Stadtmöblierer Daniel Wall im Interview: "Wir könnten kostenloses W-Lan in Berlin installieren"
Daniel Wall ist Chef des Stadtmöblierers und Außenwerbers Wall. Mit dem Tagesspiegel spricht er über das vernetzte Berlin und das Aussterben des geklebten Plakates.
Herr Wall, was haben Sie im Sommer 1984 gemacht?
Damals stand ich vor der Entscheidung, ob ich studieren sollte oder mit der Firma nach Berlin ziehe.
Ihr Vater gewann vor 30 Jahren die Ausschreibung in Berlin für die Ausstattung der BVG-Wartehäuschen; das Unternehmen verlegte den Sitz vom badischen Ettlingen nach Berlin und es ging in den folgenden Jahren rasant nach oben.
Wir hatten dem Berliner Senat versprochen, mit dem Unternehmen nach Berlin zu ziehen und standen nun vor der Herausforderung, 1000 Buswartehallen aufzustellen. Das war damals ein ganz neues Thema.
Wieso?
Weil man dachte, das Plakat an den Buswartehallen sei viel zu klein. Aber der Erfolg liegt in der Wiederholung: Man sieht das einzelne Plakat immer wieder in der Stadt, und das ist viel wirkungsvoller als ein einziges großes Poster. Für mich hat der Umzug nach Berlin den Ausschlag dazu gegeben, im Unternehmen zu bleiben und nicht zu studieren.
Wie war der Start im geteilten Berlin?
Wir hatten ein kleines Büro in der Clayallee und haben aber bald eine Unternehmenszentrale in Spandau am Juliusturm gebaut, heute hat dort unsere Tochter „Die Draußenwerber“ ihren Sitz. An die ersten Tage in Spandau kann ich mich gut erinnern. Wir dachten, was machen wir bloß mit dem ganzen Platz, mit den vielen Büros? Und dann wurde es schnell zu eng.
Das Wall-Wirtschaftswunder begann.
Unsere ersten Wartehallen standen in der Clayallee. Die Kunden haben wir mit dem Bus die Straße rauf und runter gefahren, um ihnen die Häuschen mit unseren neuen City Light Postern zu zeigen.
Heute kommt man in Berlin jeden Tag an ein paar Dutzend Plakaten vorbei.
Ja, das ist das Erfolgsgeheimnis der Außenwerbung: Die Menschen registrieren ständig die Plakate, bewusst oder unbewusst, sodass sich für diese Art von Werbung eine große Reichweite und Wirkung ergibt.
30 Jahre sind vergangen, und demnächst stehen wieder Ausschreibungen für Berlin an. Wie sind die Chancen, um was geht es?
Es wird natürlich einen intensiven Wettbewerb geben, weil Berlin Hauptstadt und die größte deutsche Stadt ist. Generell haben wir zwei Verträge mit der BVG über den West- und den Ostteil der Stadt, es gibt ferner Verträge über die Litfaßsäulen, die Toiletten und anderes. Unsere Vertragspartner sind die BVG, die Bezirke, aber vor allem das Land Berlin vertreten durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.
Ihr Hauptkonkurrent Ströer wird alles versuchen, um den Zuschlag für Berlin zu bekommen.
Abwarten. Ströer ist schon sehr stark in Berlin vertreten mit großen City- Light-Boards auf privaten Flächen und Plakaten auf allen Bahnhöfen der Deutschen Bahn und der S-Bahn. Deshalb wird Ströer nicht um jeden Preis die Ausschreibungen gewinnen wollen. Das war in der Vergangenheit anders, aber die großen Bieterschlachten um die Städte sind vorbei. Auch wir werden nur zahlen, was sich am Ende rechnet.
Also ein Deal wie in Hamburg, wo Decaux und Ströer vor ein paar Jahren für 500 Millionen Euro den Zuschlag bekamen, wird es in Berlin nicht geben?
Nein. Weder in Berlin noch in Frankfurt am Main, Essen und Hannover – diese drei Städte fehlen noch in unserem Portfolio, hier macht Ströer bislang die Außenwerbung. Da wollen wir angreifen.
Das geht nur mit viel Geld.
Der Wettbewerb auch zwischen den Werbemedien ist so groß geworden, dass niemand mehr Kampfpreise zahlt. Es geht ja auch nicht allein ums Geld, sondern darum, ob die richtigen Produkte zu den jeweiligen Städten passen. Für jede Stadt gibt es ein spezielles Design. Wir werden bei Wall eine „Strategie 2020“ beschließen, mit der wir neue Städte gewinnen und alte behaupten wollen.
Hauptaktionär Decaux gibt also das Geld für die anstehenden Ausschreibungen?
Ja, solange die Rendite stimmt. Die Finanzkraft von Decaux und die internationale Erfahrung der Nummer 1 weltweit helfen uns natürlich bei den Ausschreibungen.
Und was bringt Wall mit?
