Versicherungen für Elektrofahrzeuge: "Wir werden Marktführer bei E-Rollern sein"
Allianz-Vorstand Joachim Müller: Wer bei der Allianz ein E-Auto versichert, zahlt 20 Prozent weniger für die Versicherung. Auch die Konkurrenz schläft nicht.
Bald rollen sie an. Ab dem 15. Juni sind E-Roller im deutschen Verkehr zugelassen. Die Anbieter stehen schon in den Startlöchern. Nicht nur die Verkäufer der kleinen, bis zu 20 Stundenkilometer schnellen Flitzer, auch die Verleiher freuen sich auf neues Geschäft. Allein in Berlin wollen acht Firmen E-Roller an Kunden vermieten. Und noch eine Gruppe läuft sich warm: die Versicherungsunternehmen. Denn ohne Haftpflichtversicherung darf man die E-Scooter nicht im Straßenverkehr benutzen.
„Wir werden rechtzeitig fertig sein“, sagt Joachim Müller. Der 47-Jährige ist im Vorstand der Allianz Deutschland für den Vertrieb und die Sachversicherung zuständig. Der größte deutsche Versicherer arbeitet „mit Hochdruck" an den neuen Verträgen, „wir werden Marktführer sein“, kündigt der Manager an.
Das Problem: So ganz genau weiß niemand, wie gefährlich die neuen Roller eigentlich sind. Bis auf weiteres orientiert sich die Allianz daher an den Bedingungen fürs Mopeds. Versicherungsnehmer unter 23 Jahren zahlen bis zu 86 Euro im Jahr für die Haftpflichtversicherung, Ältere 54 Euro. Abgedeckt sind damit Sachschäden von bis zu 100 Millionen Euro und Personenschäden von 15 Millionen Euro pro verletzter Person. Sharing-Anbietern werden mindestens 108 Euro in Rechnung gestellt.
Anders als von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) geplant, muss man mindestens 14 Jahre alt sein, um einen E-Roller zu fahren. Und auch die Idee, dass die Roller auf dem Bürgersteig fahren dürfen, ist vom Tisch. Die Scooter sollen sich stattdessen den Radweg mit den Fahrrädern teilen. Christoph Lauterwasser, Chef des Allianz Zentrums für Technik (AZT), sieht das mit Erleichterung. Er glaubt, dass Kollisionen mit Fußgängern, die es etwa in Spanien gegeben hat, dadurch seltener sein werden. Viele Unfälle, vermutet er werden die Rollerfahrer selbst betreffen – etwa durch schlechte Radwege, die zu Stürzen führen.
Unfallforscher: E-Roller sind eine Gefahr für Fußgänger
Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer ist davon aber nicht überzeugt. Er sieht auch die Fußgänger nach wie vor in Gefahr. Kommunen können nämlich Fußgängerbereiche für Roller freigeben. Zudem werden Rollerfahrer auf den Gehweg ausweichen, wenn die Radwege voll sind, glaubt der Verkehrsexperte. „Auf die Straße fahren sie nicht.“
Nicht nur die Allianz steht in den Startlöchern, auch andere Gesellschaften arbeiten an Versicherungsangeboten für die E-Roller. Als erster Versicherer war die Zurich-Versicherung mit einem Tarif am Markt, schon bevor die Mehrzahl der elektrischen Zweiräder überhaupt für den Straßenverkehr zugelassen waren. Bereits seit Mitte März bietet die Gruppe mit Hilfe einer Ausnahmegenehmigung des Kraftfahrtbundesamts den Versicherungsschutz deutschlandweit an - für die damals ersten zwei offiziell zugelassen E-Scooter-Modelle "Metz Moover" und "BMWX2City".
Für die Allianz sind die elektrischen Roller ein Mosaikstein in der neuen Mobilität und ein Beitrag zum Klimaschutz. Der Versicherungskonzern arbeitet nach eigenen Angaben bereits seit 2013 CO2- neutral, bis zum Jahr 2023 will die Allianz zudem ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien verwenden. Auch die E-Mobilität hält man für klimaschonend. Früh hat man daher in der Zentrale in München auf Elektroautos oder Hybrid-Fahrzeuge gesetzt, die mit Sprit oder Strom fahren können. Versicherungschef Müller ist selbst mit einem solchen Hybriden unterwegs.
„Wir wollen Innovationen möglich machen“, betont Müller. Deshalb gewährt die Allianz allen Neukunden einen Nachlass auf die Jahresprämie für E-Autos und Hybridfahrzeuge, die bei ihr versichert werden. Deren Halter zahlen für die Autoversicherung 20 Prozent weniger als die Eigentümer herkömmlicher Pkw. „Wir möchten mit den vergünstigten Prämien erreichen, dass sich die Technologie durchsetzt“, sagt Müller.
Versicherungstechnisch gäbe es dafür keinen Grund. Zwar liegt die Schadenshäufigkeit der bei der Allianz versicherten E-Autos um 20 bis 30 Prozent niedriger als bei Benzinern oder Diesel-Autos, aber dafür kostet die Regulierung der Schäden 20 bis 30 Prozent mehr. Nagt ein Marder ein E-Kabel an, müssen beim E-Auto alle Kabel ausgetauscht werden. Und auch die teure Technik der E-Autos – etwa Sensoren in den Stoßstangen – fordern ihren Tribut. Hinzu kommt die mangelnde Pufferzone vieler Elektromodelle und das lückenhafte Werkstattnetz für E- Fahrzeuge. Letzteres, glaubt Lauterwasser, wird sich aber ändern: „Die Nachfrage nach E-Autos wird steigen, die Unfallkosten, die momentan noch ein Viertel höher liegen als bei konventionellen Fahrzeugen werden sinken.“
Direkte Beitragsrabatte für E-Autos gibt es bei der Zurich nicht. Die Gruppe bietet aber als Bonbon den kostenfreien Deckungseinschluss für Akku, Ladestationen und andere Teile, die mit der Elektromobilität verbunden sind.
Sinkende Reparaturkosten erwartet die Allianz auch mit Blick auf das autonome Zeitalter. Assistenzsysteme und vollautomatisierte Fahrzeuge sollen den Verkehr sicherer machen, so die allgemeine Erwartung. Weil die Versicherungsunternehmen damit künftig weniger Geld auszahlen müssen, dürften sie diese Ersparnisse an ihre Kunden weitergeben.
„Langfristig gehe ich davon aus, dass die Kfz-Versicherung für unsere Kunden günstiger werden wird“, sagt Müller. „Menschen machen einfach mehr Unfälle als Maschinen“. Die Allianz wolle sich die Entwicklung der Unfallzahlen genau anschauen und ihre Tarife entsprechend entwickeln. Künftig, so glaubt der Vorstand, werden sich die Versicherer eher an der Leistungsfähigkeit und Effizienz der Assistenzsysteme als am individuellen Risikoprofil des Halters ausrichten.
Grundsätzlich gelte, so Müller, dass die Versicherer dafür sorgen, dass der Opferschutz ausreichend gewährleistet ist, „davon hängt letztendlich die Akzeptanz dieser neuen Technologie ab“, sagt er.