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In den USA bestellen Leute ihren Starbucks-Kaffee bereits per Smartphone im Bus und treffen sich bevorzugt in den Filialen zum ersten Date. In Europa läuft das Geschäft schleppend.
© dpa

Trotz Erfolg in den USA: Warum Starbucks in Europa nicht ankommt

Starbucks muss in Europa Millionen Steuergelder nachzahlen. Auch sonst hat es die Kette auf dem Kontinent nicht leicht. Im Heimatland dagegen könnte sie kaum erfolgreicher sein.

Von Maris Hubschmid

Da ist dieser eine Häuserblock Downtown, der an jeder Ecke einen Starbucks-Laden hat. Man kann vom einen zum anderen hinübergucken – und denen zuwinken, die dort Schlange stehen: Alle vier Lokale sind zu Stoßzeiten überfüllt.

Es gibt eine Szene bei den Simpsons, da läuft Bart eine Straße entlang. Jedes zweite Geschäft, das er passiert, ist ein Starbucks. Als er in einen kleinen Shop einkehrt, um sich piercen zu lassen, sagt der Inhaber: „Beeilen wir uns, Junge! In fünf Minuten zieht hier Starbucks ein!“ In Seattle, der größten Stadt im US-Bundesstaat Washington, scheint diese Satire gar nicht mehr weit von der Wirklichkeit entfernt.

Tatsächlich gibt es an keinem anderen Ort der Erde mehr Starbucks-Cafés pro Einwohner. New York zählt weniger Filialen absolut. Hier in Seattle, am traditionsreichen Pike Place gegenüber dem Fischmarkt, befindet sich die älteste Starbucks-Filiale überhaupt. Eigentlich sei sie noch ein paar Meter weiter links gewesen, erzählen langjährige Stadtbewohner, aber das scheint keinen zu kümmern. Die Touristen nehmen trotzdem lange Wartezeiten in Kauf, um einmal im Leben einen Iced Latte im „Original-Starbucks“ zu trinken.

Starbucks mag dich, Starbucks versteht sich

1971 eröffnen die Studienfreunde Gerald Baldwin, Gordon Bowker und Zev Siegl im Hafen von Seattle das Geschäft "Starbucks Coffee, Tea and Spice". Starbuck, so heißt der Steuermann in Herman Melvilles Roman Moby Dick. Ein kühner, nüchterner und rational denkender Seemann. Ein gut gewählter Patron offenbar – binnen 30 Jahren hat er das Unternehmen an die Spitze dirigiert. 23.000 Niederlassungen in 70 Ländern, 300.000 Mitarbeiter: Ein Trend ist das nicht mehr. Die Kette hat die globale Kaffeekultur verändert. Das Modell Coffeeshop, Kaffee zum Mitnehmen in übergroßen Bechern und zahlreichen Variationen, wurde international oft kopiert.

Mal dreist, wie vom kleinen thailändischen Straßenhändler Starbung, mal subtiler wie vom Hamburger Label Balzac, das 1998 das Konzept nach Deutschland transportierte. Man möchte glauben: Andere können das besser, Kaffee machen, die Italiener, andere verstehen mehr von Kaffeehauskultur, die Wiener. Aber vielleicht ist genau das Starbucks’ Geheimnis: Die Baristas wissen niemals besser, wie der perfekte Kaffee auszusehen hat. Soja- oder Mandelmilch? Ein Schuss Vanillearoma dazu? Gern. Starbucks mag und versteht dich. Wer in Seattle auf eine der Filialen mit dem vertrauten Meerjungfrauenlogo zusteuert, muss in vielen Fällen nur noch den Becher vom Tresen greifen.

Die Kunden bestellen ihren Morgenkaffee aus dem Bus heraus über ihr Smartphone – und sparen sich so das Anstehen. Die App "Mobile Order & Pay", mit der Getränke im Voraus bei der Wahlfiliale in Auftrag gegeben werden können, nutzen bereits zehn Millionen Kaffeefans in den USA.

