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Bei frischem Obst und Gemüse aus dem Gewächshaus dürften die hohen Energiekosten preistreibend wirken.
© Wolfgang Maria Weber/Imago

Inflation steigt auf 7,4 Prozent: Wofür man in Deutschland bald mehr bezahlen muss

Konsumgüter und Lebensmittel werden teurer. Verbraucherschützer geben Tipps, um im Alltag zu sparen. Energieverbände fordern mehr Entlastung.

Die Inflation in Deutschland bleibt auf hohem Niveau. Im April stiegen die Preise im Durchschnitt um 7,4 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in einer ersten Schätzung mitteilte. „Ähnlich hoch war die Inflationsrate in Deutschland zuletzt im Herbst 1981, als infolge des Ersten Golfkriegs zwischen dem Irak und Iran die Mineralölpreise ebenfalls stark gestiegen waren“, teilte die Behörde dazu mit.

Haupttreiber der Preise bleiben die Energiekosten, die um 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zulegten. Mit Blick auf den Vormonat stiegen die Preise um 0,8 Prozent.

Während die Energiekosten im März aber noch stärker zugelegt hatten, kommen die Preissteigerungen jetzt auch bei Konsumgütern und Lebensmitteln verstärkt an. Im April wurden Obst, Gemüse, Fleisch oder Getränke den Angaben zufolge um 8,5 Prozent teurer, im März hatte die Rate bei 6,2 Prozent gelegen.

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„Die Preise für Nahrungsmittel sind stärker gestiegen als im Vormonat und dürften damit einen stärkeren Beitrag zur hohen Inflation geleistet haben als in den Vormonaten“, kommentierte Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung die Zahlen.

Die gestiegenen Preise für Düngemittel und die absehbar ausfallenden Getreidelieferungen aus der Ukraine haben die Preise für Lebensmittel auf den Weltmärkten bereits in die Höhe getrieben, so Dullien weiter. „Auch bei frischem Obst und Gemüse aus dem Gewächshaus dürften zudem die hohen Energiekosten in den nächsten Monaten preistreibend wirken.“

Weitere Preiserhöhungen bei Konsumgütern

Die nächsten Preiserhöhungen wurden am Donnerstag ebenfalls angekündigt. Der Konsumgüterkonzern Unilever, Hersteller etwa von Dove-Seife und Ben & Jerry's-Eis, teilte mit: „Wir sind uns des Drucks auf die Verbraucher bewusst, glauben aber, dass eine Preiserhöhung als Reaktion auf den extremen Kostendruck bei den Rohstoffen das Richtige ist.“

Vor allem für die Konzernbilanz dürfte es das Richtige sein. Im ersten Quartal jedenfalls konnte Unilever ein sinkendes Absatzvolumen wettmachen, indem er die Preise um 8,3 Prozent hochschraubte. Der Umsatz stieg sogar um 7,3 Prozent. Auch andere Konsumgüterkonzerne wie Nestle und Procter & Gamble (P&G) haben die Preise für ihre Produkte erhöht. Am Donnerstag stimmte auch der deutsche Beiersdorf-Konzern seine Kunden auf weitere Preiserhöhungen für seine Produkte wie Nivea ein.

Die Preise wirken sich auf das Konsumverhalten der Kunden aus, wie eine Umfrage im Auftrag von Ebay Kleinanzeigen ergab. Fast ein Viertel der Befragten müssen aufgrund der Inflation demnach bereits im alltäglichen Leben sparen. Drei von vier über 18-Jährige hätten bereits konkrete Maßnahmen ergriffen, um beim Einkaufen zu sparen. Knapp die Hälfte versucht, Waren günstiger oder gebraucht zu kaufen. 44 Prozent nutzen Rabattaktionen.
Verbraucherschützer betonen wiederholt kleine Kniffe, um im Alltag Geld zu sparen.

Ein Haushaltsbuch hilft, den Überblick zu behalten

So rät die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, mit einem Einkaufsplan sowie Maximalbudget in den Supermarkt zu gehen. Spontankäufe verursachen oft unentdeckte Mehrkosten. Im Laden lohne es sich, auf saisonales Obst und Gemüse zurückzugreifen und auf Produkte, die kurz vor Ende des Mindesthaltbarkeitsdatums sind. Wichtig für Zuhause sei es, die Lebensmittel richtig zu lagern, damit sie länger halten und nicht als verschwendete Ressource im Müll landen. Auch ein Haushaltsbuch helfe dabei, unnötige Kosten zu entdecken und die Übersicht zu behalten, wie viel Budget für den Monat noch vorhanden sei.

Viele Verbraucher:innen nutzen vermehrt Rabattaktionen.
Viele Verbraucher:innen nutzen vermehrt Rabattaktionen.
© dpa/Oliver Berg

Bei den Energiekosten kann man ebenfalls den Verbrauch senken. Wer die Heizung auch nur um ein Grad runterdrehe, spare dabei sechs Prozent, wie Thorsten Storck vom Vergleichsportal Verivox dem RND sagte. Wichtig sei auch darauf zu achten, dass die Heizung nicht durch Möbel verdeckt sei – Staub und Flusen können die Wärmeabgabe mindern, schreibt die Verbraucherzentrale. Laut Storck spart man zudem durch Stoßlüften statt „auf Kipp“ rund zwölf Prozent Energie, was sich mit knapp 200 Euro weniger pro Jahr bemerkbar mache.

Für weniger Stromverbrauch sollte man lieber den Stecker ziehen: Standby Modi ziehen weiterhin Energie. Laut Storck kostet jedes verschwendete Watt 3,06 Euro im Jahr. Sind alle Geräte vom Netz getrennt, oder mit einer Steckerleiste abgeschaltet, sparen Verbraucher:innen bis zu zehn Prozent der Stromkosten.

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Energieverbände fordern neben der Abschaffung der EEG-Umlage zusätzliche Entlastungen für Verbraucherinnen und Verbraucher. „Die Abschaffung der EEG-Umlage allein kann die extrem gestiegenen Beschaffungskosten nicht ausgleichen“, erklärte die Vorsitzende des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae, am Donnerstag. Sie forderte eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Strom und Gas von 19 auf sieben Prozent. Zudem sollte das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Klimageld weiter vorangetrieben und um eine Energiekostenkomponente ergänzt werden.

Doch all diese kleinen Maßnahmen ändern nichts an der Gesamtsituation – und hier sieht es nicht so aus, als käme die Inflation zu einer baldigen Abschwächung. Die Preissteigerungen dürften „sehr wahrscheinlich“ in den kommenden Monaten hoch bleiben, warnte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos am Donnerstag vor dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europa-Parlaments.

Im März erreichte die Inflationsrate im gesamte Euroraum mit ebenfalls 7,4 Prozent ein Rekordhoch. De Guindos betonte, die EZB werde mit Blick auf den anhaltenden Preisauftrieb die seit Jahren sehr lockere Geldpolitik weiter normalisieren. Und er fügte hinzu: „Ich kann Ihnen versichern, dass wir zum Handeln bereit sind.“

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