis zum 21. Juni der Großteil aller Corona-Maßnahmen aufgehoben werden soll. Offene Schulen seit März, Biergärten und Shoppen ab Mitte April, private Besuche und möglicherweise Reisen ab Mitte Mai, so sieht es der „vorsichtige, aber unwiderrufliche Weg“ vor, den Johnson nicht müde wird zu betonen – und auf dessen Zwischenetappen er sich auch selbst offenbar freut. „Am Montag, den 12., werde ich selbst zu einem Pub gehen und vorsichtig, aber unwiderruflich, ein Bier an meine Lippen führen“, sagte er am Ostermontag.

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