UCI-Kinowelt-Chef Heinze: „Wir müssen bessere Gastgeber sein“
UCI-Kinowelt-Chef Jens Heinze im Interview: Wie sich das Kino verändert, warum Computerspiele auf die Leinwandkommen und welche Pläne die Kinokette für Berlin hat.
Herr Heinze, vor 25 Jahren hat UCI Kinowelt das erste Multiplex-Kino Deutschlands eröffnet. Wie werden die nächsten 25 Jahre?
Die Großkinos werden sich mehr und mehr ihren Besuchern zuwenden müssen. Wir werden uns bewegen – nicht nur bei der Technik.
Haben Sie Ihr Publikum aus den Augen verloren?
Das Geschäftsmodell muss sich weiterentwickeln. Unsere Gäste sollen etwas erleben, an einem Ort, der mehr ist als ein schlichter Kinosaal: eine Erlebnislocation. Wir müssen bessere Gastgeber werden, auch für das anspruchsvollere Publikum. Das stand vor 20 Jahren, als sich viel mehr Menschen ins Kino locken ließen, vielleicht nicht so im Vordergrund. Allerdings hat sich in den vergangenen Jahren schon sehr viel getan: Ein besserer Sitzkomfort, deutlich Verbesserung der Filmvorführung mit digitalen Projektoren, 3D und neuer immersiver Soundtechnik.
Auch die Multiplexe haben – wie Kinos insgesamt – in den vergangenen zehn Jahren etwa zehn Millionen Besucher verloren. Hat sich das Konzept Großkino überlebt?
Nein, das auf keinen Fall. Multiplexe haben den Vorteil, dass sie eine breite Programmvielfalt anbieten können – in Zeiten, in denen jede Woche eine Vielzahl neuer Filme auf den Markt kommt. Das ist unsere Stärke und das wird sich auch nicht ändern. Und der zentrale Vorteil des Kinos, die große Leinwand, kommt in großen Kinos einfach auch am eindrucksvollsten zur Geltung.
Ihre Stärke ist die Schwäche der anderen. Multiplexe haben das Kinosterben in Deutschland beschleunigt.
Stimmt nicht. Der deutsche Kinomarkt ist durch die Multiplexe nicht kleiner geworden. Die traditionellen Leinwände sind unverändert da und nicht aus dem Markt gedrängt worden.
Kurbel, Ku'dammKinos, Royal… Nicht nur in Berlin ist die Liste der verschwundenen Kinos lang. Vor allem auf dem Land gehen kleine Häuser pleite.
Die Kinolandschaft verändert sich, einige verschwinden, andere kommen hinzu. Aber es ist nicht so, dass es unter dem Strich weniger Leinwände gibt.
Wie oft gehen Sie ins Kino?
Ich komme auf 25 bis 30 echte Kinobesuche im Jahr.
Ihr letzter Film?
„Alles steht Kopf“ – ein Familienfilm.
In Berlin bauen Sie in der Nachbarschaft zur Mercedes-Benz-Arena ein riesiges neues Kino, das 2018 eröffnet werden soll. Hat Berlin nicht längst zu viele Großkinos?
Wir werden die geplanten 14 Säle füllen, da bin ich sicher. Wenn man ein Kino am richtigen Ort baut, dann funktioniert auch ein großes Haus. Berlin wächst, die Einwohnerzahl steigt. Das ist an vielen Orten in Deutschland anders.
Berlin hat 100 Kinos, 300 Leinwände. Da müssen Sie Wettbewerbern Gäste abjagen.
Es wird umverteilt, aber der Kuchen wird auch insgesamt größer in Berlin.
"Kino muss einen Wohlfühlfaktor haben"
Sie wollen in dem neuen Berliner Kino sechs von 14 Säle exklusiver gestalten, etwas kleiner als andere Häuser, mit mehr Ambiente. Sind Multiplexe die Programmkinos der Gegenwart?
Kino muss den Wohlfühlfaktor haben, nicht umsonst sprechen wir ja von Filmtheatern. Deshalb muss man mehr ins Ambiente und in die Ausstattung investieren. Und tatsächlich wir das neue Berliner Haus mit 2400 Plätzen etwas kleiner. So können wir auch Filme betriebswirtschaftlich sinnvoll auswerten, die kein Massenpublikum ansprechen. Das ist ein genereller Trend bei Neubauten.
Was kostet eine Kinokarte bei UCI Kinowelt im Schnitt?
Um die neun Euro im Schnitt. Je nach Tag und Version können die Preise aber auch variieren.
Plus Popcorn, Nachos und Softdrink. Da kommt man zu zweit schnell auf 50, 60 Euro.