In Europa läuft es nicht

Der amerikanische Morgen, er gehört nicht mehr Kellog’s, sondern Starbucks. Und Unternehmenschef Howard Schultz will auch den Feierabend haben: In Seattle schenken die grünbeschürzten Mitarbeiter mittlerweile auch Alkohol aus. Zuletzt meldete Starbucks für 2013 einen Umsatz von mehr als 13 Milliarden Euro. Eine große Erfolgsstory – die einen Kaffee-, nein Schönheitsfleck hat: Europa. Nicht nur, dass das Unternehmen wegen seiner Steuervermeidungstaktik nach einer Entscheidung der EU-Kommission 20 bis 30 Millionen Euro Strafe zahlen muss. Kunden und Kaffee strömen noch nicht in den gehofften Mengen.

Wahr ist: Auch in Europa steigert Starbucks seinen Umsatz jedes Jahr. 135 Millionen Euro machte Starbucks in Deutschland 2014. Doch als die Kette 2002 nach Deutschland kam, verkündete sie, in den Folgejahren „mindestens 180 Niederlassungen“ aufbauen zu wollen – 13 Jahre später ist diese Zahl nicht erreicht. Aktuell sind es 159, nicht nur in Berlin-Zehlendorf hat das Unternehmen bereits wieder eine Filiale geschlossen. Man wolle sich stärker auf die Standorte konzentrieren, an denen die Kunden sind, hieß es – die Innenstädte. Der Grund dürfte nicht zuletzt sein, dass dort die Touristen sind, während die Begeisterung der Einheimischen schwächelt.

Wieso aber zieht die Idee in Europa nicht so wie in den USA? Vielleicht, weil es längst zu viele Alternativen gibt. Schon gar in Berlin, wo hunderte individuelle Cafés locken. Vielleicht, weil in Berlin kaum einer vier Euro für einen Cappuccino bezahlen will, den jede Bäckerei billiger bietet. Vielleicht auch, weil immer mehr Menschen sich von den großen amerikanische Konzernen abwenden. Wer in Seattle bei Starbucks kauft, unterstützt ein Unternehmen aus der Region. Wer in Berlin Starbucks ignoriert, boykottiert womöglich bewusst einen global agierenden – steuerflüchtigen – Konzern.

Kooperation mit Rewe in Deutschland

McDonalds kämpft, auch Dunkin’ Donuts bleibt weit hinter den Zielen zurück. Klasse statt Masse ist das Credo. Mit Freunden jedenfalls trifft man sich lieber in der charmanten kleinen Espressobar. In den USA, ergab unlängst eine Studie, ist Starbucks der bevorzugte Ort für das erste Date. Trotzdem vollzieht das Unternehmen gerade dort einen Imagewandel. Mit der "Roastery" – Rösterei – hat es in Seattle im Dezember 2014 eine Art Flagshipstore im hippen Stadtteil Capitol Hill installiert. Ein atmosphärischer Mix aus Industriechic und Nobelrestaurant, in dem exklusive Kaffeesorten verkostet werden. Noch vom Toiletten-Waschraum aus können Kunden den Röstprozess verfolgen.

Die Botschaft ist klar: Handwerk, Sorgfalt, Qualität. Und auch sonst arbeitet Starbucks mit aller Kraft daran, zu den Guten gezählt zu werden. Mit Ökostrom, Entwicklungshilfeprojekten oder der Unterstützung örtlicher Schulen. So sehr nimmt man die Kette in ihrer Heimat als politischen Akteur wahr, dass der Vorschlag, CEO Howard Schultz möge doch für das Präsidentenamt kandidieren, kaum überraschte. Schultz sagte ab – er konzentriert sich lieber auf das Geschäft. Und nimmt in Europa einen neuen Anlauf. Durch Kooperationen mit Ketten in Frankreich (Monoprix, Casino) und Deutschland (Rewe) will er zunächst die Supermärkte erobern, in denen Starbucks in den USA längst omnipräsent ist.

In Großbritannien wurden hohe Millionenbeträge akquiriert, um das Expansionstempo zu beschleunigen. Und nun wagt sich Starbucks sogar an den vermutlich härtesten Kaffeemarkt: Italien. „Zehn Gründe, warum Starbucks in Italien nichts zu suchen hat“, titelte prompt eine deutsche Zeitung. Selbstbewusst, das steht wohl außer Frage, ist der Schritt. Und genau das soll er signalisieren. „Wir sind in Europa noch in einem frühen Wachstumsstadium“, heißt es auf Nachfrage. Und ja, selbst in Seattle wolle man weiter expandieren. Bart Simpsons, beeilt Euch.

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