Drei Faktoren: Unsere Innovationskraft, unsere Design-Orientierung und das positive Image. Wir sind ja Partner der Städte und tragen nicht nur mit unseren Stadtmöbeln sondern mit verschiedenen Aktivitäten zur urbanen Lebensqualität bei. Das Sponsoring und gesellschaftliche Engagement ist in jeder Stadt Teil unserer Businessphilosophie: Für Städte, für Menschen.
Die Zukunft des Wartehäuschens und W-Lan für ganz Berlin?
Worauf können sich die Berliner einstellen, wenn Wall hier auch künftig die Warthäuschen ausstattet?
Sicherlich auf unsere Reihe „Avus“, zu der unter anderem beheizbare Sitzflächen gehören. Unser Fokus liegt aber auf der Digitalisierung der Plakatflächen, das ist die Zukunft der Außenwerbung.
Was verändert sich dadurch?
Bislang wechseln wir die Plakate einmal die Woche, immer dienstags. Auf den digitalen Flächen geht das viel häufiger und zielgenauer. Es gibt dadurch auch eine höhere Qualität, weil die Anlagen besser aussehen als die Plakatwände. Weil wir damit viel effizienter sind, können wir die Flächen der Außenwerbung in den Städten reduzieren, voraussichtlich zwischen 30 und 40 Prozent. Die Klebetechnik wird bis auf die klassische Litfaßsäule verschwinden.
Und was haben die Stadtbewohner davon?
Der Begriff „Smart Cities“ ist ja in aller Munde, die moderne Außenwerbung gehört dazu. Wir könnten kostenloses W-Lan installieren, wenn Berlin dies endlich will, und wir werden auf den digitalen Bildschirmen auch Informationen anbieten, aktuelle Nachrichten oder spezielle Städteinformationen.
Zum Beispiel?
Ab September haben wir in Berlin 75 digitale Flächen auf 25 U-Bahnhöfen in Betrieb. Dort werden wir kostenlos Informationen über Premieren auf Berliner Bühnen vorstellen. Mit Hilfe eines sogenannten Beacons – der die Verbindung zwischen Plakat und Endgerät herstellt – können sich die Leute auf ihren Smartphones dann weitere Informationen runterladen oder auch gleich Karten bestellen.
Wie teuer ist die Digitalisierung aller gut 80000 Plakatflächen, die Wall derzeit in Deutschland bespielt?
Das wäre sicherlich ein hoher dreistelliger Millionenbetrag. Die Digitalisierung ist aber ein Prozess, der sich über Jahre hinziehen wird. Indoor, also in Bahnhöfen, ist die Digitalisierung kein großes Problem, draußen ist es schwieriger und aufwändiger wegen der Witterung, der Sonneneinstrahlung und möglichem Vandalismus. Auch die Preise müssen dort noch etwas sinken, damit flächendeckend digitalisiert werden kann.
Wie laufen denn überhaupt die Geschäfte?
Das erste Halbjahr war gut, nachdem wir zwei Jahre hinter uns haben mit einer eher Seitwärtsbewegung. Der Wettbewerb in der Werbebranche ist immer intensiver geworden, und die Investitionen in die Stadtmöbel müssen ja auch erwirtschaftet werden.
Was kostet ein Wartehäuschen?
Rund 15000 Euro. In Berlin gibt es 4500 Bushaltestellen, wenn man die alle erneuert, wird es teuer.
In den vergangenen Jahren haben Sie immer mal wieder über den Bau einer neuen Vertriebszentrale spekuliert, wie ist der Stand der Dinge?
Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, brauchen wir einen neuen Firmensitz, weil wir räumlich völlig an der Kapazitätsgrenze sind. Aber das macht natürlich nur Sinn, wenn wir wissen, wie wir in Berlin im Geschäft bleiben.
Hängt davon auch ab, wie lange Sie an der Spitze einer Firma stehen, die hauptsächlich einem französischen Konzern gehört?
Solange es mir Spaß macht und der Hauptgesellschafter das möchte, bin ich mit Leidenschaft Vorstandsvorsitzender der Wall AG. Für mich persönlich sind drei Punkte entscheidend: Ich kann Innovationen vorantreiben, unverwechselbares Design entwickeln – unsere Produkte sind schöner als die der Wettbewerber – und mich sozial engagieren in den Städten, die wir mit unseren Produkten ausstatten. Das ist die Wall-DNA.
DIE KARRIERE
Daniel Wall, 1966 in Karlsruhe geboren, lernte Industriekaufmann in der Firma seines Vaters. 1999 wird er Vorstand und 2007 Vorstandschef, als sich der Vater Hans Wall in den Aufsichtsrat zurückzieht.
DIE FIRMA
1976 gründete der Schlosser Hans Wall in Ettlingen ein Unternehmen für Außenwerbung. 1984 gewinnt er seine erste große Ausschreibung in Berlin. 2009 verkauft Wall seinen Anteil an den französischen Decaux-Konzern, Daniel hält noch 9,9 Prozent. In der Region beschäftigt Wall rund 500 Mitarbeiter.
Das Interview führte Alfons Frese.
Alfons Frese
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