Justizminister Heiko Maas im Interview: "Wir bringen die Frauenquote auf den Weg"
Was die Mietpreisbremse bringt, warum die Selbstanzeige reformbedürftig ist und wie die Koalitionäre miteinander arbeiten: Justiz- und Verbraucherminister Heiko Maas über seine wichtigsten Projekte in den ersten 100 Tagen.
Herr Maas, schlafen Sie noch in der kleinen Kammer hier im Ministerium oder haben Sie inzwischen eine Wohnung in Berlin gefunden?
Nein, ich suche noch. Leider fehlt mir etwas die Zeit. Ich werde aber bestimmt bald etwas finden.
Eigentlich ist es ja auch ganz gut für Sie, wenn Sie noch ein bisschen weitersuchen. Denn dann profitieren Sie am Ende noch von Ihrer eigenen Mietpreisbremse. Wie weit sind Sie damit?
Wir bringen bereits in dieser Woche unseren Gesetzesentwurf auf den Weg. Dann folgt die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung und das parlamentarische Verfahren. Da wird sicher noch mal über den Entwurf debattiert werden. Ich wäre sehr zufrieden, wenn die Mietpreisbremse im kommenden Jahr in Kraft tritt. Dann haben wir gut gearbeitet.
Die Mietpreisbremse legt fest, dass Mieter in bestehenden Mietverhältnissen innerhalb von drei Jahren maximal Mieterhöhungen von 15 Prozent hinnehmen müssen. Bei Neuvermietungen soll ein Aufschlag von höchstens zehn Prozent erlaubt sein. Was wird den Mietern mehr helfen?
Wenn Mieter ausziehen, steigen die Mieten in einigen Ballungsgebieten teilweise um mehr als 30 Prozent. Das macht das Wohnen für Normalverdiener fast unbezahlbar. Die Mietpreisbremse ändert das. Und sie wirkt dem Trend entgegen, dass wegen der explodierenden Mieten in bestimmten Gegenden nur noch sehr wohlhabende Leute wohnen können. Es ist für das Zusammenleben in Kiezen und Quartieren wichtig, dass die Bevölkerung gemischt ist.
Die Mietpreisbremse als Instrument gegen die Gentrifizierung?
Ja, auch. Sie ist zumindest ein Beitrag. Wir fördern allerdings auch den sozialen Wohnungsbau – immerhin mit 518 Millionen Euro.
Aber müssten Sie dann nicht auch bei Neubauten eine solche Bremse einziehen? Hier können Vermieter auch weiterhin fast jede Miete nehmen!
Wir haben die Neubauten ausgenommen, weil wir natürlich weiter neue Wohnungen brauchen – gerade damit die Preise in Ballungsgebieten nicht noch stärker steigen. Wer Geld investiert, soll damit weiterhin auch Geld verdienen können.
Mieter sollen nach Ihrer Reform künftig nicht mehr den Makler zahlen müssen, wenn der Vermieter ihn beauftragt hat. Warum soll das nur für die Miete gelten und nicht auch für den Kauf von Wohnungen? Da geht es doch noch um ganz andere Summen.
Bei der Miete ist das Problem drängender. Es sind weit mehr Menschen betroffen. Wer hat sich nicht schon mal selbst über ungerechte, sehr hohe Maklergebühren geärgert? Diese sollen nun nicht mehr automatisch vom Mieter gezahlt werden müssen, sondern von demjenigen, der den Makler bestellt.
Ist der Mieterschutz das wichtigste Projekt in Ihren ersten 100 Tagen als Minister?
Ein sehr wichtiges. Es gibt aber auch noch andere. Die Frauenquote…
... für Aufsichtsräte in börsennotierten Unternehmen.
Ja. Die Frauenquote wollen wir auch noch im März auf den Weg bringen.
Warum gibt es nur eine Quote für die Aufsichtsräte und nicht auch für die Vorstände? Knicken Sie ein vor der Wirtschaft?
Im Gegenteil: Die Wirtschaft warnt vor dem bürokratischen Aufwand und dass es zu wenig qualifizierte Frauen gibt. Dabei haben wir doch die am besten ausgebildete Generation von Frauen. Ich frage mich allerdings, warum sich das dann immer noch nicht in den Führungsetagen widerspiegelt. Wir werden jetzt feste Frauenquoten für die Aufsichtsräte beschließen, bei den Vorständen wird es Selbstverpflichtungen geben. Insgesamt wird unser Paket die Personalpolitik nachhaltig verändern. Die Wirtschaft muss sich darauf einstellen, sie muss Frauen fördern, Personalentwicklungspläne aufstellen. Das ist alles auch bitter nötig.
"Die Bafin soll Produkte vom Markt nehmen können"
Was wollen Sie beim Verbraucherschutz als Erstes anpacken?
