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Beschäftigte mehrerer Schiff- und Maschinenbaubetriebe im Seehafen Rostock waren in Warnstreik getreten.
© Bernd Wüstneck/dpa

Tarifkonflikt in der Metallindustrie: Worum es Arbeitnehmern und Arbeitgebern geht

Der Tarifkonflikt in der Metallindustrie eskaliert wegen der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung. Droht ein heftiger Arbeitskampf? Fragen und Antworten zum Thema.

Wider Erwarten haben sich die Tarifparteien in der Metallindustrie am Wochenende nicht auf einen Kompromiss verständigen können. Nun forciert die IG Metall den Konflikt, indem sie erstmals zu Tagesstreiks aufruft und damit im Verlauf dieser Woche mehr als 250 Unternehmen lahmlegt. Die Arbeitgeber wiederum wollen vor Gericht die Streiks verbieten lassen.

Was steht auf dem Spiel?

Tarifauseinandersetzungen sind Verteilungskonflikte, in denen es in der Regel nur ums Geld geht. Im aktuellen Streit ist das anders, denn die IG Metall will Geld und Zeit. Die mit 2,3 Millionen Mitgliedern größte deutsche Gewerkschaft fordert eine Tariferhöhung um sechs Prozent bei einer Laufzeit des neuen Tarifs von zwölf Monaten.

Daneben will sie einen individuellen Anspruch auf eine Arbeitszeitverkürzung bis 28 Wochenstunden mit Rückkehrrecht auf Vollzeit durchsetzen und dazu einen Teillohnausgleich für bestimmte Beschäftigte: Arbeitnehmer mit Kindern unter 14 Jahren oder mit pflegebedürftigen Angehörigen sollen für die Dauer von zwei Jahren einen Teillohnausgleich von 200 Euro/Monat bekommen, sofern sie die Arbeitszeit um mindestens 3,5 Stunden/Woche reduzieren. Schließlich möchte die IG Metall noch einen Teillohnausgleich von 750Euro im Jahr für Schichtarbeiter, wenn die ihre Arbeitszeit reduzieren. Über dieses Forderungstableau wird seit Wochen in den Tarifbezirken verhandelt.

Warum ist das so kompliziert?

Weil die Arbeitgeber zwar bereit sind, in der aktuellen Hochkonjunktur mit Rekordgewinnen die Löhne ordentlich anzuheben. Doch beim Thema Arbeitszeit sind sie extrem widerständig. Um die 35-Stunden-Woche im Westen durchzusetzen, brauchte die IG Metall Jahrzehnte und wochenlange Streiks. Im Osten ging das sogar schief, 2003 verlor hier die Gewerkschaft den Arbeitskampf um die 35-Stunden-Woche. Aktuell will die IG Metall selbstbestimmte Arbeitszeit für ihre Mitglieder sowie Begünstigungen für besonders belastete Arbeitnehmer. Den Teillohnausgleich für bestimmte Beschäftigtengruppen lehnen die Arbeitgeber als „Stilllegungsprämie für Arbeitnehmer“ kategorisch ab. Wenn alle Anspruchsberechtigten mit dem Teillohnausgleich die Arbeitszeit verkürzen würden, dann fehlten den Betrieben in Summe rund 180000 Leute, hat der Arbeitgeberverband Gesamtmetall ausgerechnet. Und das in diesen Zeiten des Fachkräftemangels.

Mit Hilfe eines Rechtsgutachtens weist Gesamtmetall die Forderung zurück: Wenn nur bestimmte Beschäftigtengruppen von dem Teillohnausgleich profitierten, dann verstoße das gegen das Diskriminierungsverbot und sei rechtswidrig. Daraus lasse sich ableiten, dass bereits die Forderung und mithin auch Streiks zur Durchsetzung der Forderung rechtswidrig seine, argumentieren die Arbeitgeber und wollen deshalb jetzt klagen. Den individuellen Anspruch auf eine 28-Stunden-Woche lehnen die Arbeitgeber zwar auch ab, doch wenn sie im Gegenzug die Möglichkeit bekommen, mehr Beschäftigte länger arbeiten zu lassen, das Arbeitsvolumen im Betrieb insgesamt also konstant bliebe, dann ist an diesem Punkt eine Verständigung möglich. Die IG Metall aber beharrt auf der 35-Stunden-Woche als Richtgröße. Bislang schon dürfen bis zu 18 Prozent der Beschäftigten bis zu 40 Stunden arbeiten. Diese Quote wollen die Arbeitgeber gerne erhöhen, was die IG Metall aber als Angriff auf die 35-Stunden-Woche strikt ablehnt.

