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Ganz natürlich. Zu den Superfoods zählen zum Beispiel Goji Beeren.
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Der Hype um Superfoods: Wirklich super? Oder einfach ein lohnendes Geschäft?

Exotische Beeren, Nüsse und Gemüse werden als sogenannte Superfoods verkauft. Sie sollen die Gesundheit fördern und schlanker machen. Für den Handel ist das vor allem eines: ein gutes Geschäft.

Acai, Goji oder Chia. Schon mal gehört? Das sind Superfoods, die als echte Nährstoffbomben gelten. Sie verlangsamen wahlweise den Alterungsprozess, wirken gegen Krankheiten, lassen uns fit und vital aussehen – oder gleich alles zusammen.

Superfoods sind wenig bis gar nicht verarbeitete Lebensmittel wie Früchte, Gemüse, aber auch Nüsse und Getreidesorten. Meistens sind es Exoten, die weit transportiert werden müssen. So wächst die Acai-Beere ausschließlich in Brasilien. Weil man die empfindlichen Beeren nicht über den Ozean schippern kann, ohne dass sie auf dem Weg vergammeln, gibt es hierzulande hauptsächlich Acaipulver, für das die Beeren zuerst gefriergetrocknet und dann gemahlen werden. Manchmal findet man auch gekühlte Fruchtpürees.

Nährstoffreiche, gesundheitsfördernde Lebensmittel

Dabei ist gar nicht richtig definiert, was ein Superfood eigentlich ist und was es können muss, um so bezeichnet werden zu dürfen. „Es sind nährstoffreiche Lebensmittel, die als förderlich für Gesundheit und Wohlbefinden gelten“, sagt Antje Gahl, Ernährungswissenschaftlerin von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). „Oftmals ist ein spezieller Nährstoff in besonderer Menge enthalten.“ In Acaibeeren ist das zum Beispiel das sogenannte Anthocyan, ein Pflanzenfarbstoff, der ihnen ihre dunkle Farbe verleiht und der schlank machen und gegen Krebs wirken soll. Er ist auch in Rotkohl, Johannisbeeren und roten Trauben enthalten.

Chia-Samen
Chia-Samen
© Diana Taliun - Fotolia

Aber auch viele einheimische Nahrungsmittel wurden schon zu Superfoods geadelt: Heidelbeeren, Grünkohl, Sauerkraut aus dem Kühlregal, das ungekocht verzehrt wird, oder allgegenwärtigen Lebensmitteln wie Mandeln und Avocados werden verschiedene positive Wirkungen nachgesagt. Überhaupt gibt es zu vielen Exoten heimische Alternativen. Die Olive beispielsweise hat ähnlich viele Vitamine und Mineralstoffe wie die Acai und außerdem eine ähnliche Fettzusammensetzung. Nur die Anthocyane fehlen ihr.

Das allererste Superfood in Deutschland war wahrscheinlich die Cranberry, nur wurde sie noch nicht so bezeichnet. Zu Beginn der 2000er Jahre hieß es, regelmäßiger Konsum stärke die Blase und helfe gegen Blasenentzündungen. Plötzlich gab es überall Cranberry-Saft und Nahrungsergänzungen mit CranberryExtrakt. Zystitis-geplagte Frauen griffen hoffnungsvoll zu. Letztendlich konnte diese positive Wirkung aber nicht nachgewiesen werden.

Cranberrys unterstützen laut Studien nicht die Blasenfunktion

Seit die EU vor einigen Jahren ihre Health-Claims-Verordnung erließ, ist geregelt, dass nur noch Gesundheitsversprechen auf den Packungen stehen dürfen, die mit belastbaren Studien nachgewiesen wurden. Im Falle der Cranberry war das offenbar nicht der Fall – wenn heute noch auf einer Cranberry-Packung etwas von Unterstützung für die Blasenfunktion steht, dann bezieht sich dieses Versprechen auf einen anderen Inhaltsstoff, der zugesetzt wurde. Dass Cranberrys gut für die Blase sind, hat sich dennoch längst in den Köpfen der Verbraucher festgesetzt: Die Cranberry-Produkte werden nach wie vor gekauft.

Eine einheitliche Vermarktungsstrategie für Superfoods gibt es nicht. Es ist kein großer Konzern oder eine Agentur, die hinter dem Hype steckt. Vielmehr ist der Bereich sehr unübersichtlich. Die Diskussion findet vornehmlich im Internet statt, Foodblogger schreiben gern darüber. Wer bei Amazon nach Büchern über Superfoods sucht, bekommt über 400 Treffer. Jeder Autor empfiehlt aber andere Superfoods. Oftmals bleibt unklar, nach welchen Kriterien er die Nahrungsmittel zusammengestellt hat.