Das kann passieren. Letztendlich leisten sich unsere Besucher ja nicht nur einen Becher Cola, der mit dem Supermarktpreis verglichen wird. Sondern gönnen sich ein paar Stunden Ausflug vom Alltag, der Filmgenuss wird durch Nachos und Getränk schön abgerundet.
Und Sie verdienen mit Popcorn & Co. das meiste Geld?
Die Gewinnmargen sind hier höher als bei den Tickets, am Ende ist aber beides gleich wichtig für den Gewinn.
Geht noch mehr als ein kleiner Imbiss im Kino? Oder ist dieses Segment buchstäblich gesättigt?
Ich denke, da geht noch mehr. Da müssen wir uns deutlich weiter entwickeln. Wir sind bereits größter Franchisepartner für Ben & Jerry's Scooping Icecream in Deutschland. Bei Heißgetränken kann ich mir noch mehr vorstellen. Aber es ist sicherlich nicht einfach, das Ganze wie ein Restaurant auszubauen. Das geht schon atmosphärisch nicht, weil doch jeden Abend etliche hundert Menschen durch das Kino laufen.
Wettbewerber bieten eine Flasche Champagner für 280 Euro an. Sie auch?
Im Moment nicht. Vielleicht künftig im VIP Bereich.
"Es ist eine Herausforderung, Jugendliche ins Kino zu locken"
So oder so, die klassische Kino-Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen kann sich das sicher in der Regel nicht mehr leisten. Die Kinogänger werden immer älter. Stirbt ihre Kundschaft langsam aus?
Nein, das glaube ich nicht. Grundsätzlich sind auch Jugendliche bereit und in der Lage, Geld in ihr Freizeitvergnügen zu investieren, zum Beispiel in Popkonzerte oder Discobesuche. Unsere Herausforderung ist es, in diesem Umfeld Jugendlichen das Kino als ein attraktives Freizeitvergnügen zu verkaufen.
Wie denn?
Wir machen deutlich, dass ein Film im großen Saal, mit extragroßer Leinwand, bequemen Sesseln und Dolby-Atmos Soundsystem etwas ganz anderes ist als ein Film auf dem Tablet oder Smartphone-Bildschirm.
Das lockt noch keinen 16-Jährigen vom Smartphone weg, oder?
Die zweite Frage lautet: Was wollt Ihr überhaupt sehen? Es müssen ja nicht immer Filme sein, die wir im Kino zeigen. Wir übertragen an einigen Standorten das Computerspiel „League of Legends“, das weltweit von Millionen Jugendlichen gespielt wird. Das Publikum schaut zu, wie zwei Teams gegeneinander spielen, ohne selbst eingreifen zu können. Da merke ich, dass ich älter werde.
Solange dafür bezahlt wird, kann es Ihnen egal sein.
Hier zeigt sich übrigens, dass das Thema Geld nicht immer die Hauptrolle spielt. Denn das Spiel kann man auch im Online-Streaming kostenlos auf dem SmartTV zu Hause sehen. Trotzdem sind unsere Säle voll mit Teenagern, die sich für ein erhebliches Eintrittsgeld fünf Stunden lang „League of Legends“ ansehen.
2014 sind nur knapp 122 Millionen Menschen ins Kino gegangen, sechs Prozent weniger als im Vorjahr. Wird das Kinojahr 2015 besser?
2014 war ein sehr schwaches Jahr, aber 2015 wird ein sehr starkes. Wir schätzen, dass die Besucherzahl um etwa 15 Prozent auf 140 Millionen steigt, beim Umsatz ist noch etwas mehr drin. Es wird das beste Kinojahr seit 2009. Wenn der Content stimmt, dann funktioniert Kino.
Das spiegelt sich auch im Ergebnis von UCI Kinowelt wider?
Wir werden unsere Umsatzzahlen auf das höchste Niveau der vergangenen zehn Jahre entwickeln.
Das verdanken Sie zu einem Großteil auch dem deutschen Film.
Ja, auch. Das Jahr fing an mit „Honig im Kopf“. Es ging weiter mit „Fifty Shades of Grey“, „Fast and Furious 7“, „Minions“. Und „Fack ju Göhte 2“ hat nach vier Wochen sechs Millionen Zuschauer gehabt. Das ist phänomenal, zwei deutsche Filme in den Top 5 sind ein schönes Ergebnis.
Produziert die deutsche Filmfabrik genug fürs Multiplex-Publikum?
Leider nicht. Die wirtschaftliche Relevanz deutscher Filme beschränkt sich immer noch auf sehr wenige Ausnahmen. Das meiste kommt aus Hollywood.
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