Nach dem Fall Uli Hoeneß: Wie wird künftig mit Selbstanzeigen umgegangen?
Uli Hoeneß wollte mit Hilfe einer Selbstanzeige straffrei bleiben. Viele fordern nun, die Regeln für Selbstanzeigen generell zu verschärfen. Welche Möglichkeiten haben Politik und Justiz dazu?
Die Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung, sagt Carsten Schneider am Tag nach dem Hoeneß-Urteil, die müsse natürlich abgeschafft werden. Der SPD-Fraktionsvize fügt freilich drei wichtige Worte hinzu: „auf lange Sicht“. Nicht, dass Schneider ein Freund der Straffreiheit für reuige Steuertäter wäre – aber mehr als ein paar Verschärfungen der Rechtslage gibt der Koalitionsvertrag mit der Union nicht her. In Interviews plädieren zwar gelegentlich Unionspolitiker wie unlängst CSU-Chef Horst Seehofer dafür, die Straffreiheit bei Selbstanzeige auf „kleine Fälle“ zu beschränken.
Aber sobald es konkret wird, sind bei CDU und CSU sofort die Finanzpolitiker zur Stelle – und in deren Augen ist die Selbstanzeige gerade der Groß-Hinterzieher eine sehr willkommene Einnahmequelle. Tatsächlich hat der Fall Hoeneß erneut gezeigt, dass die Selbstanzeige rechtspolitisch ebenso eine schwierige Angelegenheit ist wie für den Betroffenen. Auf den ersten Blick erscheint es ungerecht, dass Steuerstraftäter sich nachträglich ehrlich machen können, andere Straftäter aber nicht. Doch zum einen ist „tätige Reue“ allgemein ein Strafminderungsgrund. Und zum anderen ist eine korrekte Selbstanzeige eine komplizierte Sache. Wann sie gültig ist und wann nicht – schwierig.
Juristen würden es deshalb gar nicht ungern sehen, wenn der Fall Hoeneß beim Bundesgerichtshof (BGH) landen würde. Bei einer solchen Revision würde das Verfahren nicht neu aufgerollt, sondern nur geprüft, ob das Münchner Gericht das Recht korrekt angewandt und ausgelegt hat – konkret also, ob die Einschätzung stimmt, dass Hoeneß’ Selbstanzeige ungültig sei.
Eine höchstrichterliche Entscheidung könnte Klarheit für künftiges Vorgehen in einem Feld schaffen, in dem Finanzbehörden und Justiz viel Auslegungsspielraum haben. Bisher gibt es zum Komplex nur ein umfassendes Urteil der obersten Richter.
Wenn der Fahnder klingelt, ist es zu spät
Es stammt aus dem Jahr 2010 und legte unter anderem fest, dass eine „Teilselbstanzeige“ nicht möglich ist – nur wer alle heimlichen Konten aufdeckt und damit den Willen unter Beweis stellt, dass er sich völlig steuerehrlich machen will, kann straffrei davonkommen.
Hat sich das Hoeneß-Urteil in diesem weiten Rahmen bewegt?
Das Urteil übernahm der Gesetzgeber 2011 in eine Novelle der Abgabenordnung. In der gleichen Entscheidung erteilten die Richter auch einer „gestuften Selbstanzeige“ eine Absage: Ein Steuertäter darf nicht unter Hinweis auf Chaos in seinen Bank- und Buchungsunterlagen stückweise mit der Wahrheit herausrücken, sondern muss sofort alles offenbaren, was er weiß – und zwar in einer Art, die der Steuerbehörde „langwierige Nachforschungen“ erspart. Notfalls muss er seine vollen Steuerschulden schätzen. Schließlich äußerten sich die Richter auch zur Frage, bis zu welchem Zeitpunkt eine Selbstanzeige überhaupt gültig ist. Dass es zu spät ist, wenn der Steuerfahnder klingelt, war immer klar.
Doch nach dem einschlägigen §371 der Abgabenordnung reicht es auch schon, dass die Tat „entdeckt“ ist und der Täter das wusste oder damit rechnen musste. Das Gericht legte diese Bestimmung weit aus: „Entdeckt“ ist eine Tat sogar schon dann, wenn die Ermittler noch gar nicht wissen, wer sie begangen hat. Ob der Täter selbst sich ertappt weiß, ist für das Gericht nebensächlich – im Zeitalter internationaler Ermittlungen müsse man an diese „subjektive Komponente“ keine hohen Anforderungen stellen. Hat sich das Hoeneß-Urteil in diesem weiten Rahmen bewegt? Die Frage bleibt womöglich unentschieden – Hoeneß selbst verzichtet auf Revision, die Staatsanwaltschaft überlegt noch.