Demographie: 2100 ist jeder Dritte Afrikaner
Die Menschheit wächst: In 86 Jahren werden zwei Milliarden mehr auf der Erde leben als bislang angenommen. Alte Berechnungen müssen revidiert werden.
Die Weltbevölkerung wächst stärker als angenommen. Das ist das Ergebnis einer Studie der Universität von Washington in Seattle und der Vereinten Nationen. Für 2100 rechnen die Forscher mit elf Milliarden Menschen, zwei Milliarden mehr als bislang prognostiziert. Ursache ist vor allem das starke Wachstum Afrikas von heute einer Milliarde auf vier Milliarden Menschen im Jahr 2100.
„In den vergangenen 20 Jahren war man sich einig, dass die Weltbevölkerung von heute sieben auf höchstens neun Milliarden Menschen zunehmen wird und dann stagniert oder vermutlich sogar zurückgeht“, sagte Adrian Raftery von der Universität von Washington, einer der Studienautoren, laut einer Pressemitteilung. „Wir fanden jedoch heraus, dass sich die Weltbevölkerung mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent in diesem Jahrhundert nicht stabilisieren wird.“
Die online im Fachblatt „Science“ veröffentlichte Untersuchung bündelt die von den Vereinten Nationen (UN) im Juli veröffentlichten Bevölkerungsdaten. Sie ist der erste UN-Bevölkerungsbericht, der moderne statistische Verfahren benutzt. Die Methode namens Bayes-Statistik kombiniert alle verfügbaren Informationen und erzeugt so bessere Vorhersagen.
In Nigeria steigt die Bevölkerung um das Fünffache
Weltweit geht die Fruchtbarkeit seit Jahrzehnten zurück, Frauen bekommen im Durchschnitt deutlich weniger Kinder als früher. Das gilt besonders für Lateinamerika und Asien und in gewissem Maß auch für Afrika. Ein weiterer Rückgang ist bei der jetzigen Prognose schon einkalkuliert. „Würde man bei der Berechnung die heutige Geburtenrate zugrunde legen, wären wir bei fast 30 Milliarden Menschen im Jahr 2100“, sagt Christoph Behrends, Sprecher der Stiftung Weltbevölkerung.
Die Fruchtbarkeit im südlichen Afrika hat sich zwar verringert, ist aber mit im Mittel 4,6 Kindern pro Frau immer noch hoch. Gründe dafür sind nach Ansicht von Wissenschaftlern traditionelle familiäre Wertvorstellungen und der Mangel an Verhütungsmitteln. Für Nigeria, das bevölkerungsreichste Land Afrikas, bedeutet das einen mutmaßlichen Anstieg der Bevölkerung auf mehr als das Fünffache – von heute 160 auf 914 Millionen Menschen im Jahr 2100.
Allerdings geben die Forscher zu, dass diese Berechnung mit Unsicherheiten behaftet ist. Aber es sei zu 90 Prozent wahrscheinlich, dass Nigerias Bevölkerung 532 Millionen übersteigen werde. Deutlich „ruhiger“ geht es in den anderen Weltregionen zu. Asien trägt heute 4,4 Milliarden Menschen. Es wird voraussichtlich um das Jahr 2050 die Fünf-Milliarden-Marke erreichen, danach schrumpft die Bevölkerungszahl allmählich. Nordamerika, Europa und Lateinamerika werden jeweils unter der Milliardenmarke bleiben.
Außerdem haben die Wissenschaftler sich mit den Folgen der Überalterung am Beispiel Deutschlands beschäftigt. Ein Maß dafür ist das Verhältnis der arbeitenden Bevölkerung zwischen 20 und 64 Jahren zur Gruppe derjenigen, die 65 oder älter sind. Es beträgt zur Zeit in der Bundesrepublik 2,9. Auf einen Rentner kommen also knapp drei Bundesbürger im erwerbsfähigen Alter. Das wird sich in den nächsten Jahrzehnten rasch ändern. 2035 liegt das Verhältnis bei 1,7 und im Jahr 2100 bei etwa 1,4. Zum Vergleich: In den USA sinkt das Verhältnis von heute 4,6 auf 1,9 im Jahr 2100.
Bestehende Probleme verschärfen sich
Der Bevölkerungszuwachs kann Probleme wie den Klimawandel, Seuchen und Armut verschärfen, mahnen die Forscher. Und sie weisen darauf hin, dass sie negative Rückkopplungen des starken Wachstums, etwa durch Mangel an Nahrungsmitteln oder anderen Ressourcen, nicht in ihre Berechnungen einbezogen haben. Aber natürlich ist es denkbar, dass das Wachstum aufgrund fehlender Mittel irgendwann an Grenzen stößt.
Familienplanungsprogramme, Zugang zu Verhütungsmitteln und bessere Bildungsmöglichkeiten für Frauen können in Ländern mit raschem Bevölkerungswachstum dazu beitragen, die hohe Geburtenrate zu verringern. Auf der anderen Seite werden Länder wie Nigeria mit ihrer jungen Bevölkerung dem Problem der Überalterung noch längere Zeit gut begegnen können, heißt es in der Studie. China, Brasilien und Indien dagegen werden noch in diesem Jahrhundert alternde Gesellschaften werden. Und damit zu Deutschland aufschließen.
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