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SPD-Chef, Minister und Vater von Marie: Sigmar Gabriel.
© dpa

Kind, Karriere und Politik: Wann wird Sigmar Gabriel zum "Working Dad"?

Die Fälle der beiden Minister Gabriel und Schwesig zeigen: In Sachen Kind und Karriere wird immer noch ein Unterschied gemacht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Sonja Álvarez

Eigentlich sollte diese Geschichte keine Schlagzeile wert sein: Ein Mann bleibt zuhause, weil seine Tochter krank ist. Nichts Außergewöhnliches im Jahr 2016? Leider doch, vor allem, wenn dieser Mann Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) ist. Anfang der Woche hütete er seine an Scharlach erkrankte Tochter Marie, 4, seine Frau ging arbeiten, vielen Medien war das eine Meldung wert. Sigmar, der Superdad.

Während Gabriel für diese vermeintliche Großtat gefeiert wurde, bekam seine SPD-Kollegin Manuela Schwesig zu hören, dass sie das ja offensichtlich doch nicht schaffe: Kind und Karriere. Seit drei Wochen ist die Familienministerin in Mutterschutz, Anfang März erwartet sie ihr zweites Kind. In ihrem Ministerium wachse der Ärger, Akten würden sich stapeln, Anfragen blieben unbeantwortet, berichtete der „Spiegel“. Manu, die überforderte Ministerin.

Applaus für ihn, Schelte für sie – dabei tun beide nur, was für Politiker wie für alle berufstätigen Eltern selbstverständlich und möglich sein sollte: sich Zeit für die Familie nehmen und gleichzeitig einen Spitzenjob machen zu können.

Eine Topmanagerin mit fünftem Kind ruft Erstaunen hervor

Ist es aber nicht, wie die Schlagzeilen zeigen. Um das zu ändern, müssten wir zuallererst bei unserem Wortschatz anfangen. Oder gibt es einen Mann, der sich stolz als „Working Dad“ bezeichnet? Viele berufstätige Frauen reden von sich als „Working Mom“ – und betonen damit sogar selbst, dass dies ja etwas ganz Besonderes sein muss: eine Mama, die arbeitet. Nie dagegen würden sie von sich als „Familienmutter“ sprechen, während Männern der Titel „Familienvater“ wie ein hart erkämpfter Orden an die stolz geschwollene Brust geheftet wird, sobald sie den Kreißsaal verlassen haben.

Mit solchen Begriffen verstärken wir aber nur die Bilder, die wir von Familien im Kopf haben, bemerkte „Edition F“-Redaktionsleiterin Teresa Bücker einmal. Und begrenzen damit bereits durch Sprache die Möglichkeit, dass es Alternativen zu den tradierten Rollenmodellen gibt.

Kein Wunder also, dass eine Topmanagerin, die ihr fünftes Kind wartet, ähnlich großes Erstaunen hervorruft wie die Entdeckung der Gravitationswelle im All. So wie BVG-Chefin Sigrid Nikutta, über deren Schwangerschaft auch der Tagesspiegel in dieser Woche berichtete.

Wie oft werden dagegen die Chefs der Dax-30-Unternehmen gefragt, wie sie Kinder und Karriere unter einen Hut bringen wollen? HeidelbergCement-Vorstand Bernd Scheifele mit seinen vier Söhnen, Multi-Aufsichtsrat Gerhard Cromme (unter anderem Siemens) mit seinen vier Töchtern, Henkel-CEO Kasper Rorsted mit seinen ebenfalls vier Kindern? Würden sie ihre Kinder als „Hobby“ bezeichnen, gebe es vermutlich nur ein Schulterzucken – wie sollen sie es auch anders hinbekommen. Als Nikutta dies 2014 sagte, war der Aufschrei groß. Was für eine Rabenmutter.

Wenig überraschend ist deshalb auch das Ergebnis einer Forsa-Umfrage unter mehr als 1000 Fach- und Führungskräften, die vom Karriere-Netzwerk Xing am Donnerstag veröffentlicht wurde. Demnach glauben die meisten weiblichen Fach- und Führungskräfte in Deutschland, dass Kinder ein Karrierekiller sind. 61 Prozent der Frauen in gehobenen beruflichen Positionen teilen diese Ansicht. Unter den männlichen Kollegen waren es lediglich 28 Prozent. Dass sich Kinder positiv auf die berufliche Laufbahn auswirken, versprechen sich dagegen 44 Prozent der Männer. Von den Frauen nur 14 Prozent – zu oft dürften die meisten von ihnen bereits im Vorstellungsgespräch mit der so verbotenen wie beliebten Frage konfrontiert worden sein, wie es denn mit der Familienplanung stehe.

Je höher der Frauenanteil, desto höher der Profit

Frauen, ein Risikofaktor fürs Unternehmen? Das Gegenteil ist der Fall, wie das Washingtoner Peterson Institut in dieser Woche mit seiner Studie bestätigte: Je höher der Frauenanteil, desto höher ist demnach der Profit. Das zeigen die Daten von 22000 Unternehmen in 91 Ländern, die von den Forschern ausgewertet wurden. Ihre einfache Rechnung: Steigt der Frauenanteil eines Unternehmens von null auf 30 Prozent, steigt der Nettogewinn um 15 Prozent. Zwar bezogen sich die Daten nur aufs Jahr 2014 und lassen deshalb keinen allgemeingültigen Schluss zu, doch sind die Ergebnisse zu eindeutig, um sie zu ignorieren.

Der Frauenanteil in Führungspositionen wird aber erst dann wachsen, wenn Männer ebenso zum „Risiko“ werden. Wenn sie mehr Elternzeit nehmen als zwei Monate, wie es zurzeit 80 Prozent der Väter tun. Wenn sie ihren Frauen den Rücken frei halten, damit sie nach der Elternzeit ebenso selbstverständlich in Vollzeit in den Beruf zurückkehren können wie sie. Dafür müssen sich auch Unternehmensstrukturen ändern, Männern wie Frauen flexiblere Arbeitszeiten gewährt werden. Noch arbeitet fast jede zweite Frau in Teilzeit, aber 90 Prozent der Männer in Vollzeit – oft auch, weil ihnen keine Alternative genehmigt wird.

Sigmar Gabriel, der als „Working Dad“ das kranke Kind hütet, Manuela Schwesig, die als „Familienmutter“ ein Ministerium führt, sind deshalb Rollenvorbilder, die es in dieser Gesellschaft dringend braucht.

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