Wir haben eine gemeinsame Initiative mit dem Finanzministerium gestartet, um den Schutz der Anleger auf dem grauen Kapitalmarkt zu verbessern. Wir haben durch die Prokon-Pleite gesehen, dass es Handlungsbedarf gibt. Genussscheine, wie sie Prokon ausgegeben hat, werden von der Finanzaufsicht Bafin bislang nur unzulänglich kontrolliert. Das soll sich ändern.
Wie?
Die Bafin soll künftig auch die Risiken eines Finanzprodukts prüfen, den Vertrieb reglementieren und die Werbung einschränken dürfen. Prokon hatte doch in allen deutschen Städten Werbeplakate aufhängen lassen und dort tolle Renditen versprochen. Viele sind darauf hereingefallen. Künftig soll die Bafin bestimmte Produkte sogar vom Markt nehmen können.
Aber sind die Anleger nicht auch selber schuld?
Natürlich müssen die Menschen ihre Interessen selber wahren. Aber wir müssen sie erst einmal in die Lage versetzen, das zu tun. Wir sorgen für Transparenz, damit die Leute verstehen, auf was sie sich einlassen. Entscheiden muss dann jeder selber.
Die große Koalition war zuletzt Belastungen ausgesetzt. Wie erleben Sie jetzt die Atmosphäre?
Ich erlebe die Unionskollegen in der Zusammenarbeit als sehr fair und sachlich. Wir machen gemeinsam weiter unsere Arbeit. Das ist es, was die Menschen von uns erwarten.
In der Union sprechen wegen der Weitergabe von Informationen über den Fall Edathy viele von einer Vertrauenskrise, die durch SPD-Politiker ausgelöst worden sei.
Man kann keine Vertrauenskrise dadurch auslösen, dass man die Wahrheit sagt.
Die SPD wollte mehr, als sie im Koalitionsvertrag durchsetzen konnte. Müssen die Sozialdemokraten nun aus Rücksicht auf die wunden Seelen der Union ein paar Monate lang über ihre weitergehenden Wünsche schweigen?
SPD und Union bleiben unterschiedliche Parteien. Es wäre nicht gut für unsere Demokratie, wenn das jetzt gar nicht mehr erkennbar wäre. Wir haben uns im Koalitionsvertrag auf ein Arbeitsprogramm geeinigt. Das setzen wir nun sehr konsequent um. Dabei können sich beide Partner darauf verlassen, dass der jeweils andere sich daran hält. Deshalb müssen wir ja nicht verleugnen, dass wir verschiedene Parteien sind.
Manche in der Union verknüpfen den Fall Edathy mit Sachfragen. In der Debatte um den Doppelpass gab es die Drohung aus der CDU, die Verhandlungen abzubrechen, falls SPD-Chef Sigmar Gabriel nicht den Vorstoß von drei Bundesländern mit SPD-Regierungsbeteiligung im Bundesrat stoppen würde, die mehr wollen, als im Koalitionsvertrag steht. Haben die Länder das Recht, mehr zu verlangen?
CDU und CSU können uns ja garantieren, dass ihre Ministerpräsidenten im Bundesrat nur noch das beantragen, was dem Koalitionsvertrag mit der SPD im Bund entspricht. Dann sorgen wir auch dafür, dass die SPD-regierten Länder sich ebenso verhalten. Das wird aber nicht eintreten, weil wir ein föderales System haben und die Länder zu Recht ihre eigenen Interessen verfolgen.
"Reiche dürfen sich nicht von der Steuer freikaufen"
In der vergangenen Woche ist in München das Urteil gegen Uli Hoeneß wegen Steuerhinterziehung ergangen. Halten Sie das Urteil für gerecht?
Sie werden sicher Verständnis dafür haben, dass ich als Justizminister mit Blick auf die Gewaltenteilung die konkrete Entscheidung eines Gerichts nicht kommentieren kann.
Geht von dem Urteil das Signal aus, dass der Spruch doch nicht stimmt, wonach man die Kleinen hängt und die Großen laufen lässt?
Unabhängig vom Fall Uli Hoeneß ist völlig klar: Vor dem Gesetz sind alle gleich. Alle müssen sich an die Spielregeln halten. Und: Wir dürfen im Kampf gegen Steuerhinterziehung nicht nachlassen. Wir müssen etwa verhindern, dass einige, die reich genug sind, sich freikaufen, indem sie ihr Geld in Steueroasen transferieren.
Die strafbefreiende Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung ist die einzige Möglichkeit im Strafrecht, sich nach vollendeter Tat in Sicherheit zu bringen. Warum soll diese Ausnahme bleiben?
Es mag fiskalische Gründe für diese Ausnahme geben. Dennoch ist es richtig, dass überprüft wird, zu welchen Bedingungen dieses Privileg für Steuersünder erhalten bleiben soll.