Maqui-Beeren
Maqui-Beeren
© Quanthem - Fotolia

Die Industrie springt für gewöhnlich erst später auf und setzt dann mal das eine, mal das andere Superfood seinem herkömmlichen Produkt zu – wie das Weizenbrot vom Bäcker, das plötzlich Chia-Mehl enthält. Auf der Suche nach immer neuen Superfoods ist vor allem die Getränkeindustrie: Weil die Verbraucher den Geschmacksrichtungen etwa von Limonaden schnell überdrüssig werden, müssen gerade Getränkehersteller in schneller Folge immer neue Geschmacksrichtungen erfinden – je exotischer, umso besser.

Weil das Feld so unübersichtlich ist, gibt es keine Zahlen zu Superfoods. Wie viele Superfoods die Deutschen kaufen und verzehren, kann niemand sagen, weil man schlicht nicht weiß, wie man es erheben soll. Es sind lediglich Zahlen für einzelne Superfoods verfügbar. Chia zum Beispiel sind kleine schwarze Samen, die im Kontakt mit Flüssigkeit eine gallertartige Masse bilden. Im Jahr 2014 wurden Chia-Produkte im Wert von 4,5 Millionen Euro in Deutschland im Bio-Fachhandel gekauft – eine Steigerung von 500 Prozent im Vergleich zum Jahr 2013.

Nach dem Hype kommt der Discounter

Superfoods kommen und gehen in Zyklen. „Sie brauchen drei bis vier Jahre, um bekannt zu werden“, hat Angela Clausen beobachtet, Ernährungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Das ist auch der Zeitraum, in dem sie am teuersten sind. Dann erreichen sie ihren Peak – die Zeit, in der sie jeder kennt und sie viel gekauft werden. Weil viele Anbieter auf den Markt strömen, werden sie dann allerdings schon wieder günstiger. „Danach erreichen sie ihren Discounter-Status“, sagt Clausen. Der Konsum geht drastisch zurück, allerdings meistens nicht ganz auf null – auch Superfoods, die schon wieder aus der Mode sind, verbleiben meist in den Sortimenten der Läden.

Cranberrys
Cranberrys
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Derzeit ist der Aufstieg eines neuen Superfoods zu beobachten: der der brasilianischen Maqui-Beere. Sie sieht so ähnlich aus wie die Acai-Beere. Es gibt bereits etliche deutschsprachige Seiten im Internet, die die Wirksamkeit der lila Beere anpreisen. So soll sie für tolle Haut und volles Haar sorgen, den Gewichtsverlust beschleunigen, das Altern verlangsamen und sogar dabei helfen, das Rauchen aufzugeben. Und nebenbei soll sie natürlich auch noch gut schmecken.

Bei manchen dieser Internetseiten ist nicht einmal ein Impressum angegeben – wer dahinter steckt, ist also vollkommen unklar. Eine der deutschsprachigen Seiten, bei der jeglicher Hinweis auf den Betreiber fehlt, ist auf eine Frau in Sao Paulo registriert, die hinterlegte E-Mail- Adresse gehört zu einer leeren Seite und gibt auch nichts weiter preis.

Extrakte können Allergien auslösen

Für Ernährungsexpertin Clausen ist so etwas nicht überraschend. „Da wird einfach geschaut, was es an traditioneller Ware im eigenen Land gibt, das auf den Weltmarkt passt“, meint sie. „Hier in Europa haben wir Geld – und wir kaufen, was Gewichtsreduktion, Leistungssteigerung oder Gesundheit verspricht.“ Deshalb kann hinter der Seite zur MaquiBeere auch eine ganz kleine Firma stecken, die versucht, einen Trend nach Europa zu importieren. Man kann die Beeren auch direkt auf der Seite kaufen: Ein Glasflakon mit Kapseln, die das Extrakt der Beeren enthalten, kostet knapp 20 Euro – derzeit ist der Preis reduziert von fast 30 Euro.

Solche Extrakte, zumal aus dem Ausland, können aber problematisch sein und Allergien auslösen. Frische Lebensmittel hingegen findet Ernährungsexpertin Clausen überhaupt nicht problematisch, wie exotisch sie auch sein mögen. Generell empfiehlt sie, immer zuerst auf heimische Produkte zurückzugreifen. Doch wer exotische Superfoods essen will, dem werden sie nicht schaden. Vielmehr freut sich Clausen über den Trend zum gesunden Essen: „Wenn er dazu führt, dass die Menschen Obst und Gemüse neu entdecken – warum nicht?“

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