Pläne für den nächsten Sommer- und Herbsturlaub: Wie wir nach Corona reisen werden
Die Tourismus-Branche und auch viele Konsumenten schmieden Pläne für die Zeit nach Corona. Menschen werden wieder reisen, zum Teil allerdings ganz anders als zuvor.
Während die einen dem Reisen abschwören, buchen die anderen jetzt für die Zeit nach dem Lockdown. Unter dem Strich sinkt die Reiselust der Deutschen, zeigt eine Tagesspiegel-Background-Umfrage. Die Lufthansa erwartet eine jahrelange Durststrecke. In China dagegen nimmt der Verkehr schon wieder deutlich zu.
In der Osterwoche bleibt nicht nur Rom verwaist. Die Coronakrise hat weltweit Fluglinien, Bahnreisen- und Kreuzfahrtanbieter zur Vollbremsung gezwungen. Statt Urlauber in die Ferne zu bringen, stecken etwa der weltgrößte Tourismuskonzern Tui und der größte europäische Airline-Konzern Lufthansa in einer Existenzkrise.
Während Rettungspakete geschnürt werden und die Debatte über den Anfang vom Ende des Ausnahmezustands immer lauter geführt wird, richtet sich der Blick der Branche nach vorn. Was passiert, wenn nach Abflauen der Epidemie die Reisewarnungen aufgehoben werden? Boom or bust?
Erste Zahlen aus China, wo das Virus seinen Anfang nahm und die Normalisierung beginnt, zeigen in dieser Woche eine starke Zunahme der Reiseaktivitäten – kurz nachdem Beschränkungen gelockert oder aufgehoben wurden. Die den Markt dominierende Reiseplattform Trip.com meldet ein Plus bei den Buchungen von 50 Prozent im Vergleich zur Vorwoche, die Bahn verzeichnete am Wochenende so viele Fahrgäste wie zuletzt im Januar.
Krise der Lufthansa könnte Jahre dauern
Während Flüge ins Ausland auf einen pro Woche pro Airline und Zielland beschränkt bleiben, steigt die Zahl der Verbindungen innerhalb der Volksrepublik wieder an. Nach einem Einbruch von 80 Prozent im Februar, finden inzwischen rund 4500 von vor der Krise 8000 Flügen wieder statt, wenn auch oft mit wenigen Passagieren an Bord.
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60 Prozent der Chinesen wollen laut einer Umfrage so lange mit Reisen warten, bis vier Wochen nach der Heilung des letzten Corona-Patienten vergangen sind, zitiert das „Wall Street Journal“ aus einer Studie. Zugleich gibt eine Mehrheit an, bereits Reisepläne für die zweite Jahreshälfte zu schmieden. In Europa erwarten Unternehmen dagegen keine schnelle Erholung.
Der Lufthansa-Vorstand geht davon aus, dass es Monate dauern wird, „bis die globalen Reisebeschränkungen vollständig aufgehoben sind“ und Jahre, „bis die weltweite Nachfrage nach Flugreisen wieder dem Vorkrisen-Niveau entspricht“, so eine Mitteilung vom Dienstag. Der Kranich-Konzern stutzt sich nun selbst die Flügel, zieht fast ein Dutzend Airbus A380 und Boeing 747 früher als geplant aus dem Verkehr, will Stellen abbauen und löst die für Eurowings fliegende Tochter Germanwings auf.
Branchenexperten erwarten, dass sich hierzulande zwei gegenläufige Trends in den nächsten Monaten zeigen könnten. „Während es vor allem Jüngere kaum abwarten können, nach der Abstinenz wieder ihr Fernweh zu stillen oder abgesagte Urlaubsreisen anzutreten, dürften andere – vor allem Risikogruppen – noch sehr lange zurückhaltend sein“, sagte Martina Zschocke, Professorin für Reisepsychologie an der Hochschule Zittau/Görlitz.
