Zwei Kaffee-Kulturen: Wie Starbucks Italien erobern will
Fast jeder Italiener hat seinen Lieblingskaffee: Espresso, Ristretto, Macchiato. Jetzt will Starbucks auf dem Markt mitmischen. Kann das klappen?
Fast 30 Jahre ist es her, seit Starbucks seinen Kaffee-Siegeszug um die ganze Welt angetreten hat. Nur in der Heimat des schwarzen Heißgetränks Espresso, wo auch der dampfende Cappuccino aus dem Alltag nicht wegzudenken ist, war das US-Unternehmen bisher nicht vertreten: In Italien ist von den Dolomiten bis hinunter nach Sizilien noch keine einzige Starbucks-Filiale zu finden.
„Java Chip Frappuccinos“ oder „Iced Caramel Macchiatos“: Solche Kreationen scheinen zu ausgefallen - und wohl auch zu sahnig-süß - für den minimalistischen Geschmack der Italiener. Deshalb war die Angst groß, mit der amerikanischen Extra-Large-Version von Kaffee gegen die Maestros mit den Mini-Tässchen keine Chance zu haben.
Das soll sich bald ändern - Anfang 2017, wenn in Mailand zusammen mit dem italienischen Partner Percassi erstmals das grün-weiße Starbucks-Logo angeschraubt wird. Experten aber bezweifeln, dass die Kunden sich mit dem amerikanischen Kaffeetraum anfreunden werden.
„Die benutzen doch Karamell-Sirup und so ein Zeug"
„Die Italiener mögen solche Massenprodukte nicht, und schon gar nicht aus diesen Riesen-Plastikbechern“, sagt Adriano Santoro, Barista der berühmten „Bar del Cappuccino“ im Zentrum Roms, die als eine der besten Cafés in der Hauptstadt gilt.
Während er gekonnt mit den Hebeln der Espressomaschine hantiert, lächelt der hochgewachsene Italiener: „Die benutzen doch Karamell-Sirup und Zimt und so ein Zeug. Wenn ich hier in Italien jemandem Zimt auf seinen Cappuccino streue, dann wirft er mir den gleich ins Gesicht.“ Starbucks - das sei etwas für Teenager und Touristen, nicht für wahre Kaffeekenner.
Eine Amerikanerin an der Theke stimmt ihm zu. Krista aus Chicago lebt seit 15 Jahren in Rom und schwenkt genießerisch den Milchschaum in ihrer Tasse: „Ich würde nie ein Starbucks betreten, weder hier noch in den USA.“ Und warum nicht? „Wer einmal italienischen Kaffee getrunken hat, der kann das Gebräu in den USA nie wieder trinken.“
In Italien entstand das heutige Starbucks-Konzept
Dennoch: Konzernchef Howard Schultz ist zuversichtlich, hat er den neuen Markt doch lange studiert. „Alles, was wir bisher geschaffen haben, basiert auf wundervollen Erfahrungen, die so viele von uns in Italien gemacht haben.“
Im Jahr 1983 zum Beispiel. Da reiste der heute 62-Jährige als Marketing-Direktor von Starbucks, das damals lediglich in ein paar wenigen Geschäften in Seattle Kaffeebohnen verkaufte, zu einer Messe nach Mailand. Was Schultz in den Bars der lombardischen Metropole erlebte, sollte seine eigene Vision völlig revolutionieren - und ihn erst auf die Idee für das heutige Starbucks-Konzept bringen.
„Die Italiener hatten die Bühne, die Romanze, die Kunst und die Magie für die Espresso-Erfahrung geschaffen“, wird er auf der Starbucks-Webseite zitiert. Ein echtes Morgen-Ritual sei an den eleganten Tresen zu erleben gewesen - mit Stammgästen, die sich die Klinke in die Hand gaben und von den Baristas mit Handschlag begrüßt wurden. „Als ich Italien damals verließ, war ich elektrisiert von der Kultur“, erzählt Schultz.
Besonders im Asien-Pazifik-Raum brummt das Geschäft
Einige Jahre später eröffnete er in den USA die erste Filiale. Heute verfügt die Kette über rund 23 000 Läden in mehr als 70 Ländern. In Tunis ist der Kaffeegigant ebenso vertreten wie in Casablanca und demnächst Johannesburg. Peking, Tokio, Rio de Janeiro und Moskau - es gibt kaum eine Großstadt der Welt, in der sich die Fans nicht in den bequemen Starbucks-Ohrensesseln lümmeln können. Außer in Italien. Jetzt sei man bereit für die große Landung, glaubt Schultz. Mit „Respekt und Demut“ wolle man die Sache angehen - und gleichzeitig ein außergewöhnliches Ambiente schaffen, um die Kunden anzulocken.
Finanziell kann sich das Unternehmen einen Flop durchaus leisten - registriert die Kette doch seit Jahren kontinuierlich Rekordergebnisse. Der weltweite Umsatz lag 2015 bei 19,2 Milliarden Dollar (17,6 Milliarden Euro), 17 Prozent mehr als im Vorjahr. Besonders in China und im Asien-Pazifik-Raum brummt das Geschäft. Jedoch wäre es der Moral von Schultz und seinen Mitarbeitern sicher nicht zuträglich, in der Heimat des Espressos zu versagen.
Clotilde Dotto, Inhaberin der „Bar del Cappuccino“, glaubt - anders als ihr Barista -, dass Starbucks in Bella Italia funktionieren kann. „Die arbeiten höchst professionell, und wenn sie gute italienische Produkte verwenden, dann kann es klappen“, meint die Römerin. „Vielleicht ist die Zeit für Starbucks in Italien wirklich gekommen.“ dpa