zum Hauptinhalt
Das Briefgeheimnis: Die Kästen werden geleert - aber was geschieht anschließend mit der Post?
© picture-alliance

Der Streik und seine Folgen: Wo bleibt die Post?

Der Poststreik geht weiter und wird sogar ausgedehnt. Laut Unternehmen kommen 80 Prozent der Post an. Doch viele Kunden können daran nicht glauben, auch in einigen Berliner Bezirken nicht.

Von Maris Hubschmid

Die Post bleibt ein Problemfall. Nach drei Wochen unbefristeten Streiks hat die Gewerkschaft Verdi am Freitag angekündigt, den Arbeitskampf weiter auszudehnen. Mittlerweile seien bundesweit mehr als 32.500 Mitarbeiter im Streik, teilte die Gewerkschaft mit – das Unternehmen spricht von 29.500. Auch vor Gericht wird der Konflikt, bei dem es im Kern um die Gründung von 49 Tochtergesellschaften geht, weiter ausgetragen: Nach einer Niederlage wegen des Einsatzes von Beamten auf bestreikten Posten im Mai ist Verdi ein zweites Mal vor das Arbeitsgericht Bonn gezogen. Diesmal will sie beweisen, dass mindestens 22 Postbeamte unfreiwillig streikende Kollegen vertreten haben. Das Land Niedersachsen untersagte dem Unternehmen am Freitag derweil, sonntags zuzustellen. So war es in den vergangenen Wochen in mehreren Städten geschehen, um die Streikfolgen, wie der Konzern sagt, „weiterhin möglichst gering zu halten“.

Kein einziger Brief in drei Wochen

Glaubt man dem Unternehmen, dann gelingt das bisher auch ganz gut. 80 Prozent aller Briefe und Pakete, heißt es, erreichten innerhalb der regulären Laufzeit ihr Ziel. Für viele Kunden fühlt sich das jedoch anders an. Zwei von drei Onlinehändlern, meldet der Branchenverband BVOH, kämpfen mit sinkenden Umsätzen. In sozialen Netzwerken mehren sich Frustbekundungen und Spott: Erst recht, nachdem das Unternehmen ein neues Titelbild für seinen Facebook-Account hochlud. Zu sehen sind Palmenstrand und Sonnenschirm, dazu der Slogan: „Sommer, Sonne, Urlaubspost.“ - „Urlaubspost? 2016 oder 2017?“, schreibt eine Nutzerin. „Das ist zynisch“, ein anderer User. Er überlege ernsthaft, auf Flaschenpost umzustellen. In seinem Briefkasten jedenfalls herrsche seit Wochen gähnende Leere.

In Berlin scheint sich diesbezüglich ein merkliches Ungleichgewicht herauszukristallisieren. Während in einigen Stadtteilen wie etwa Charlottenburg oder Zehlendorf die Zustellung offenbar zumindest eingeschränkt funktioniert, klagt man in anderen Vierteln, dass rein gar nichts passiert.

So schreibt ein Kita-Träger in Prenzlauer Berg, die Einrichtung habe seit 16 Tagen „keinen einzigen Brief bekommen“. Auch aus Lankwitz, Friedrichshain und Haselhorst melden sich verzweifelte Kunden. Ein 81-jähriger Mann aus Schönefeld berichtet, als Privatpatienten müssten seine Frau und er die Kosten für eine Brustkrebsbehandlung vorstrecken. Die Rechnungen für die Chemotherapie schicke er wöchentlich an die Krankenkasse. „Aber seit Anfang Juni bekommen wir kein Geld mehr ersetzt, weil die Kasse sagt, sie habe keine Belege erhalten.“

Aushilfen werden nicht flexibel eingesetzt

Das Bemerkenswerte: In vielen Fällen beobachten die Kunden, dass nur wenige Häuserblocks entfernt sehr wohl Post zugestellt wird. Mithin sogar bei Adressen mit der gleichen Postleitzahl. In Frohnau etwa wartet Henning Opitz, Vorsitzender des Freundeskreises des Deutschen Handballs, seit Wochen auf „wichtige Verträge, die fristgebunden sind“. In der Nachbarschaft sehe er immer wieder Briefträger. Auf seine Beschwerden hin schrieb ihm die Post wiederholt, man bemühe sich um Abhilfe. Was daran so schwer ist, erschließt sich ihm nicht: „Die verbeamteten Zusteller in Hermsdorf müssten doch so flexibel einsetzbar sein, dass sie wenigstens an dem einem oder anderen Tag auch mal die Post von anderen Touren übernehmen.“

Eben nicht, heißt es bei der Deutschen Post. Die Streikbeteiligung sei je nach Zustellbasis sehr unterschiedlich – und variiere von Tag zu Tag. „Wir müssen jeden Morgen selber sehen, wo wer zur Arbeit erscheint“, erklärt eine Postsprecherin. Auch die Post könne „nicht in die Glaskugel schauen“. Dazu, wer die Aushilfen koordiniert und disponiert, dürfe man leider keine Angaben machen. Nur soviel verrät der Konzern: Aushilfskräfte seien in der Regel einem bestimmten Stützpunkt zugeteilt und dort eingearbeitet. Weder gewährt die Post Einblick, in welchen Bezirken es besonders hakt, noch gibt es Informationen über die regionale Situation. Beim Pflanzversand Baldur aber beobachtet man, dass „die Zahl der Reklamationen aus dem Raum Berlin in diesen Wochen besonders hoch ist.“ Viele der Pflanzen, die das Unternehmen auf den Weg bringt, kämen, wenn überhaupt, nur vertrocknet an.

In Berlin werden Abiturienten und Studenten gesucht

Soviel immerhin ist sicher: Aktuell sucht das Unternehmen per Anzeige Abiturienten und studentische Aushilfen für Berlin. Um das erhöhte Sendungsaufkommen, das sich angesammelt hat, zu bewältigen, hat der Konzern Lagerhallen angemietet – auch in Berlin. Dort würden aber keineswegs Briefe oder Pakete „weggesperrt“, betont die Post- Sprecherin. Sie könnten dort von Kunden abgeholt werden.

Zur Startseite