Vergangene Krisen wie nach dem 11.September, Sars oder auch Terroranschlägen in Urlaubsländern hätten zwar gezeigt, dass die Zurückhaltung beim Reisen „erstaunlich schnell wieder abnimmt“, sodass auch dank Nachholeffekten sechs bis zwölf Monate später das alte Level wieder erreicht wurde. Das Gedächtnis der Leute sei also eher kurz. Doch in der Coronakrise würden viele Menschen ihr Reiseverhalten und das auch zukünftig damit verbundene Infektionsrisiko grundsätzlich hinterfragen.
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„Auf ein Kreuzfahrtschiff zu steigen oder sich im Hotel in die Warteschlange am Buffet zu reihen, erscheint vielen Menschen heute abwegig. Das wird noch lange nachhallen“, sagte Zschocke Tagesspiegel Background. „Eine gewisse Entwicklung weg vom Massentourismus in der Ferne, hin zu näheren Zielen, wo man dann lieber eine Ferienwohnung bucht und notfalls mit dem eigenen Auto oder sogar Fahrrad wieder abreisen kann, könnte eine Folge sein.“
Unternehmen locken Urlauber mit hohen Rabatten
Andererseits dürften etwa die großen Kreuzfahrtkonzerne schon bald mit Rabattschlachten darum kämpfen, ihre Schiffe wieder halbwegs voll zu kriegen und so die Nachfrage ankurbeln, was angesichts der eher älteren Kundschaft ein schwieriges Unterfangen werden dürfte. Langfristig könnten umgebaute Ozeandampfer mit weniger Menschen an Bord und größeren Kabinen das Sicherheitsgefühl steigern.
Fluglinien hoffen, mit kostenlosen Umbuchungen die Leute dazu zu animieren, eher früher als später wieder Reisepläne zu schmieden. Auf Ticketportalen findet man für Flüge, etwa im Spätsommer, gerade viele Schnäppchen. Airlines mit größeren Sitzabständen auch in der Economy statt dem bislang üblichen Sardinenbüchsen-Feeling könnten gegen die Konkurrenz punkten. Vielleicht wird der aktuell frei gehaltene Mittelsitz bei Fluglinien zumindest eine Weile zum Standard.
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„Die neuen Schutz- und Hygienemaßnahmen werden eine große Rolle dabei spielen, wie sicher sich das Reisen zukünftig anfühlt – nicht nur in diesem, sondern auch im nächsten Jahr“, glaubt Zschocke. „Es könnte das Ende vom Massen-Buffet genauso bedeuten wie neue Vorschriften in den Verkehrsmitteln, etwa das gründliche Desinfizieren der Passagierkabine im Flugzeug.“
Egal, ob Flug-, Zug- oder Kreuzfahrt-Reiseanbieter oder Hotelbetreiber – „jeder muss sich verändern und es nachweisen, etwa wie die Umgebung hygienisch überwacht und gereinigt wird und das gegenüber den Reisenden kommunizieren, damit sich diese wohler fühlen“, sagte Christopher Anderson, Tourismusexperte der New Yorker Cornell University, im US-Fernsehen. Die Menschen werden immer noch neue Orte sehen wollen, so der Tenor, aber sie werden vorsichtiger dabei sein.
Die Prognosen von Fachleuten decken sich größtenteils mit der Stimmung unter den Deutschen: Auch nach der Coronakrise wird wieder gereist, aber womöglich deutlich weniger oder anders als zuvor. Jeder Fünfte will sich in Zukunft eher einschränken, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag von Tagesspiegel Background ergeben hat. 64 Prozent wollen nach der Pandemie genauso viel reisen wie zuvor.
Am wenigsten scheinen die 18- bis 29-Jährigen von der Coronakrise beeindruckt zu sein: In diesem Alterssegment gaben etwas mehr als 70 Prozent an, ihr Reiseverhalten künftig nicht ändern zu wollen. 15 Prozent der Befragten wollen hinterher sogar mehr unterwegs sein. Bei den über 65-Jährigen hingegen planen knapp 25 Prozent, nach dem Ende der Pandemie seltener zu verreisen. Mit Jutta Maier
Felix Wadewitz