Was ist bislang passiert?

Vor acht Tagen kam Bewegung in die Fronten, als eine Expertengruppe beider Seiten Lösungsmodelle entwickelte. Den ersten Schritt machte die IG Metall, in dem sie auf den finanziellen Lohnausgleich verzichtete und stattdessen das Motto „Zeit statt Geld“ ausrief. Dazu sollte ein Teil der vereinbarten Entgelterhöhung für die Aufstockung des Urlaubsgeldes verwendet werden. Dieses zusätzliche Urlaubsgeld hätten dann alle Arbeitnehmer in freie Tage umwandeln können. Bevor die Gespräche am Sonnabendmorgen abgebrochen wurden, lag der Vorschlag sechs freier Tage auf dem Tisch. Die Arbeitgeber waren bereit, auf acht zu gehen – wenn gleichzeitig die prozentuale Lohnerhöhung um 0,7 Prozent reduziert worden wäre. Das lehnte die IG Metall ab.

Für Schichtarbeiter sowie die Arbeitnehmer mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen sollte es noch einen Schnaps oben drauf geben. Doch auch hier hakten die Verhandlungen, weil die Arbeitgeber den Personenkreis einschränken wollten. Die IG Metall wollte Arbeitnehmer mit Kindern bis zu 14 Jahren und mit Pflegebedürftigen besonders fördern; die Arbeitgeber ihrerseits zogen die Grenze bei acht Jahren, und als pflegebedürftige Angehörige sollten nur Verwandte ersten Grades gelten. Und nur für solche Schichtarbeiter hätte es eine Begünstigung gegeben, die mindestens 20Jahre im Betrieb sind und dreischichtig arbeiten. Das lehnte die IG Metall ebenso ab wie das materielle Angebot der Arbeitgeber. Für eine ungewöhnlich lange Vertragslaufzeit von 27 Monaten hatten die Arbeitgeber mehr Urlaubsgeld sowie Entgelterhöhungen in zwei Stufen angeboten und das Volumen insgesamt mit 6,8 Prozent beziffert. Nach Rechnung der IG Metall lag das Angebot nur bei rund sechs Prozent, was angesichts der Laufzeit und der Profite der Firmen für die Gewerkschaft nicht ausreicht.

Wie geht es weiter?

Die IG Metall dreht behutsam an der Konfliktschraube und hat die Verhandlungen noch nicht für gescheitert erklärt. Zwischen den harmlosen Warnstreiks, an denen sich in den vergangenen Wochen fast eine Million Metaller beteiligt hatten, und einem unbefristeten Erzwingungsstreik in der Fläche, liegt das Instrument des Tagesstreiks. Rund 250 Unternehmen wird die Gewerkschaft in dieser Woche jeweils einen Tag lahmlegen und damit wegen der engen Wertschöpfungsketten die gesamte Metallindustrie schädigen. In Berlin sind Mercedes in Marienfelde und das Motorradwerk von BMW in Spandau betroffen. Am Wochenende kehren die Kontrahenten dann vermutlich wieder in Stuttgart an den Verhandlungstisch zu einer weiteren langen Nacht zurück. Auf beiden Seiten des Tisches wird man am Ende sagen können, alles für seine Klientel versucht zu haben und den Abschluss verteidigen. So läuft das Tarifspiel. Doch ein Restrisiko bleibt. Mit jedem Streiktag steigen die Erwartungen der Streikenden und drohen sich die Fronten zu verhärten. Wenn der Konflikt den Tarifpartnern entgleitet, dann gäbe es erstmals seit 2003 wieder einen Arbeitskampf in der wichtigsten Branche der deutschen Wirtschaft.

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