Umweltverschmutzung: 4,6 Millionen Tonnen zu viel Dieselabgase
Im alltäglichen Verkehr produzieren Diesel-Fahrzeuge viel mehr Stickoxide als in Labortests errechnet.
Abgasmessungen von Diesel-Autos, die unter Laborbedingungen stattfinden, spiegeln nicht den tatsächlichen Schadstoffausstoß im alltäglichen Verkehr wieder – auch ohne dass Autokonzerne wie Volkswagen Schummelsoftware einbauen, um mit gefälschten Messwerten gesetzliche Grenzwerte einzuhalten. Zu diesem Schluss kommen Forscher der Universität Colorado in Boulder, USA, im Fachblatt „Nature“.
13 Millionen Tonnen Stickoxide pro Jahr
Demnach haben Dieselfahrzeuge 2015 weltweit insgesamt 13,1 Millionen Tonnen Stickoxide produziert haben – 4,6 Millionen Tonnen mehr als den Emissionsstandards nach erlaubt ist, errechnete das Forscherteam um Daven Henze nach einer Metaanalyse von 30 Studien über Schadstoffemissionen unter Alltagsbedingungen in der Europäischen Union, den USA und neun weiteren Märkten. Die Forscher schätzen, dass diese zusätzlichen Schadstoffmengen 2015 zum vorzeitigen Tod von etwa 38 000 Menschen weltweit beigetragen haben. Derzeit werden Stickoxide allein in Europa für 28 000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verantwortlich gemacht, 11 500 davon gehen auf das Konto von Stickoxidmengen, die trotz gesetzlicher Vorgaben über den erlaubten Grenzwerten liegen. 2040 steige die Zahl der durch Stickoxide bedingten Todesfälle auf 183 600, so die Forscher.
Im laufenden Verkehr messen
Bislang habe das Augenmerk auf Software gelegen, mit der Autohersteller wie Volkswagen die tatsächliche Menge von Schadstoffen in den Abgasen ihrer Dieselfahrzeuge manipulieren, sagt Ingenieur Daven Henze. „Aber unsere Arbeit offenbart ein viel größeres Problem.“ Auch korrekt in den Werkstätten oder Labors gemessene Abgase spiegeln nicht den tatsächlichen Schadstoffausstoß im Straßenverkehr wider. Deshalb müsse schon jetzt, zusätzlich zu künftig strengeren Grenzwerten für Abgase, darauf geachtet werden, dass die bereits bestehenden Standards unter realen Bedingungen im alltäglichen Verkehr eingehalten werden. Sowohl vor dem Verkauf eines Autos als auch später im laufenden Betrieb müssten die Fahrzeugemissionen bei verschiedenen Geschwindigkeiten und unterschiedlichen Fahrstilen und Temperaturbedingungen getestet werden. Geeignete mobile Messgeräte, die das Abgasspektrum im laufenden Verkehr messen können, gebe es bereits. „So könnten jedes Jahr Hunderttausende vom vorzeitigen Tod durch luftverschmutzungsbedingte Erkrankungen bewahrt werden“, sagt Susan Anenberg, ebenfalls an der Studie beteiligte Forscherin.
Sascha Karberg