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Schwarzarbeit: Vier von fünf Putzfrauen sind nicht angemeldet.
© picture alliance / dpa

Schwarzarbeit, Versicherungsbetrug, Steuertricks: Wir sind alle kleine Sünderlein

Lügen, mogeln, tricksen: Was man für gerechtfertigt hält, ist lang noch nicht rechtens. Sind die Deutschen ein Volk von Mauschlern und Betrügern? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Heike Jahberg

Wer, wenn nicht der inzwischen verstorbene Volksschauspieler Willy Millowitsch, wäre geeignet, einen Blick in das deutsche Seelenleben zu werfen? „Wir sind alle kleine Sünderlein“, hat Millowitsch einst gesungen, „’s war immer so, ’s war immer so.“ Der Schlager war in den 70ern ein großer Hit. Viele Menschen haben sich darin wiedererkannt und Trost für ihre kleinen schwarzen Seelen gefunden. „Der Herrgott wird uns bestimmt verzeihen“, heißt es in dem Lied weiter.

Putzhilfen arbeiten schwarz, die Versicherung wird betrogen

Mehr als 40 Jahre später scheint sich an den alltäglichen Sündenfällen nicht allzu viel geändert zu haben. Vier von fünf Menschen beschäftigen ihre Putzhilfen schwarz, hat das Institut der deutschen Wirtschaft herausgefunden. Die Gesellschaft für Konsumforschung weiß, dass jeder Vierte schon mal seine Versicherung betrogen hat.

Pünktlich vor jeder Fußball-EM oder -WM häufen sich Meldungen, dass Freunde oder Nachbarn leider versehentlich den Fernseher umgeworfen haben, sodass man nun dringend einen neuen Apparat braucht. Und wer hat nicht schon mal versucht, bei der Steuer zu mogeln und seinen Arbeitsweg um einen oder zwei Kilometer zu verlängern oder ein privates Abendessen als dienstliches auszugeben?

Ein Volk der Mauschler?

Lügen, betrügen, mogeln, tricksen ... sind wir ein Volk der Mauschler, obwohl wir doch so viel auf Regeln und Anstand geben? Sagen wir mal so: Es kommt darauf an.

Dass die meisten Haushaltshilfen schwarz arbeiten, liegt nicht unbedingt am Auftraggeber. Viele der Putzfrauen und -männer legen nämlich selbst keinen Wert darauf, bei der Minijob-Zentrale angemeldet zu werden, weil sie nicht nur einen 450-Euro-Job haben, sondern mehrere. Hinzu kommen Probleme mit dem Anmeldeformular. Nicht wenige Auftraggeber scheitern daran – statt auf die Putzfrau verzichtet man dann eben auf die Anmeldung und macht sich so seine eigenen Regeln.

Jeder Betrüger ein kleiner Michael Kohlhaas

Regeln beugen, seine ganz individuelle Gerechtigkeitsrechnung aufstellen – das steht hinter den Alltagsmogeleien. Vier Jahre lang Versicherungsbeiträge bezahlt, ohne einen Schaden abgerechnet zu haben ... na, dann kann ich doch mal! Die Steuern sind so hoch, da ist es nur recht und billig, wenn ich mir ein bisschen was zurückhole. Jeder Betrüger ein kleiner Michael Kohlhaas, so wird aus Betrug Widerstand gegen das System.

Doch was man vielleicht für gerechtfertigt hält, ist eben doch nicht rechtens. Und vermeintliche Kavaliersdelikte summieren sich ganz ordentlich, wenn jeder es tut. Auf vier Milliarden Euro jährlich schätzen die Versicherer die Betrugskosten, auf mehr als zehn Prozent veranschlagen Forscher den Anteil von Schwarzarbeit in Deutschland. Geld, das am Staat vorbeigeht. Die Folge: Steuerausfälle, Beitragsverluste in den Sozialkassen und eine Benachteiligung der ehrlichen Unternehmen, die ihre Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig beschäftigen und Rechnungen stellen, die die Mehrwertsteuer enthalten.

Was tut der Staat?

Was tut der Staat? Er belohnt Kunden, die ehrlich sind, mit Steuererleichterungen. Doch für viele ist es dennoch lukrativer, billige Handwerker zu beschäftigen, als Steuern zu sparen. Wer weiß, vielleicht machen auch die Finanzminister der Schattenwirtschaft bald ein Ende, indem sie das Bargeld abschaffen. Man sieht, kleine (und nicht so kleine) Sünden können große Folgen haben. Nicht nur bei VW und der Deutschen Bank.

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