Haushaltshilfen: 80 Prozent sind illegal beschäftigt: "Der Staat sollte Schwarzarbeit tolerieren"
Trotz steuerlicher Erleichterungen ist nur jede fünfte Haushaltshilfe korrekt angemeldet. Ist das Modell Minijob im privaten Sektor gescheitert?
Petra Brockhusen ist die gute Fee bei Familie Jank. Die 58-Jährige räumt die Zimmer der drei kleinen Kinder auf, putzt und wäscht in dem Haushalt im brandenburgischen Spremberg – und zwar ganz offiziell: Brockhusen ist die 300 000 Haushaltshilfe, die über die Minijob-Zentrale angemeldet worden ist. Und damit in der Minderheit. 80 Prozent aller Haushaltshilfe werden in Deutschland schwarz beschäftigt, zeigt eine am Montag veröffentlichte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Ist das Modell Minijob im Haushaltssektor also gescheitert?
Nur 200 000 zusätzlich angemeldete Putzfrauen in zehn Jahren
„Ja“, sagt Sabine Zimmermann, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der linken im Bundestag. Das Modell sei von vornherein nicht der richtige Ansatz gewesen. Das sieht offenbar auch die Mehrheit der Deutschen so, denn die Zahl der angemeldeten Haushaltshilfen ist in den vergangenen zehn Jahren nur um 200 000 angestiegen. Von den insgesamt rund 3,6 Millionen Haushaltshilfen sind 2015 Vier Fünftel „in keinem legalen Verhältnis beschäftigt“ gewesen, heißt es in der IW-Studie.
Arbeitgeber können bis 510 Euro absetzen
Offensichtlich reicht es Arbeitgebern nicht, dass sie bei einer Anmeldung über die Minijob-Zentrale 20 Prozent ihrer jährlichen Kosten, bis zu 510 Euro, steuerlich geltend machen können. Auch für die Mehrheit der Putzfrauen scheint das Modell wenig attraktiv zu sein. Sie sind bei einer Anmeldung zwar unfallversichert, allerdings ist ihr Einkommen beim Mini-Job auf 450 Euro pro Monat begrenzt.
"Der Wohlstandseffekt überwiegt im Vergleich zum Steuerausfall"
Friedrich Schneider, Schwarzarbeit-Experte an der Universität von Linz, fordert deshalb sogar, dass der Staat Schwarzarbeit im Haushaltssektor tolerieren sollte. Der Wohlstandseffekt überwiege im Vergleich zum Steuerausfall, denn insbesondere Frauen könnten durch Haushaltshilfen mehr arbeiten, was dem Staat auch in Form von Abgaben wiederum zugutekomme, betonte Schneider: „Deshalb sollte sich der Staat hier großzügig zeigen und Schwarzarbeit im Haushaltssektor tolerieren“.
"Das wäre ein fatales Signal"
Wolfgang Buschfort, Sprecher der Minijob-Zentrale, ist von dieser Idee wenig begeistert. „Wer Schwarzarbeit im Haushaltsbereich akzeptiert, müsste das dann auch im gewerblichen Bereich tun. Das wäre ein fatales Signal“, sagte er. Den Druck zu erhöhen und Privathaushalte strenger zu kontrollieren, sei jedoch „nicht durchsetzbar“. Vielmehr setze die Zentrale auf Freiwilligkeit, wer sich informiere stelle fest, dass das Verfahren zur Anmeldung sehr unbürokratisch sei. Darauf verweist auch der SPD-Bundestagsabgeordnete und Arbeitsmarktexperte Ralf Kapschack: „Die meisten privaten Arbeitgeber wissen offenbar nicht, dass sie sich durch die steuerliche Förderung von Minijobs oft sogar besser stellen würden als beim Einsatz von Schwarzarbeit.“
"Weg vom Vier-Augen-Prinzip hinter verschlossenen Türen"
Auch Sabine Zimmermann teilt Schneiders radikalen Ansatz nicht. Schwarzarbeit sei „kein Kavaliersdelikt“, betont sie. „Den Beschäftigten entgeht dadurch ihre Absicherung über die Sozialversicherung, und die Allgemeinheit muss auf Umwegen für die ausgefallenen Sozialversicherungsbeiträge aufkommen“. Sie fordert deshalb, dass Minijobs in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse überführt werden müssen. „Die Beschäftigten sollten über Vermittlungsagenturen regulär angestellt sein. Auf die Weise würde der ganze Bereich transparent, und wir kämen vom Vier-Augen-Prinzip hinter verschlossenen Türen weg.“
Mini-Job-Modell sei eine "Luftnummer"
Auch Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), bezeichnet die Minijobregelung als „Luftnummer“. Sie sei „ein klassischer Fehlanreiz, der beendet werden muss. Denn oft wird ein Minijob legal angemeldet, während weitere in Schwarzarbeit verrichtet werden.“ Die Steuerermäßigungen würden zu kurz greifen, deshalb müsse das Modell reformiert und entbürokratisiert werden.
Grundsätzlich sollte es in Deutschland keine Jobs geben, die nicht voll sozial versichert sind, denn nur so kann man der immer größer werdenden Zahl von Menschen entgegenwirken, die im Alter in Armut leben müssen.
schreibt NutzerIn charly-berlin
Haushaltshilfen werden in der älter werdenden Gesellschaft immer wichtiger
Brigitte Pothmer, Arbeitsmarkt-Expertin der Grünen im Bundestag, verweist auf die zunehmende Bedeutung der Arbeit in Privathaushalten im Zuge des demografischen Wandels noch an Bedeutung gewinnen: „Deshalb ist es umso wichtiger, diese Beschäftigungsverhältnisse aus der Schwarzarbeit herauszuholen.“ Damit das gelinge, müssten die Verfahren zur Anmeldung und Abrechnung so einfach wie möglich sein. Speziell geförderte Dienstleistungsagenturen könnten helfen, die Arbeit in Privathaushalten von Bürokratie zu befreien und existenzsichernde Jobs zu schaffen. Das könne aber nur eine Antwort sein, denn haushaltsnahe Dienstleistungen seien individuelle Beschäftigungsverhältnisse, die den sehr privaten und persönlichen Bereich betreffen würden.
„Nicht jeder Arbeitgeber möchte seinen Hausschlüssel bei einer anonymen Agentur abgeben."
„Nicht jeder Arbeitgeber möchte seinen Hausschlüssel bei einer anonymen Agentur abgeben. Deshalb braucht es auch individuelle Regelungen, die legale und bürokratiearme Arbeitsplätze in den eigenen vier Wänden ermöglichen. Die Haushaltsschecks weisen in die richtige Richtung und müssten deutlich bekannter gemacht werden.“
Das „Haushaltsscheck-Verfahren“ soll ein vereinfachtes Melde- und Beitragsverfahren zwischen Arbeitgeber und Minijob-Zentrale sein. Der Haushaltsscheck ist Grundlage für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge und die Abbuchung der fälligen Zahlungen. Arbeitgeber müssen sich nur um die An- und Abmeldung kümmern.
Petra Brockhusen bereut ihre Anmeldung zumindest nicht. Sie habe dadurch das Gefühl, „als vollwertige Arbeitnehmerin wahrgenommen zu werden.“
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