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Die vierköpfige Klischee-Familie kommt bei Ikea kaum noch vor. Stattdessen setzen die Schweden auf Multikulti und das Thema Gastfreundschaft.
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Ikea-Katalog: Willkommen im Multikulti-Småland

Der neue Ikea-Katalog ist da - und es fällt auf: Die Klischeefamilie hat ausgedient. Stattdessen setzt das Möbelhaus auf neue Lebensmodelle, Integration und Gastfreundschaft.

Köttbullar werden offensichtlich nicht serviert, doch auch ohne die kleinen Hackfleischbällchen, für die Ikea so berühmt ist wie für sein Billy-Regal, scheint es der Runde gut zu schmecken. Vier Freunde haben sich am Tisch zusammengefunden, drei Frauen und ein Mann zeigt das Cover des neuen Ikea-Katalogs – es sind keine strohblonden Klischeeschweden, sondern Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Vor allem der Mann fällt auf mit seinen schwarzen Haaren, seinem längeren dunklen Bart und dem dunklen Teint. Will der schwedische Möbelhersteller in Zeiten der Diskussion um Flüchtlinge bewusst ein Zeichen setzen für Integration?

"Ikea gibt grundsätzlich keine politischen Statements ab“

„Nein, Ikea gibt grundsätzlich keine politischen Statements ab“, teilt eine Sprecherin mit. Doch man muss nicht einmal zwischen den Zeilen lesen, um zu sehen, welche Botschaft der Katalog vermitteln will: Multikulturelle Familien und Freundeskreise sind heute so selbstverständlich wie die Mitnahme der 100er-Packung Teelichter in der SB-Einkaufshalle.

Dabei ist nicht nur das Cover Symbol für die offene, sich verändernde Gesellschaft, sondern durch den ganzen Katalog hinweg ziehen sich Szenen, die neue Lebensformen widerspiegeln: eine Großfamilie am Esstisch, einen Working Dad, der am Computer arbeitet, während seine Tochter Bilder malt, eine (mögliche) Single-Mutter, die stolz auf ihre Tochter blickt – die klassische Mutter-Vater-Tochter-Sohn-Familie ist dagegen nur auf einem einzigen Foto zu sehen. Dass Ikea solche gesellschaftlichen Trends in seinen Katalog aufnimmt, ist allerdings nicht neu. Vor 16 Jahren tummelte sich bereits ein schwules Paar in der „Faktum“-Modellküche, und schon 1994 zeigte der Möbelhersteller in einem TV-Spot fürs US-Fernsehen ein schwules Paar, dass für seine Wohnung einen Esstisch kauft.

211 Millionen Exemplare des Ikea-Katalogs werden gedruckt

Heute könnte es sich Ikea auch gar nicht mehr leisten, ein vermeintlich klassisches Lebensmodell zu propagieren. Der Katalog mit seinen 328 Seiten wird in einer Auflage von 211 Millionen Exemplaren für 48 Länder in mehr als 30 Sprachen gedruckt, 30 Millionen Exemplare davon gehen nach Deutschland. „Entworfen für dich, nicht für irgendwen“ ist das Motto in diesem Jahr, in der schönen Småland-Welt darf jeder so sein, wie er ist – allerdings mit einigen Ausnahmen: So mussten Frauen in dem Katalog für Saudi-Arabien einmal entfernt werden, inzwischen sei ihre Abbildung aber erlaubt, sagt eine Sprecherin. Auch für andere Länder werden lokale Anpassungen vorgenommen, aber nur hinsichtlich der Bezeichnung beispielsweise von Bettgrößen in den USA, wo bei Doppelbetten zwischen „Queen Bed“ und „King Bed“ unterschieden wird.

„Cocooning“, also der Rückzug ins Private, ist ebenfalls großes Thema

Neben der friedlichen Multikulti-Welt zieht sich noch ein anderes großes Thema durch den neuen Katalog: Essen. Schon auf dem Cover wird gemeinsam Suppe gelöffelt, auch in vielen anderen Szenen im Heft stehen Menschen zusammen und kochen oder genießen Selbstgekochtes am selbstverständlich unperfekt gedeckten Tisch.

„Cocooning“, also der Rückzug ins Private in der sich immer schneller drehenden Welt, bleibt für den Möbelhersteller damit ein wichtiger Trend. Wenn man bei der Dating-Plattform Tinder schon wegen der angeblich falschen Augenfarbe als potenzieller Partner eiskalt weggeschnippt wird, will man sich zumindest mit einem Glas selbst angesetztem Glögg bei seinen Freunden aufwärmen.

Ist der Mann Muslim? Spielt keine Rolle.

Auch beim Thema Essen dreht sich selbstverständlich viel um Gastfreundschaft, also auch darum, Fremde am heimischen Küchentisch zu begrüßen. „Unser Katalog soll für eine Kultur stehen, in der alle Menschen selbstverständlich unabhängig von ihrer Religion, ihrer Hautfarbe oder ihrer sexuellen Präferenz akzeptiert werden, was für Ikea selbstverständlich ist“, erklärt eine Sprecherin. Deshalb spiele es auch keine Rolle, ob der Mann auf dem Cover ein Muslim sei oder einfach nur einen längeren Bart trage, wie er unter Hipstern derzeit angesagt ist. Tatsächlich passt der Möbelhersteller nicht nur seinen Katalog den gesellschaftlichen Veränderungen an – sondern auch eines seiner wohl meistverkauften Produkte: Die Köttbullar gibt es nun auch als vegetarische Version.

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