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Zum Beispiel im Café. Das Versprechen vieler Anbieter ist groß: Man kann mal eben schnell einen leichten Job erledigen.
© Christin Hume/Unsplash

Arbeitswelt 4.0: Zwischendurch mal Geld verdienen

Prekäres Modell oder Alternative zum starren Arbeitsalltag? Was hinter Crowdworking steckt.

Im Sommer im Park arbeiten, im Winter von der heimischen Couch aus, mal nur für zwei Stunden den Laptop aufklappen, dann wieder die halbe Nacht vorm Rechner hocken: Für viele klingt das wie der Traum vom Arbeiten. Selbstbestimmt und flexibel, just nach Lust und Laune.

Diese schöne neue Arbeitswelt nennt sich neudeutsch Crowdworking oder Gigworking und ist eine spezielle Form der Selbstständigkeit: Die Arbeitssuchenden registrieren sich auf speziellen Crowdworking-Plattformen, auf denen ihnen Angebote offeriert werden, stehen also nicht direkt mit dem Auftraggeber in Kontakt. Sie treten häufig mit anderen Freien in den Wettbewerb, der Beste bekommt den Job. Bei vielen Plattformen werden sehr einfache Aufgaben vergeben, wie Fotos verschlagworten, Audiodateien transkribieren oder an Umfragen teilnehmen. Die Arbeiten werden online erledigt.

Die Arbeitswelt wandelt sich. Im Zuge der Digitalisierung ändern sich Arbeitsprozesse und Arbeitsweisen. Der Trend geht weg von langfristigen Anstellungen und festen Arbeitsplätzen hin zu freiem Arbeiten. Anders ausgedrückt: Die Unternehmen lagern mehr und mehr Tätigkeiten aus. Denn das ist meist billiger für sie.

Befördert wird dieser Trend durch Marktplätze, die Firmen und Crowdworker zusammenbringen. „Clickworker“ ist eine der größten und bekanntesten unter ihnen. Die Plattform existiert seit 2008. 1,6 Millionen Menschen weltweit sind mittlerweile registriert, 240 000 davon in Deutschland. Nach und nach sind hierzulande weitere Plattformen an den Start gegangen, etwa Amazon Mechanical Turk, Crowd Guru oder Upwork.

Dass diese Plattformen nicht nur von Seiten der Auftraggeber, sondern auch von Auftragnehmern immer mehr Zulauf bekommen, liegt an dem schönen Versprechen, das sie geben: Man kann jederzeit zwischendurch, von zu Hause oder während man in der Bahn sitzt, ein paar Euro verdienen. Die Arbeiten sind zudem meist leicht auszuführen. Auch das Prozedere ist einfach: Der Interessent registriert sich, bei Bedarf wird er angefragt. Möchte er den Job machen, sagt er zu. Ist er ausgebucht oder das Angebot gefällt ihm nicht, lehnt er ab.

Diese Form der Arbeit ohne große Verpflichtung ist offenbar gerade für Jüngere reizvoll. Viele Studierende arbeiten auf diese Weise. Bei Clickworker.de machen sie laut Sprecherin Ines Maione die mit Abstand größte Nutzergruppe aus. An zweiter Stelle stehen Selbstständige, die so Auftragslücken füllen. Für sie kann Plattformarbeit eine recht gute Sache sein. Das gleiche gilt etwa für Mütter mit kleinen Kindern. „Auch wer auf dem Land lebt, weit weg von der nächsten Arbeitsstelle, kann mit der digitalen Heimarbeit leichter Geld verdienen“, sagt Christine Gerber vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Im Grunde kommt Crowdworking für alle infrage, die nicht die Kapazitäten oder den Lebensrhythmus für eine geregelte Arbeit haben.

Als Ersatz für ein Vollzeit-Angestelltenverhältnis ist Crowdworking indes eher nicht geeignet. Laut Karl-Heinz Brandl von der Gewerkschaft ver.di „arbeiten von den deutschlandweit rund 300 000 bis 500 000 aktiven Crowdworkern höchstens 3000 erwerbssichernd, das heißt, sie verdienen so viel, dass sie davon leben können“. Eine Studie der Uni Kassel und der Hans-Böckler-Stiftung kommt zwar zu einem anderen Ergebnis. Darin heißt es, dass rund 20 Prozent der Crowdworker die Plattformen hauptberuflich nutzen. Allerdings beträgt ihr mittleres Einkommen nur rund 1500 Euro. Ob das zum Leben reicht, ist fraglich. „An sich ist Gigworking ein super prekäres Jobmodell“, sagt Gerber.

Die Bezahlung ist oft schlecht. Laut Maione verdienen Clickworker im Schnitt neun Euro pro Stunde brutto. Doch selbst dieser Betrag lässt sich nicht immer erzielen. Denn der Stundenlohn wird nur erreicht, wenn die Arbeit in der vorgegebenen Zeit erledigt wird, die ist aber oft zu knapp bemessen. Oder die Arbeit kommt zurück, soll nachgebessert werden und diese Zusatzarbeit wird nicht entlohnt, sagt Gerber.

Wer faires oder auch gutes Geld verdienen will, sollte daher nicht für „Mikroplattformen“, die einfache Aufgaben vergeben, tätig werden, für sie seien Makroplattformen wie Jovoto, 99designs oder Topcoder eine Alternative. Solche Marktplätze richten sich an Menschen mit Fachwissen, oft sind sie auf eine spezielle Branche spezialisiert. „Man kann über solche Plattformen namhafte Kunden akquirieren, zu denen man direkt vielleicht gar keinen Zugang hätte“, nennt Gerber den großen Vorteil. Dazu reiche es aber oft nicht, gut zu sein. Man brauche auch Glück und sollte sich vermarkten können. Die Plattformen stehen aber vor allem in der Kritik, weil auch sie „den Kostendruck vorantreiben“, sagt Brandl. „Außerdem zählen verbriefte Qualifikationen nicht mehr viel.“ Liefert der Hobby-Designer so gute Arbeit wie der mit akademischen Titel, interessiert der Titel niemanden mehr. Was viel mehr zählt, ist ein positives Ranking. Das bekommt man aber keineswegs nur aufgrund seiner Leistung. Bewertet werden die abenteuerlichsten Dinge, zum Beispiel, wie viele Likes man von der Community erhält.

Das gilt auch für die Mikroplattformen. Hier fließt zweifelhafter Weise etwa ins Ranking ein, ob man sich regelmäßig an Tests beteiligt oder wie viele Aufträge man erledigt. Hinzu kommt, so Gerber, dass „die Algorithmen weder fair noch transparent“ sind. Auch das gehört zur neuen, flexiblen Arbeitswelt.

Sabine Hölper

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